2 Kapitel

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Zwei Minuten später stand ich außer Atem vor dem kleinen Häuschen, aus dem das Licht geschossen war.
Kurz hielt ich inne, versuchte, zu Atem zu kommen.
Obwohl das nur eine Ausrede war. Der wirkliche Grund, dass ich zögerte, war, dass ich zu zweifeln begann, ob es wirklich das richtige war, was ich vorhatte zu tun. Bis jetzt hatte Zorro mit seinem Instinkt, Gefahr wahrzunehmen, richtig gelegen.
Sollte ich das einfach so in den Wind schlagen für ein Mädchen, dem ich nicht mal nahe stand?
Ja, war der Gedanke darauf, der unmittelbar folgte. Dieses Mädchen hatte mir schon oft geholfen und mir mein Herz erwährmt. Sie war es absolut wert, dass man sie rettete.
Gerade, als ich weiterlaufen wollte, rief jemand meinen Namen.
Keuchend lehnte Zorro am Tor, Wasser tropften ihm aus dem Haar und der Kleidung.
"Egal, was du versuchst, du kannst mich nicht aufhalten", warnte ich ihn.
Zorro nahm seinen Arm vom Tor und ging auf mich zu.
"Das hab ich auch bemerkt." Ein schiefes Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit, als er seine Jacke auswrang und ein ganzer Wasserfall daraus auf den Rasen plätscherte.
"Darum will ich dich wenigsten nicht alleine lassen. Ich komme mit."
Ungläubig sah ich ihn an, während er an mir vorbei ging.
"Wirklich?", fragte ich und folgte ihm.
Anstatt zu antworten, veränderte Zorro die Haltung, beugte sich ein wenig vor und legte einen Finger auf die Lippen. Dann bedeutete er, dass ich seine Haltung nachmachen sollte.
Wir schlichen auf das Häuschen zu. Als wir nah genug am Fenster waren, standen wir jeweils rechts und links davon. Zorro spähte in das Häuschen hinein und ich tat es ihm nach. Ein Vorhang verdeckte uns die Sicht, doch ich konnte ein paar Schuhe erkennen, die so dicht vor dem Fenster standen, dass ich zurück zuckte.
Zorro machte einen halbkreis mit der Hand, eine Geste, mit der er sagen wollte, dass wir um das Haus herum sollten. Dann tat er so, als würde er eine Türklinke mit der Hand umschließen und herunterdrücken und ich nickte.
Wir mussten versuchten, hinein zu gelangen.
Ich drehte mich um und spähte um die Hausecke, dann hob ich den Daumen. Auf meiner Seite um die Ecke befand sich die Eingangstür, die allerdings von einem großen dunkeln Typen bewacht wurde. Zorro kroch unter dem Fenster durch und stand ein paar Augenblicke später neben mir. 
Ich deutete um die Ecke, dann stellte ich mich gerade hin und tat so, als würde ich stark aussehen. Zorro nickte und ging in die Hocke. Er fuhr mit der Hand über das Gras, ein paar Sekunden später machte er eine werfende Handbewegung.
Es raschelte und Zorro sprang um die Ecke. Das nächste, was ich mitbekam, war ein Ächzen, dann ein Röcheln und das Geräusch, als würde ein Haufen Kleider zu Boden gehen.
Zorro kam wieder zu mir, gab mir ein Zeichen, dass ich kommen sollte und verschwand wieder. Vorsichtig folgte ich ihm und sah gerade noch rechtzeitig, wie er mit der Schulter gegen die Tür rammte, die mit einem Krachen gegen die Wand nach innen schlug. Eine Staubwolke wirbelte auf, in der Zorro in der nächsten Sekunde verschwand.
Ich hörte ein schmerzhaftes Stöhnen, gefolgt von dem Geräusch, wenn zwei fremde Körperteile mit Wuch aufeinander treffen, dann ein Rumpeln.
Im nächsten Moment rannte Zorro aus der Tür, dann um die Ecke gegenüber und weg von mir, gefolgt von einer Frau, deren wütender Gesichtsausdruck mir selbst in dem Bruchteil einer Sekunde, in der sie mir es zugewandt hatte, erschaudern ließ. Mich bemerkte sie nicht.
Ich betete, dass Zorro lebend davon kam.
Ich nahm an, dass er mit Absicht die Frau von hier weggelockt und dafür gesorgt hatte, jede andere Person, die mir gefährlich werden konnte, mir nichts mehr tun konnte, damit ich ungestört ins Innere gehen konnte.
Ich lugte in das Gartenhäuschen und dort umgeben von den Körpern von Menschen und Staub, der noch immer aufgewirbelt umher flog, saß eine schmächtige Gestalt auf einem Stuhl. Ihr Kopf war herunter gesunken, sodass ihr Kinn auf ihrem Brustkorb ruhte und dicke Bänder waren um ihren Oberkörper, ihre Beine und ihre Hände hinter dem Rücken gebunden.
Aada.
Ich eilte zu ihr und versuchte, die Bänder mit bloßen Händen zu zerreißen. Doch als sie mir nur schmerzhaft in die Hände schnitten, sich aber nichts lockerte, hielt ich inne.
Ich ging zu dem Mann, der am nächsten von uns lag und durchsuchte seine Taschen. Als meine Hände auf etwas glattes stießen, umgriff ich es und holte es hervor. Die metallene Klinge blitze im spärlichen Licht, als ich das Taschenmesser ausklappte.
Relativ schnell gelang es mir, Aadas Fesseln durchzuschneiden. Mit einem Ächzen kam sie gerade zu sich, als ich daran war, das letzte Stück zu durchtrennen, das um ihre Handgelenke gebunden war.
Sie begann zu zucken, was meine Arbeit erheblich schwerer machte. Dann stieß sie ein Knurren aus und aus dem Augenwinkel sah ich, wie sie ihren Kopf zu mir drehte.
Ohne aufzublicken, versuchte ich noch immer, das dicke Band zu durchtrennen.
"Ich bins", stieß ich durch zusammengebissenen Zähnen hervor. "Gleich bist du frei."
Doch ich kam gar nicht dazu, ihre Fesseln komplett zu durchtrennen. Aada warf sich herum und der Stuhl fiel mit einem Klappern zu Boden. Begleitet von einem ratschen riss sie ihre Hände hinter dem Rücken hervor. Ohne große Anstrengung hatte sie das dicke Band zerstört, an dem ich mit dem Taschenmesser herumgeschnitten hatte.
Als ich jetzt das erste mal an diesem Tag ihr Gesicht so richtig im blassen Licht, das vom großen Haus herüber schien, erkannte, erschrank ich.
Sie verhielt sich und sah so anders als ich es kannte. Sie war immer ziemlich ruhig gewesen, hatte auch mal ein Lächeln für andere übrig, und doch war sie immer für sich gekehrt und höflich. Ihre Augen waren voller Wärme gewesen.
Nun hatte sie sie aufgerissen und ihr Mund war zu einem Knurren verzogen. Ihr Blick war hitzig, erinnerte mich an den einer Wilden oder Verrückten.
Mit zwei Schritten war sie bei mir, ihre Hände umgriffen meine Schultern, drückten sie fest. Zu fest.
Ihre hellen Augen glänzten, als würde ein hunger in ihr lauern, der sie verschlingen würde, würde sie nicht jeden Augenblick etwas zu essen bekommen. Ihre Augen brannten. Es sah so aus, als würde ein Feuer, ein wildes Biest, sie anstacheln, sie dazu bewegen, auf die Jagt zu gehen.
Und im nächsten Augenblick realisierte ich etwas: ich war die Beute.
Mit einem freudigen Schrei, der nicht nach einem Menschen klang, stürzte sie sich auf mich, auf die ungeschützte Beute, die unfähig war, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Die zu gelähmt war, um um ihr Leben zu kämpfen.

Angels SinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt