Eine Schulter zum ausweinen

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"Ich hoffe ich störe dich nicht! Seit heute morgen bin ich wieder in London. Ich war schon im St. Mungos aber dort sagte man mir, dass du heute frei hast. Also bin ich hergekommen. Du hast mir gefehlt Hermine und ich hab mich sehr darauf gefreut, dich wiederzusehen. Aber wenn ich ungelegen komme dann...."Unsicher lächelte er sie an.

"Ungelegen? Red doch keinen Unsinn Harry! Ich freu mich riesig dich zu sehen."Erneut umarmte sie ihn. "Ich hab dich auch vermisst Harry."

Sie lehnte sich zurück und blickte ihn musternd an. Er sah sehr gut aus, er schien muskulöser geworden zu sein, was in seinem Beruf als Auror, sicherlich sehr nützlich war. Plötzlich erschien er Hermine viel größer, als früher, aber das lag wohl eher daran, dass sie Harry in den letzten zwei Jahren kaum gesehen hatte. Er war sehr beschäftigt und viel im Ausland unterwegs. "Du siehst wirklich gut aus Harry."Sagte sie lächelnd.

Dann wurde ihr klar, wie furchtbar sie selbst aussehen musste. "Ganz im Gegensatz zu mir. Aber komm erst mal ins Wohnzimmer."Sie betrat den Raum und ihr Blick fiel auf die Decke auf dem Sofa, mit der sie sich irgendwann in der Nacht zugedeckt haben musste. Auf dem Tisch stand noch ihre Teetasse und überall verstreut lagen benutzte Papiertaschentücher. Hastig schob Hermine sie beiseite und machte damit Platz auf dem Sofa.

"Tut mir leid, dass es hier so aussieht. Ich bin wohl gestern einfach auf dem Sofa eingeschlafen. Komm setzt dich doch. Ich zieh mich nur kurz um, dann mach ich uns einen Kaffee, in Ordnung?"Plapperte sie hastig und strich sich erneut über das zerzauste Haar. Sie musste unbedingt ins Bad und sich ein bisschen zurechtmachen.

"He, nur keine Aufregung! Setzt du dich lieber erst mal hin und erzähl was los ist."Sagte Harry und drückte sie auf das Sofa hinunter.

"Was...was soll den los sein? Es ist alles in Ordnung."Stammelte Hermine und versuchte wieder aufzustehen.

Doch Harry drückte sie erneut hinunter: "Du kannst mir nichts vormachen Mine. Du hast ganz rotgeweinte Augen und du willst mir doch nicht weismachen, dass es normal ist, dass Hermine Granger so unordentlich geworden ist."Mit einem schwachen Lächeln deutete er auf das Chaos um sie herum. Dann sah er sie wider ernst an. "Was ist los? Wir sind doch immer noch Freunde, oder?"

Hermine spürte, wie wieder dieses Kloßgefühl in ihrem Hals aufstieg. Bisher hatte sie mit keinem Menschen darüber gesprochen, was geschehen war und jetzt tauchte urplötzlich Harry auf und fragte, was los sei. Der Harry mit dem sie schon seit so vielen Jahren befreundet war, der sie wahrscheinlich besser kannte, als sie sich selbst. Mit dem sie so manch schwierige, ja gefährliche Situation durchstanden hatte.

Wie eine Welle schien auf einmal alles über sie hereinzubrechen. Die Enttäuschung über Marc, das Gefühl der Einsamkeit, die Wut auf Marc, ihre verletzten Gefühle, ihre Hilflosigkeit mit der Situation umzugehen, ihre Erschöpfung, aber auch die Freude über Harrys unerwarteten Besuch verbunden mit einem Gefühl der Dankbarkeit, dass er hier war. Das alles war zuviel für sie und sie spürte, wie die Tränen in ihren Augen brannten und diesmal zwang sie sich erst gar nicht dazu, sie zurückzuhalten, sie traten aus ihren Augen und rollten ihre Wangen hinunter.

Harry sah sie einem besorgten Gesichtsausdruck an: "Komm her!"Flüsterte er leise und zog sie in seine Arme.

Schluchzend lehnt sich Hermine an seine Schulter und weinte. Er strich ihr zärtlich über das Haar und wiegte sie sanft, wie ein Kind, das man zu trösten versuchte. "Alles wird wieder gut Mine. Bestimmt wird alles wieder gut", wisperte er leise.

Zum erstenmal seit Tagen fühlte sich Hermine geborgen und hatte die Hoffnung, dass wirklich alles wieder gut werden könnte. Sie klammerte sich an ihn und er ließ sie gewähren. Nach einer Weile beruhigte sie sich und löste sich aus seiner Umarmung. Mit beiden Händen wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht.

"Tut mir leid Harry. Was musst du jetzt von mir denken? Sieh nur, dein T- Shirt ist ganz nass von meiner Heulerei."Sie deutete auf die Stelle an seiner Schulter, an der sie sich so eben noch ausgeweint hatte.

"Das macht doch nichts. Wozu sind Freunde schließlich da?"

"Damit man sich an ihrer Schulter ausheulen kann?"Fragte Hermine und lächelte schwach.

Harry nickte: "So und jetzt gehst du ins Bad, während ich uns einen Kaffee mache. Dann setzen wir uns hin und reden in Ruhe, in Ordnung?"

Hermine seufzte, ihr war schon viel wohler ums Herz, jetzt da sie jemanden hatte, dem sie von ihrem Kummer erzählen und bei dem sie einfach weinen konnte, wenn ihr danach war. Sie nickte wortlos und Harry drückte ihre Hand.

"Das ist meine Hermine."Sagte er lächelnd und zwinkerte ihr mitfühlend zu.

Als Hermine 15 Minuten später frisch geduscht und angezogen wieder aus dem Badezimmer kam, sah sie, dass Harry nicht nur Kaffee gekocht hatte. Die Fenster waren geöffnet und frische Luft strömte ins Wohnzimmer herein. Auch hatte er die Taschentücher weggeräumt und die Decke lag zusammengelegt auf dem Sessel. Die Schnipsel von Marcs zeriessenem Brief hatte er nicht weggeworfen, aber auf ein Häufchen auf den Tisch gelegt. Auf dem Esstisch standen zwei Kaffeetassen aber auch ein Korb mit frischen Brötchen. Hermine fühlte, wie ihre Lebensgeister wieder in ihren Körper zurückkamen, das Leben war schön, auch ohne Marc.

Harry betrat durch die Küche das Wohnzimmer und stellte die Kanne mit dem dampfend heißen Kaffee auf den Tisch.

"Komm setzt dich. Ich hab beim Bäcker noch ein paar Brötchen ergattert. Es ist zwar schon ein bisschen spät für Frühstück, aber er kann nicht schaden, wenn du etwas isst."Er zog den Stuhl vor und deutete Hermine einladend an, platz zu nehmen.

Hermine setzte sich und lächelte sanft, als er ihr gegenüber platz nahm. "Danke Harry, das ist wirklich lieb von dir."

Hermine hatte nicht vor, ihm gleich von Marc zu erzählen. Nachdem sie sich endlich beruhigt hatte, wollte sie nichts sagen, was vielleicht einen erneuten Gefühlsausbruch in ihr auslösen könnte. Also begann sie Harry zu fragen, was er in letzter Zeit so getan hatte.

Harry war so taktvoll sie nicht sofort weiter nach ihrem Problem zu fragen und erzählte ihr erst einmal von seiner Arbeit. Von seinem Reisen und was er so alles erlebt hatte. Sie war froh über die Ablenkung und lauschte ihm gebannt.

Ziemlich rasch war die Zeit verflogen und Harry blickte kurz auf seine Uhr.

"Was hältst du davon, wenn wir heute Abend ein bisschen ausgehen? Wir könnten zum Beispiel essen gehen?"Fragte er.

"Sicher, das wäre toll. Nicht weit von hier gibt es ein klasse italienisches Restaurant."Erwiderte Hermine.

"Ok! Wie wäre es um sieben? Ich muss vorher noch mein Gepäck vom Bahnhof abholen und mir ein Hotelzimmer suchen. Eigentlich hatte ich gehofft, dass mein altes Apartment noch frei sei. Aber offensichtlich war ich diesmal doch zu lange weg und meine Vermieterin hat es schon wieder vergeben."Er lächelte schwach. "Jetzt muss ich erst einmal nach einer neuen dauerhaften Bleibe suchen. Ich werde nämlich mal wieder länger in London bleiben. Allmählich habe ich keine Lust mehr mich dauernd in der Weltgeschichte herumzutreiben. Liegt wahrscheinlich am Alter."Er lachte schalkhaft.

"Ja natürlich. Mit 26 Jahren wirst du jetzt langsam zu alt, um den dauernden Weltenbummler zu spielen."Antwortete Hermine ironisch und grinste. Beide lachten. "Du kannst aber auch hier wohnen, bis zu du ein Apartment gefunden hat. Mein Gästezimmer ist noch frei."

"Das kann ich nicht annehmen Hermine. Ich werde schon ein schäbiges, kleines Hotelzimmer finden."

"Das ist mein ernst Harry. Ich würde mich sogar freuen, wenn du hier bleiben würdest. Wir haben uns die letzten zwei Jahre so wenig gesehen. Also könntest du mir ruhig mal wieder ein bisschen auf die Nerven fallen." Sie hoffte, dass ihre Worte nicht allzu bittend klangen. Sie würde sich wirklich freuen, wenn er bliebe, vielleicht würde sie sich dann nicht mehr so schrecklich alleine fühlen.

Harry blickte sie eine Weile nachdenklich an: "Aber nur, wenn es dir wirklich nichts ausmacht."

Hermine lachte: "Natürlich nicht! Dann geh mal dein Gepäck holen."

Wenig später war Harry gegangen, um sein Gepäck zu holen. Hermine sah ihm aus dem Fenster nach, wie er die Straße entlang lief. Es tat wirklich gut Harry wieder hier zu haben. Er jetzt fiel ihr auf, wie sehr sie ihn überhaupt vermisst hatte.

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