- 2 -

33.1K 841 147
                                    

Amara

In der Zeit, in der er tief durchatmet, ist es still im Auto. Dann ergreift er wieder das Wort.
"Wie bitte?" 

Es sind zwei kleine Worte, die er von sich gibt, doch sie klingen dadurch nicht weniger bedrohlich.
Im Gegenteil.
Diese kleinen Worte, die eigentlich niemandem Angst einjagen, jagen mir einen Schauer über den Körper, den ich so noch nie gespürt habe.

Leise, aber dennoch bedrohlich spricht er sie aus. Er presst sie durch seine weißen, geraden Zähne und sieht mich danach unglaubwürdig an. 

"Sie hätten sofort kommen müssen, dann hätte ich es Ihnen gegeben!", schiebe ich dem Unbekannten die Schuld in die Schuhe, während noch immer einzelne Tränen über mein Gesicht laufen. Erschöpft lehne ich meinen Kopf an das Seitenfenster und schließe meine Augen, während ich an den Abend denke, an dem ich den kleinen Zettel in der Blutlache gefunden habe.

Rückblick

Ich komme gerade von Alejandro's Party, als ich zwei Männer auf der Straße sehe. Der eine hat eine Waffe gezogen und hält sie auf einen Dritten, der am Boden kniet. Einfach so, als wäre nichts dabei. Ich verstecke mich hinter einer Ecke und warte bis die drei endlich verschwinden. Dann ertönt ein Schuss. Ich zucke zusammen, traue mich nicht hinzusehen.

"Ruf Patricio an, er soll den Kerl hier bei Seite schaffen.", ertönt eine raue Stimme, die mich erschaudern lässt. Hab ich gerade einen Mord gesehen? Mir stehen Schweißperlen auf der Stirn.

Das kann nicht sein. Das darf nicht sein, Amara.

Ich höre, wie eine Autotür zugeknallt wird, dann wird das Auto angemacht. Es ist ein schwarzer,  neuer Land Rover. Die Scheiben sind getönt, ich kann lediglich durch die Frontscheibe einen jungen Mann erkennen. Er tippt auf seinem Handy rum, dann hebt er plötzlich sein Gesicht und schaut mich direkt an.

Scheiße, Scheiße verdammt.

Ich presse meinen Körper noch dichter an die Steinwand hinter mir. Dann rauscht der Wagen an mir vorbei.

Hat er mich doch nicht gesehen?

Ich blicke um die Ecke doch sehe keinen mehr. Nach kurzer Wartezeit, komme ich hinter der Wand hervor und gehe zu der Stelle, wo der Tote noch vor ein paar Minuten lag. Ein großer Blutfleck verziert nun den Bürgersteig.

Als ich genauer hinschaue, erkenne ich einen in Blut getränkten Zettel. Vorsichtig bücke ich mich und hebe ihn auf.  Es ist ein von Hand gezeichneter Bauplan.

Ich stecke den Zettel ein und renne nach Hause.


Gegenwart

"Ich wusste doch nicht-"

"Halt einfach deine Klappe, wenn ich dich nicht darum bitte etwas zu sagen!", unterbricht mich der muskulöse Kerl zischend.
Mittlerweile hat er sich vorgebeugt und stützt sich mit den Unterarmen aufs Lenkrad. Seinen Kopf vergräbt er dazwischen, während er anscheinend nachdenkt. 

Kurz kommt es mir so vor, als sei er unfassbar erschöpft. 

Während ich versuche meinen Atem zu kontrollieren, bleibt es leise im Auto. Er scheint so in seinen Gedanken vertieft zu sein, dass sich Hoffnung in mir ausbreitet. Ohne nachzudenken und mit dem starken Bedürfnis mich aus seiner Kontrolle zu befreien, greife ich nach der Waffe, die er zwischen seine Beine gelegt hat, und reiße die Autotür auf, um ihm fluchtartig zu entkommen. Durch die Wucht, mit der ich die Tür öffne, falle ich fast aus dem hohen Auto und stolpere anschließend einige Meter über den staubigen Straßenrand.

AmaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt