Kapitel 3

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Mit etwas zu viel Schwung knallte sie die Autotür zu und machte sich auch den Weg. Es war noch ein Stück zu Fuß, den direkt vor Natalies Haus konnte sie nicht parken, die Straßen hier waren schmal und zu dieser Jahreszeit oft glatt. Schon seit langem hatte eine kleine Taschenlampe ihren Platz an ihrem Schlüsselbund gefunden. Die Beleuchtung auf der Straße kam teilweise nur von den Häusern aber nicht alle hatten eine automatische Schaltung. 

Wie schon oft in den letzten Jahren, stolperte sie wieder den steilen Hang hinunter, insgeheim froh darüber in einer modernen Wohnung zu wohnen. Sie musste an die ganze Arbeit denken, die sie mit dem Haus hatten. Jetzt wo Natalie einen Freund hatte, war es zwar leichter geworden aber sie wünschte sich oft, das sie endlich einen Gärtner einstellte. Es war sinnlos darauf zu bestehen, wie immer wollte Natalie keine Hilfe von Fremden. 

Vor dem Haus angekommen sah sie sich um, wie erwartet gab es noch viel zu tun vor dem Winter. Sarah ignorierte die Unordnung und ging die drei Steintreppen, die von Unkraut übersät waren, hinauf und klopfte an die Tür. Die Eingangstür war eines der wirklich schönen Dinge, die das Haus vorweisen konnte. Natalies Oma hatte sie aus dem Haus ihrer Eltern gerettet als dieses abgerissen wurde. Die Tür hatte einen Buntglaseinsatz, der, wenn die Sonne darauf fiel, ein wunderschönes Lichtspiel in den Flur zauberte. Nach mehrmaligem klopfen ging sie einmal durch den Garten bis zur Terrassentür, die in die Küche führte. Auf Zehenspitzen stehend sah sie durch das kleine Fenster, der besprochene Kuchen stand fertig auf der Anrichte. Er sah wirklich lecker aus, seit Wochen freute sie sich auf diesen Abend und Natalie ging es scheinbar genauso, man konnte sehen wie viel Mühe sie sich gegeben hatte. Sie rief laut nach ihrer Freundin, bekam aber keine Antwort. 

Wahrscheinlich war sie im oberen Stockwerk, schon oft hatte sie ihr geraten die Klingel reparieren zu lassen, doch es war, als ob man mit einer Wand sprechen würde. Sarah beschloss den Ersatzschlüssel zu verwenden, den ihr Natalie gegeben hatte, als sie sich zum zweiten Mal in einer Woche ausgesperrt hatte. Doch der Schlüssel wollte einfach nicht passen, egal wie sehr sie es versuchte er ging nicht ins Schloss. 

Auch bei der Eingangstür weigerte er sich, ratlos setzte sie sich auf die Treppen. Sie versuchte es am Handy, aber es ging sofort zur Mailbox also steckte sie es wieder weg. Blut tropfte auf ihre Hose, genervt suchte sie nach einem Taschentuch und steckte es sich in die Nase. Das war heute schon das zweite Mal, ihr war klar, dass sie zu wenig schlief, aber sie brauchte die Beförderung. Bald würde sie eine Menge Geld ausgeben und sie wollte keinen Kredit beantragen. Diesmal wollte sie alles alleine schaffen, aus eigener Kraft, sie wollte es richtig machen. Heute würde sie es ihr erzählen, länger hätte sie es auch nicht für sich behalten können. Ein Klicken riss sie aus ihren Gedanken, sie drehte sich um und sah das, das untere Fenster offen war. Langsam stand sie auf und ging darauf zu, dabei nahm sie das Taschentuch aus der Nase und ließ es auf den Boden fallen.

 „Natalie, das ist nicht lustig", sagte sie laut, wer sonst hätte es öffnen können? Das Fenster ging normalerweise leicht hochzuschieben, doch nicht heute, sie musste mit aller Kraft drücken.

 „Komm schon, das ist nicht lustig." 

Stille war alles, was sie als Antwort bekam. 

„Na gut, ich krabble über das Fenster in dein Haus, wenn dich das Glücklich macht. Happy Halloween, hoffentlich sieht mich keiner deiner Nachbarn." 

Es war leichter gesagt als getan, was scheinbar das Motto der ganzen Woche war. Mit einem lauten Knall landete sie in dem dunklen Wohnzimmer, nichts rührte sich. 

„Natalie?" 

Langsam wurde es ihr zu blöd, sie hatte ein lautes "Buh" erwartet aber es sah so aus als ob keiner daheim wäre. Der Lichtschalter war gleich neben ihr und sie war erleichtert nicht mehr im Dunkeln stehen zu müssen. In der Küche flackerte eine entzündete Kerze die süß roch, gleich daneben lag Natalies Handy. Es ließ sich nicht aufdrehen, da konnte sie lange anrufen. Was war hier nur los, fragte sie sich und machte sich auf den Weg ins Obergeschoss. Oben zeichnete sich dieselbe Situation ab wie unten, es war dunkel und ihre Freundin war nicht aufzufinden. Vielleicht war sie noch einkaufen gefahren, am Parkplatz hatte sie nicht darauf geachtet, ob ihr Auto dort stand. Ihr Gedankengang wurde unterbrochen als sie am Ende der Treppe ankam, die Badezimmertür stand einen Spalt offen, aus dem das Licht strömte. Kurz bevor sie die Tür erreichte gingen plötzlich alle Lichter aus, das hatte ihr noch gefehlt! 

Stromausfall!

Dankbar für ihre Taschenlampe drehte sie diese auf und ging weiter. Natürlich rechnete sie nicht damit das Natalie im Badezimmer war aber ihr gingen die Ideen aus, gleich danach würde sie nach dem Autoschlüssel sehen. Vorsichtig, mit einen ungutem Gefühl, drückte sie die Tür auf und richtete den Lichtstrahl ins Innere. 

„Nat...huh." 

Ein Ruck des Entsetzens durchfuhr sie als sie die Badewanne sah. 

„Natalie...NATALIE...Nein!" 

Das Bild vor ihr war grausam, ihre Freundin lag blutverschmiert in der leeren Badewanne. Über die Wanne gebeugt versuchte sie festzustellen, ob Natalie noch einen Pulsschlag hatte, konnte aber keinen finden, sie sammelte die Taschenlampe vom Boden auf. Tränen stiegen ihr in die Augen und sie musste ein Schluchzen unterdrücken. Noch einmal griff sie an den kalten Hals, ihre Finger zitterten und sie konnte einfach keinen Puls finden. Das durfte nicht passieren, am Boden kniend wischte sie sich die Hand an ihrer Hose ab, um den Notruf zu wählen. Doch zu ihrem Entsetzen ließ sich ihr Handy nicht bedienen, so sehr sie auch drückte es reagierte nicht. Ein frustrierter Schrei entwich ihr. 

Warum funktionierte es nicht?

Nicht alleine!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt