Und hier liege ich dann mal wieder. Genau wie die letzten Wochen habe ich mich den ganzen Tag kaum aus dem Bett bewegt, nur um etwas zu Essen zu holen. Und selbst das tue ich immer weniger häufig. Ich fühle mich einfach nicht in der Lage irgendetwas zu tun. Es fühlt sich an als hätte er mein Herz mitgenommen, damals als er gegangen ist. Damals, wie lange sich das einfach schon anfühlt, dabei sind es doch erst drei Wochen. Drei Wochen voller Spaß und Freude. Drei Wochen, die sich so kurz anfühlen können und drei Wochen, die sich so unfassbar lang anfühlen können. Dabei war Zeit doch eigentlich immer gleich, oder? Manchmal frage ich mich was passiert wäre, wenn ich nicht ja gesagt hätte. Wenn wir für immer einfach nur Freunde geblieben wären. Internetfreunde. Die mehr oder weniger einzigen Freunde, die ich noch habe. Reallife Freunde hatte ich schon lange keinen richtigen mehr, zu wenig war ich in letzter Zeit, in den letzten Jahren, draußen gewesen. Im Reallife. Im tatsächlichen, realen Leben. Reales Leben. In diesen drei Wochen hatten wir so viel gehabt, so viel Reales, so viel Unersetzliches. Vielleicht war es auch genau das, was uns letztendlich zu Fall gebracht hat. Je mehr ich darüber nachdenke, und das mache ich eigentlich die ganze Zeit, umso mehr habe ich auch das Gefühl, es wäre meine Schuld. Als hätte ich einfach vorher anders mit ihm umgehen sollen. Gibt es dazu nicht auch eine Geschichte? Irgendeine Geschichte über einen Jungen, dem irgendwann auch einfach nicht mehr geglaubt wurde? Genauso hat er mir auch einfach nicht mehr geglaubt. Wenn ich damit nicht angefangen hätte, mit diesem ganzen Drama, vielleicht wäre es dann nie soweit gekommen. Vielleicht... Ach was interessiert mich vielleicht? Ich bin hier. Ich bin jetzt. Und es tut einfach nur weh. Manchmal komme ich mir auch so überdramatisch vor. Einfach als würde ich alles viel zu sehr dramatisieren. Wenn ich an die anderen denke, jeder oder fast jeder von ihnen hatte doch schon einmal sowas erlebt oder? Ich bin doch nicht der Einzige, ich kann doch nicht der Einzige sein. Und irgendwie schaffen sie es alle. Nur ich nicht. Vielleicht hat er auch recht. Vielleicht bin ich wirklich unterentwickelt, vielleicht bin ich wirklich nicht meinem Alter entsprechend, nicht reif genug. Nicht reif genug für ihn. Aber es ist doch unfair, mir das vorzuwerfen! Ich meine, ich kann doch nichts dafür.
In den letzten Wochen habe ich immer wieder darüber nachgedacht, wie es wäre wenn ich es einfach beenden würde, dieses ewige Leiden. Aber dann kam er immer wieder zurück. Immer wieder kam er aufs Neue in mein Leben. Dabei wollte ich ihn doch eigentlich nicht mehr reinlassen. Es war doch er, er hat mir doch weh getan und hat es dann nicht eingesehen. Jetzt ist es zu spät, ich kann ihn unmöglich wieder zurück in mein Leben lassen, das schaffe ich nicht. Dafür bin ich wohl einfach nicht stark genug. Nicht stark genug um das alles noch einmal auszuhalten. Alleine schon die Eventualität, dass es noch mal genauso passieren könnte, in Kauf zu nehmen. Ich fühle mich dafür einfach nicht stark genug und vielleicht bin ich das auch nicht. Nicht bereit. Schwach. Aber vielleicht ist das alles auch einfach nicht meine Schuld.
Mittlerweile hat es glaube ich jeder bemerkt. Jeder hat bemerkt, dass es mir scheiße geht und dass es ihm scheiße geht. Die meisten haben wahrscheinlich auch irgendwie gerafft, dass es zusammenhängen muss, er und ich. Aber bis jetzt hat mich noch niemand darauf angesprochen, nicht einmal meine engsten Freunde. Nicht einmal diejenigen, die mich wirklich kennen. Niemand. Nicht einmal derjenige, der Schuld daran ist, dass wir uns jemals getroffen haben. Dabei kann ich mich noch genau daran erinnern, wie enthusiastisch er damals war. Wie enthusiastisch er mir von seinem Plan erzählt hat. Und ich habe zugestimmt. Das alles war wohl einfach falsch.
Vielleicht sollte es auch einfach nicht funktionieren und egal was ich gemacht hätte, es wäre irgendwie nie das Richtige gewesen. Aber so ist es nun mal.
Mit einem Seufzen sehe ich auf mein Handy. 150 Nachrichten, alle von ihm. In den letzten drei Wochen 150 Nachrichten. Alle ungelesen. Ich habe es nie übers Herz gebracht, ihn zu blockieren. Irgendwie will ich mir das offenhalten, auch wenn das richtig dumm klingt und wahrscheinlich auch dumm ist. Ich habe es nie geschafft diese Tür endgültig zu schließen und mit all dem abzuschließen. Wenn ich das geschafft hätte, dann würde ich jetzt nicht hier sitzen, sondern wäre an meinem Schreibtisch. Würde streamen oder ein Video aufnehmen, vielleicht sogar schneiden. Ich schiele rüber zu dem Regal neben meinem Schreibtisch. Seit gut einer Woche hat meine Mutter die neuen Hefter dort hingelegt. Wenn ich die alle machen würde und dann die Prüfung bestehen würde, hätte ich Realschule. Würde. Mathe und Englisch und was da noch alles liegt, ich will einfach nicht, ich kann nicht. Das ist alles nicht mehr meins, obwohl ich es doch versucht habe. Ich schaffe es nicht. Ich will das nicht mehr. Streamen, Videos machen, in der ersten Zeit hatte ich das doch noch irgendwie hinbekommen, aber mittlerweile hat mich einfach die Kraft verlassen. Jeden Tag etwas vorzuspielen. Die müssen das doch auch gehört haben, die müssen doch auch gemerkt haben, dass es mir nicht mehr gut geht. Wir keinen Kontakt mehr haben. Andererseits hat er auch schon lange nichts mehr gemacht. Schon lange nicht mehr gestreamt oder ein Video hochgeladen. Ein paar Tweets habe ich noch gelesen, in denen er irgendwie immer so ein bisschen glücklicher als ich gewirkt hat. Glücklicher mit der Situation und als ob er besser klarkommen würde. Das klingt jetzt wahnsinnig gemein, aber irgendwie hätte ich ihm gewünscht, dass er das nicht schafft. Dass er, wenn er schon mein Leben zerstört, seins mit zerstört. Das klingt so wahnsinnig egoistisch und vielleicht bin ich auch einfach wahnsinnig egoistisch geworden.
DU LIEST GERADE
Tonight
FanfictionWenn alles zusammenbricht, was bleibt dann noch? Eigentlich gibt es nichts mehr, woran ich mich festhalten könnte und trotzdem klammere ich mich daran. Der Moment lässt mich ein bisschen mehr alles schlechte vergessen. Ein bisschen besser als okay. ...