Warum spielt das Leben eigentlich immer gegen mich? Ich könnte echt durchdrehen. Die Tage ziehen sich, und anstatt das einmal die Ferien schnell kommen, werden die Stunden zu gefühlten Monaten. Und ich ertrage nach und nach die CDs meiner verstorbenen Freundin, ohne zu verstehen, warum sie diese Leute alle so nah an sich ran gelassen hat. Wäre sie einfach weggezogen, oder hätte die Leute ignoriert und einfach sie selbst gewesen, würde sie jetzt noch am Leben sein.
Doch die Leute kamen zu einfach an sie ran. Und so weh es tut, fünf Leute waren nicht alle, die sie dazu brachten, sich von der Klippe zu stürzen. Es kommen noch 2 CD's. Und die CD 'Y'. Ich habe Angst. Beschissene Angst, das ich doch mehr getan habe, als ich denke.
Doch trotzdem liege ich wieder auf dem Boden in meinem Zimmer, und lege CD 6 in den Player ein.
"Es tut echt weh, dich verloren zu haben."
Sie hat noch mehr Leute verloren. Ich wusste gar nicht, das verlieren so weh tut.
"Wer ist Thea?, wurde ich oft gefragt, wenn man mal nicht über mich lästerte. Wenn ich antwortete, anstatt nur zur schweigen und leicht zu lächeln, sagte ich meistens sowas wie Thea ist ein Engel. Meistens sahen mich die anderen dann an, als fänden sie mich seltsam, bevor sie weg liefen. Ach, ihr wisst natürlich auch nicht, wer Thea ist. Nein, wer sie war. Thea lebt heute nicht mehr, also Louise, überspring sie einfach. Bring die Box zunächst zum Letzten, dem eine CD gewidmet ist. Aber reden wir später darüber."
Thea also. Ein schöner Name, muss ich zugeben. Wie alt sie wohl war?
"Thea ist eine unglaubliche Person, mit einer unglaublichen Geschichte gewesen. Immer wenn ich an sie zurück denke, kann ich bloß lächeln, und staunen, wie stark sie doch war. Ich werde euch nicht ihre ganze Geschichte erzählen, dies wäre zu lang. Aber einen Ausschnitt gebe ich euch gerne."
Wie viel kann ein Mensch einem eigentlich bedeuten?
"Alles begann vor knapp zwei Jahren. Ich war in der 6. Klassenstufe - es waren die noch guten Jahre, bevor ihr alles zerstört habt. Ich sah Thea auf dem Flur - sie hat genauso gewirkt, wie ich an meinem ersten Tag in der neuen Schule. Sie war auch ein Quereinsteiger, genau wie ich, als ich auf die Highschool wechselte. Irgendwie habe ich einen Sinn dafür, fremde Menschen auf dem Flur anzusprechen, die mich später verletzten. Ein wenig verloren stand sie dort, ich erinnere mich noch, sie trug einen schwarzen Oversize Hoodie mit einer Netzstrumpfhose und schwarzen Boots, den schwarzen Rucksack auf nur einer Seite aufgehuckelt. Im Arm hielt sie einen Stapel mit ihren Schulbüchern und nun, ich konnte nicht anders als sie anzusprechen."
Und so nahm das Schicksal seinen Lauf.
"Du warst ziemlich schüchtern, wolltest mir erst gar nicht antworten. Doch du warst so unglaublich- hübsch und anziehend- deine Aura zog mich irgendwie zu dir. Und dies hatte eine gute und eine schlechte Seite."
Die Freundschaft und dann der spätere Verlust.
"Und um es kurz zu fassen: wir wurden durch Gespräche, Unterrichts- Banknachbarschaft und gemeinsamen arbeiten an Vorträgen schließlich sowas wie beste Freunde. Das ganze hat auch ziemlich lange angehalten- ein Jahr zumindest. Ich habe nicht so viel über deine Familiensituation zuhause gehört, aber ich wusste, dass du es lang nicht leicht hattest. Ich weiß nichts genaues, aber durch die vielen Narben, die ich sah, wusste ich, dass selbst ein so toller Mensch wie du nicht perfekt war."
Diese Thea kam so unerwartet. Alice hat sie nie erwähnt- bis jetzt.
"Und durch diese Situation, entwickeltest du Krankheiten, nicht nur physische. Du hast mit deinen jungen Jahren, grade mal zwölf an der Zahl, schon so viele Menschen verloren, die dir nahestanden. Und kurz nachdem du deinen Großvater sterben sahst, wurdest du geschlagen. Ich weiß nicht wer es war, der dich so sehr zurichtete, aber nur wenige Stunden später bist du an den Folgen eines Anfalls ums Leben gekommen."
Ich bilde mir fast ein, Thea hatte eine noch tragischere Geschichte, als Alice selbst.
"Natürlich war ich am Boden zerstört, als ich erfuhr, dass du gestorben bist. Aber ich konnte es auch nicht ändern. Ich konnte bloß an dich zurückdenken, und dir von nun an jeden Tag guten Morgen und jeden Abend gute Nacht sagen. Ich schaue immer noch abends zu dir herauf und erzähle dir, was mich bewegt. Thea ist ein positiver Grund, zu sterben."
Es gibt positive Gründe, zu sterben?
"Ich kann sie schon heute wiedersehen, nachdem ich euch die CDs gebracht habe."
Ich hab schon ganz vergessen, dass sie das alles an einem Tag aufgenommen hat.
"An dem Tag ihrer Beerdigung kam ich nicht. Ich habe die Zeremonie nicht besucht, ich konnte nicht. Es wäre eine Lüge, wenn ich sagen würde, ich hätte ihr Grab nie besucht. Ich erinnere mich noch an den Abend, an dem ich es nicht mehr aushielt. Ich lief so leise ich konnte die Treppe herunter und nahm mir den Rosenstrauß meiner Mutter. Leise öffnete ich die Tür und trat in die Dunkelheit nach draußen. Ich suchte mir den Weg zum Friedhof, schwer zu finden war er nicht. Niemand war an diesem Tag noch draußen unterwegs - nichts als eine flackernde Straßenlaterne leistete mir Gesellschaft. Bis ich ihr Grab fand, dauerte es etwas. Doch als ich es sah, wurde mir schwer ums Herz. Du warst wirklich tot - das realisierte ich erst jetzt."
Diese arme Thea - und Alice's Geschichte wird immer schlimmer. Langsam beginne ich zu verstehen, warum sie sich das Leben nahm.
"Ich saß eine Weile im nassen Gras vor ihrem Grab, bevor ich den Strauß vor dem Grabstein ablegte. Seitdem habe ich es auch nicht mehr besucht, ich konnte einfach nicht mehr. Also tat ich genau das. Sie vergessen- okay, das ist wieder eine Lüge. Ich habe Thea nie vergessen. Ich ließ meine Freundin gehen."
Und so fand sie einen neuen Grund, sich umzubringen.
"Und so- endet schon wieder eine CD. Ihre Geschichte ist viel zu kurz - oder zu lang, um hier alles zu erwähnen. Aber für dich, Thea, bleibt auch noch ein Spruch übrig. Es tut mir leid, dass ich dich nicht mehr besuche, aber- Wenn die Sonne des Lebens untergeht, leuchten die Sterne der Erinnerung. Ich werde dich nicht vergessen, mein Engel!"
Das altbekannte Rauschen setzt wieder ein und ihre Stimme verstummt in der Stille meines Zimmers, während ich darüber nachdenke, wie beschissen Alice's Leben doch war.
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Remaining Reveals | ✓
Teen FictionAls die vierzehn Jahre alte Alice sich das Leben nimmt, geht Caleb's Welt unter. Es gibt weder Gründe für ihren Tod, noch viele, die diesen betrauern. Doch als Caleb eines Tages eine Kiste mit CDs von seiner Klassenkameradin bekommt, kommen Geheimni...