Wir saßen wieder am Tisch. Eine angespannte Stimmung schwebte zwischen uns und ich grübelte bereits darüber nach, wie das Wort Engel zu der Aada von gestern Abend passte.
Zorro lehnte sich nach hinten, trank einen Schluck Kaffee und begann zu erzählen:"Engel werden als Wesen bezeichnet, deren Herzen nicht aus einem pumpenden Muskel bestehen, wie Menschen es haben, sondern aus einem Energiebündel. Dieses verleiht ihnen besondere Kräfte, zum Beispiel sind sie nicht so zerbrechlich wie Menschen und haben andere Kräfte, die stärker und übernatürlicher sind, als die der Sterblichen.
Doch wie jedes Lebewesen braucht es irgendwann etwas zu essen. Zwar können Engel es, indem sie richtiges Essen essen, hinauszögern, doch irgendwann kann es so hungrig werden, dass es die Kontrolle übernimmt. Alleine die Energie eines anderen Engels kann es satt bekommen.
Doch es gibt noch eine Alternative: Das Herz eines Teufels. Das hält das Herz eines Engels über einen noch längeren Zeitraum satt und manchmal reicht es sogar ein halbes Leben lang."
Mir wurde mulmig zumute und ich schluckte.
"Und wie lange geht das Leben eines Engels?", fragte ich.
Der Stuhl knarzte, als Zorro seine Position ein wenig veränderte und er die Tasse auf den Tisch abstellte.
"Solange ein Engel es will."
"Und gestern Abend hat dieses Energieherz die Kontrolle über Aada übernommen?", hakte ich nach.
"Ja."
"Und... Um an das Herz eines Engels, oder Teufels, zu gelangen..", ich stockte, wollte nicht aussprechen, was ich bereits vermutete.
"Müssen sie den anderen umbringen", beendete Zorro den Satz mit einem kalten Unterton in der Stimme und bestätigte somit, was ich mir schon gedacht hatte.
"Und wenn Aada aufwacht, wird sie wieder so wild sein?"
Zorro schüttelte den Kopf.
"Ich habe ihr etwas gegeben, das sie vorerst beruhigen wird. Eine Art Beruhigungsmittel."
Erleichtert atmete ich auf. Dann erschien das Bild, wie Zorro durch den Raum schritt, mit einem leichten Leuchten, das seinen Körper umwob, vor meinem inneren Auge.
War er auch ein Engel? Und wie hatte er es geschafft, Aada auszuknocken?
Gerade als ich ihn das fragen wollte, knallte etwas lautstark gegen die Wand und Aada kam um die Ecke ins Wohnzimmer, ihre Hände lässig hinter dem Kopf verschränkt.
"Ich habe hunger", erklärte sie, ohne vorher eine Brgüßung oder ein anderes Wort zu sagen. Ihr Blick glitt von Zorro zu mir, dann wieder zu ihm, ohne eine Regung zu zeigen.
Seufzend erhob er sich und öffnete den Kühlschrank, nur um eine halbe, bereits zuvor aufgewärmte, Tiefkühlpizza auf den Tisch zu werden.
Aada starrte sie an, als hatte Zorro ihr einen alten Schuh aus einem See gefischt und ihn ihr zum Essen angeboten.
"Gibts nichts besseres?", knurrte sie, während sie zum Tisch ging und sich ein ganzes Stück der verbleichten Pizza auf einmal in den Mund schob. Sie nahm das Glas, das Zorro mir vorhin hingestellt hatte, und leerte das Wasser in einem Zug. Dann starrte sie mich an und grinste.
"Du hast mir wohl meine Schauspielerei in der Schule geglaubt, so wie du guckst", amüsierte sie sich.
Ja, das hatte ich. Nun fiel es mir schwer zu glauben, dass das die Aada war, mit der ich verlegene Blicke ausgetauschte hatte. Vielleicht hatte sie eine Zwillingsschwester? Doch den Gedanken verschob ich sofort wieder. Denn falls sie eine hatte, musste sie exakt so aussehen wie Aada, dazu noch die gleiche Stimme haben, und den gleichen Schmuck tragen, wie den Ring, den sie immer an ihrem rechten Zeigefinger trug, wie jetzt auch.
"Warum hast du dich verstellt?", fragte ich ernsthaft, ihr Lächeln ignorierend.
"Es gibt viele Wege, Menschen von sich fern zu halten", sagte sie, ein weiteres Pizzastück in ihren Mund angelnd. Sie zuckte die Schultern. "Ich wollte halt die Schüchterne spielen."
"Aber warum?" Wütend stand ich auf, um mit ihr auf gleicher Augenhöhe zu sein. Jetzt, wo sie nicht mehr so in sich zusammengesunken war, wie in der Schule, überragte sie mich sogar um ein paar Zentimeter.
"Warum nicht?", entgegnete sie. "Ich mag es zu schauspielern."
"Was..?", mir fielen nicht die richtigen Worte ein, zu viel geisterte durch meinen Kopf, sodass die Fragen und Antworten, alles war ich wusste und was nicht, ineinander verschwomm und ich nichts herausfiltern konnte.
Aada schob sich das letzte Stück Pizza in den Mund und leckte sich die Fingerspitzen sauber.
"Ich verabschiede mich dann", sagte sie und lief auf eine Tür zu.
"Das ist der falsche Weg." Trocken klärte Zorro sie darüber auf und sie warf ihm einen sauren Blick zu, nur um dann abrupt die Richtung zu ändern.
"Ich weiß schon, wo...", ihre grätige Antwort verstummte, als sie, kurz bevor sie hinter einer Ecke verschwand, stehen blieb.
Dann knurrte sie: "Zum Teufel mit ihnen" und drehte abrupt um, rannte wie von der Tarantel gestochen los. Hinter ihr trat eine schlanke Frau hervor, in ihren Armen ließ sie einen Speer tanzen, der wie Obsian funkelte. Sie hatte braune Haare, die ihr zu einem Zopf geflochten waren und ihr über die rechte Schulter vor die Brust fielen. Ihr Blick wanderte zu Zorro und mir, eine Augenbraue hob sich, dann stürmte sie los. Sie war so schnell, dass ich am Anfang kaum wahrnahm, dass sie losgerannt war. Als ich Glas splittern hörte, sprang ich auf und wollte Zorro etwas zurufen, doch der schenkte sich gerade eine neue Tasse Kaffee ein, was mich innehalten ließ. Er sah nicht so aus, als würde ihn interessierten, was hier gerade passierte.
"Wir müssen Aada helfen!", rief ich dann und wollte losrennen, doch er packte mich am Arm und zog mich zurück.
"Das geht dich nichts an", zischte er. "Wir haben ihr bereits einmal geholfen, ein weiteres mal würde ihr nicht gefallen."
Wütend starrte ich ihn an. Noch nie hatte es mich so aufgeregt, dass wir so verschiedenr Meinungen waren. Selbst ich, der kaum eine Ahnung hatte was hier überhaupt los war, sah, dass die fremde Frau jagt auf Aada machte. Dann kam mir etwas in den Sinn, eine Vermutung, die fiel wie der Apfel vom Stamm.
"Ist die Frau mit dem Speer auch ein Engel?", fragte ich, während ich glaubte, dass die ganzen Informationen und Ereignisse mir die Luft abschneiden würden.
"Nein." Seine Antwort kam gleichgültig, doch mit einer bestimmten Nachdrücklichkeit, während sein Griff sich keine Sekunde lang lockerte.
"Woher weißt du das alles?", brach es aus mir heraus. Ich zappelte herum und versuchte, meinen Arm aus seinem Klammergriff zu befreien, doch er war genauso kalt und eingefroren wie der Blick in seinen Augen es gerade war.
"Engel haben meine Familie getötet", sagte er mit einer solchen kälte, dass es mir kalt den Nacken hinunter lief. "Seitdem bin ich in diese Welt verwickelt."
Ich starrte ihn an. Fassungslos, dass ich gerade, nach Jahren unserer Feundschaft, zum ersten Mal davon hörte.
Zorros goldene Augen starrten mich von oben hinab an, schienen mich zu mustern und meine Gedanken zu lesen. Auf einmal bekam ich Ehrfurcht vor ihm und Angst. Angst, dass er lange nicht der war, für den ich ihn die ganze Zeit gehalten hatte. Angst, dass ich ein so schlechter Freund gewesen war, dass er mir nichts von seiner Vergangenheit anvertraut hatte. Er schien meine Gefühlslage mitzubekommen und sein Blick wurde ein wenig weicher.
"Ich habe dir nichts davon erzählt, weil ich vermeiden wollte, dich in diese Welt hineinzuziehen."
Endlich schaffte ich es, mich von ihm loszureißen und trat schnell zwei Schritte zurück, ehe er wieder nach mir greifen konnte. Ich wollte gerade etwas sagen, da packte mich jemand an der Schulter und zog mich irre schnell mit sich. Für ein paar Sekunden verschwamm meine Ungebung und Zorros Gesicht vor mir, dann stand ich auf einmal neben der Couch zehn Meter von ihm entfernt. Etwas warmes lief mir den Hals hinab, während gleichzeitig jemand meine Schultern fest umfasste und an sich drückte.
"Kommt näher und ich töte ihn", knurrte Aada.
Ich brauchte ein paar Augenblicke bis ich realisierte, dass sie es war, die mich umklammerte und ihre Hand unter mein Kinn hielt. Und noch ein paar mehr, bis ich bemerkte, dass sich ihre spitzen Fingernägel an einer Stelle an meinem Hals befanden und meine Kehle gerade so leicht berührten, dass es blutete, aber nicht, dass es mich umbrachte. Sie hatte doch vorher nicht so spitze Nägel gehabt!
"Verdammt, will es jetzt auch noch eine Geisel nehmen?", knurrte die Frau. Sie hielt den Speer so, dass die scharf glänzende Spitze nach unten auf den Boden gerichtet war und das Ende hinter ihrem Kopf nach oben ragte.
'Es'? Ich schlielte zu Aada, in deren hellen Augen ein Feuer brannte und die die braunhaarige Frau wütend anstierte. Meine sie mit 'es' Aada? Auf einmal fiel mir auf, dass die Blondine müde und ausgezehrt aussah. Ih wusste nicht, ob es daran lag, dass ich ihr auf einmal so nah war und ich es erst jetzt bemerkte, oder daran, dass sie langsam am Ende ihrer Kräfte ankam.
"Gebt mir einen Teleportationsstein", fauchte sie. Sie klang wütend und gereizt, doch ich konnte auch eine gewisse Angst heraushören.
Missmutig griff die Braunhaarige in ihre Tasche und wühlte herum. Während sie noch suchte, blitzte etwas grünes in Zorros Hand auf.
"Ich hab einen."
Der leuchtende Stein flog durch die Luft und Aada musste mich loslassen, um ihn zu fangen. Ich stolperte und konnte mich gerade noch fangen, bevor ich fiel.
Ein Teleportationsstein? Etwa einer, mit dem man sich teleportieren, innerhalb von Augenblicken an einen anderen Ort gelangen, konnte?
Zorro war innerhalb von Sekunden bei mir und stellte sich schützend vor mich. Die Braunhaarige wirbelte ihren Speer, dann preschte sie vorwärts. Aada musste ausweichen und näherte sich uns rückwärts Schritt für Schritt. Auch Zorro drängte mich zurück, auch wenn ich hartnäckig versuchte, mich nicht zu weit von den beiden Frauen zu entfernen, um notfalls einzugreifen, wenn die Frau Aada verletzte oder gar zum Todesstoß ausholte.
Auf einmal leuchtete der Stein in Aadas Hand so hell auf, dass das Licht durch ihre Haut und ihr Fleisch drang und ihre Hand zu leuchten schien. Die Frau erwischte Aada mit ihrem Speer an der Hand mit dem Stein, der klirrend zu Boden fiel. Blut rann in großen Tropfen ihre Finger hinab und auf den Boden, dann, als sie taumelte und ihr Arm herumschwenkte, auch auf dem nur noch leicht glühendem Stein. Als der erste Blutstropfen den Stein berührte, schien er so hell, wie eine frisch installierte Glühbirne. Im gleichen Augenblick hob die Brünette ihren schwarzen Speer hoch, die Spitze auf Aadas Herz gerichtet. Ich schoss nach vorne, spürte kaum, wie Zorros Hand meinen Rücken streifte, versuchte, mich zu greifen. Im nächsten Moment hatte ich das Gefühl zu fallen und schwarze Leere breitete sich vor mir aus. Ich kam zum stillstand.
Was war passiert? War ich ohnmächtig? Ich blinzelte, um zu testen, ob ich meine Augen geschlossen hatte. Nein, ich befand mich igrendwo anders. Gerade, als ich die Hand ausstrecken wollte, fiel ich wieder und die Schwärze um mich herum verschwamm zu Streifen, zwischen die sich ein paar bunte schlichen, bis jede dunkle Linie weggewischt war.
Das nächste, das ich spürte, war kalter Stein und ein ekelhaft warmer Wind, der über mich hinweg strich. Ich lag auf dem Bauch, die Handflächen neben mir auf den Stein gedrückt, während ich versuchte zu realisieren, was gerade passiert war.
"Verdammter Mist", knurrte auf einmal jemand hinter mir. Langsam drehte ich den Kopf und sah Zorro, der schräg hinter mir stand und sich Dreck von der Kleidung klopfte.
Er murmelte noch etwas vor sich hin und ich versuchte mich langsam aufzurichten, ohne dass er etwas mitbekam. Er hielt nicht mal inne, als er seinen Kopf zu mir wendete und mir direkt ins Gesicht blickte.
Trotzig stand ich auf, ohne den Blickkontakt abzubrechen. Diesmal wandte Zorro sich zuerst ab, nur um seine Augen in die Ferne schweifen zu lassen und seine Umgebung in Augenschein zu nehmen.
Ich tat es ihm nach und das was ich erblickte, ließ mich entmutigt werden lassen. Überall nur Felsen, ab und zu mal mit einem Strauch bespickt, der zwischen den Ritzen hervor kroch. Im Himmel kreisten weit entfernt zwei Vögel, doch die verschwanden innerhalb von Sekunden zwischen den Wolken. Hier war es nicht besonders warm oder kalt und abgesehen von dem Wind, den ich bei meinem Aufwachen gespürt hatte, schien die Luft still zu stehen. Und niergends ein Gebäude, geschweige denn Menschen, zu erkennen.
Ob Aada noch immer bei der Jägerin mit dem Speer war? Wenn ja, ich wollte gar nicht daran denken, war sie dann schon tot?
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Angels Sin
Fantasia"Ist dir dieses Mädchen wichtiger als dein Leben?" ... Ich fühlte mich verraten. Von meinem besten Freund. Meinem einzigen Freund. Im nächsten Moment tat ich das dümmste, was ich je tun konnte. Etwas, das mein ganzes Leben auf den Kopf stellen und m...