Als Lehrer hat er sich immer wohlgefühlt. Schüler kamen mit Problemen zu ihm. Er hörte ihnen zu, half ihnen wenn sie Schwierigkeiten im Unterricht hatten und gab ihnen Rat wenn sie privat mal nicht weiter wussten. Er war eine Stütze im Leben vieler Menschen gewesen. Doch immer gab es Zweifler. Leute die Gerüchte verbreiteten. Schüler die ihn nicht mochten, aus welchen Gründen auch immer. Solche die einem eben einfach nur Böses wollen und Geschichten rum erzählen. LÜGEN! Lügen die ihm seinen Job... seine Integrität gekostet hatten. Er versuchte zu verstehen warum und lag Nächte lang wach. In Gedanken versunken. In den Gedanken gefangen.
An diesem letzten Morgen stand er auf wie immer. Ging durch den kleinen Flur zur Küche entlang und hielt einen Moment vor einer Pinnwand mit Fotos. Abschlussfotos von seinen ehemaligen Klassen. Fotos von Klassentreffen, Grillfeiern und Abendessen die er mit seinen Abgängern bereits veranstaltet hatte. Er war immer so froh gewesen zu sehen was aus seinen Schülern geworden war und er erinnerte sich gerne an die Tage zurück. Doch an diesem Morgen fing er an zu weinen und er wand sich ab von den Erinnerungen.
Er betrat die Küche. Es war noch Kaffee vom Vortag in der Kanne. Er war kalt geworden. Mit einem mulmigen Gefühl goss er den Kaffee in die Spüle, daran denkend, dass er gerade jemandes Tageswerk wegschüttete. Er machte sich dennoch einen neuen und nahm einen Schluck. Der Kaffee war etwas zu stark, aber angenehm heiß. Draußen hörte er Polizeisirenen und er ging zum Fenster. Unten auf der Straße fuhren zwei Streifenwagen zwischen den Häuserfronten entlang. Er schaute auf. Im Haus gegenüber winkte ihm seine Nachbarin zu. Sie war eine nette alte Dame mit der er schon einige Male Kuchen gegessen hatte, wenn eine ihrer Katzen mal wieder ausgebüxt ist und er sie gefunden hatte. Ihre Katzen hatten ein Faible für den Birnenbaum im Hinterhof des Hauses gehabt in dem er wohnte. Inzwischen wurde der Hof zu einem Parkplatz umfunktioniert. Der Birnenbaum ist weg und die Katzen bleiben nun zumeist daheim.
Als er seine Gedanken wieder fokussierte war die nette alte Dame wieder ins innere ihrer Wohnung verschwunden. Er schloss das Fenster und trank seinen Kaffee aus. Es war fast zwanzig nach sechs. Er zog sich einen braun-karierten Anzug an, griff sich den Koffer mit seinen Papieren und seine Schlüssel und verließ das Haus. Während der Fahrt wäre er, aus Gewohnheit, beinahe wieder zu der alten Schule gefahren in der er früher einmal Unterrichtet hatte. Doch die war nicht sein Ziel. Nein, sein Ziel war weitaus abgelegener.
Er fuhr von einer Landstraße auf einen Schotterweg der zu einer Schrebergartensiedlung führte. Er stellte das Auto ab, ließ aber den Schlüssel stecken. In seiner kleinen Gartenparzelle angekommen atmete er erst einmal Tief durch. Frische Luft die seine Lungen füllte. Es war ein kühler Morgen. Er hatte ein paar Rosenbüsche angepflanzt. Der Rasen war gepflegt und die Terrasse vor seinem Schuppen sauber. Das innere des Schuppens war nicht so aufgeräumt, aber das sollte ihn nicht mehr interessieren. Er breitete das innere seines Aktenkoffers auf einem kleinen Gartentisch aus. Ein paar Fotos von ihm und seinen Schülern, seinen Lebenslauf und eine selbstgeschriebene Notiz. Als er sich umdrehte und gehen wollte klebte seine Schuhe leicht am Boden fest. Er schaute sich um. Die Truhe in der Ecke ,in der er früher Sitzpolster für Gartenmöbel aufbewahrte, war undicht und der Inhalt war über Nacht gleichmäßig auf den Boden geflossen und geronnen. Er hätte wirklich noch einmal sauber machen können bevor er ging, aber dafür war es wohl nun zu spät. Seine Schuhe hinterließen eine Spur aus schmutz auf den Fliesen der Terrasse. Seine Gedanken spielten verrückt. Dabei war es noch früh am Morgen. Er war immer ein ruhiger und verlässlicher Mensch gewesen und fragte sich nun, wie es für ihn enden würde. Ob es wohl so endet wie für seine erste Klasse? Alle waren erfolgreich in dem was sie taten und alle waren zufrieden. Oder sollte es enden wie mit seiner letzten Klasse? Mittendrin mit einem Riesenskandal? Ein Ende das so plötzlich gewesen war, dass es die gesamte Stadt erschüttern sollte? Wie es auch werden mochte. Er war bereit und musste es auch sein. Die Polizei wartete bereits an seinem Wagen.
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Traumprotoypen
RandomEine kleine Sammlung von Kurzgeschichten, die ich mir aus meinen, aber auch aus den Träumen meiner Freunde gesponnen habe...