"Wow, es ist richtig nice hier, also so richtig nice, so richtig schön hier." Begeistert schaute Wichtiger sich um.
"Mhm, ich war so lange nicht mehr hier, ich habe schon fast vergessen wie's hier aussieht", sagte ich. Wir standen auf einer kleinen Lichtung, irgendwo im Wald. Die Lichtung lag unweit eines Weges, aber man konnte sie von außen nicht einsehen. Als Kind war ich hier oft gewesen, mit Freunden oder auch einfach alleine, aber mittlerweile war ich kaum noch überhaupt draußen. Abgesehen von der letzten Woche. Eine Woche war das schon her, seit wir uns das erste mal gesehen hatten. Das war so krass, ich konnte es immer noch nicht fassen. Ich saß einfach ich mit Wichtiger auf einer Lichtung mitten im Nirgendwo in Luxemburg. Das hätte ich mir nie erträumt. Ich schaute rüber zu ihm. Er sah sich immer noch auf der Lichtung um und ich glaube, er konnte es immer noch nicht fassen. Seine Augen leuchteten und irgendwie sah er kindlich aus. Ich glaube, so glücklich hatte ich ihn die ganze letzte Woche noch nicht gesehen. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen setzte ich mich auf einen umgefallenen Baumstamm, der hier herumlag. Als ich das letzte mal hier gewesen war, war der da noch nicht gewesen, da musste man sich noch ins Gras setzen. Als er sich sattgesehen hatte, setzte Wichtiger sich neben mich."Also das ist wirklich insane Hugo, wie hast du das gefunden?", fragte er mich.
"Tja, du weißt, als Kind, da war ich noch viel draußen und so. Da findet man so Orte halt einfach." Irgendwie machte es mich stolz, dass ich ihn so überraschen konnte.
"Ey, ich komm immer noch nicht darauf klar, wie es hier aussieht. Ich wünschte, ich hätte sowas zu Hause auch." Auch wenn er jetzt saß, sah er sich immer noch begeistert um.
"Bleib doch einfach hier, dann hast du das immer."Er lachte. "Du weißt genau so gut wie ich, dass das nicht geht. Leider." Das letzte Wort hatte er fast geflüstert, aber ich hatte es trotzdem gehört. Was meinte er damit? Würde er tatsächlich lieber hier bleiben wollen? Mein Herz machte einen kleinen Sprung. Auch wenn ich genau wusste, dass das nicht gehen würde, freute es mich, dass er die Zeit mit mir anscheinend so genoss. Ich genoss sie auch, das war mit die schönste Zeit dieses Jahr. Ich sah ihn wieder an. Nicht zum ersten mal fiel mir auf, wie gut er aussah. Aber jetzt wirkte er nochmal hübscher. Seine Gesichtszüge waren völlig entspannt.
"Kann's sein, dass die Schönheit von Orten Menschen noch schöner macht? Also, dass die Menschen dann so glücklicher sind und so und dann, weil, also, du und hier und ..." Eigentlich wollte ich das nicht laut sagen, aber jetzt war es zu spät. Er lenkte seinen Blick weg von der unfassbaren Natur und sah mich an. Verlegen schaute ich auf meine Füße. Das war eigentlich nicht geplant gewesen. Aber irgendwie scheinte es ihm nichts auszumachen. Noch während ich darauf wartete, dass er einen dummen Kommentar dazu abgab, spürte ich, wie er seine Hand auf meine legte und dann sagte:
"Ich glaube schon."Promt schaute ich wieder hoch in seine Augen. Was hatte das denn jetzt zu bedeuten? Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Was er danach noch gesagt hatte, weiß ich nicht mehr, aber im nächsten Moment lagen seine Lippen auf meinen. Im ersten Moment wusste ich nicht, wie ich reagieren sollte. Klar, ich hatte zwar vorher schon mal jemanden geküsst, aber das war kein Vergleich zu dem, was ich in diesem Moment gespürt hatte. Das damals war unbedeutend gewesen und außerdem war es auch schon eine Weile her. Als ich es geschafft hatte wieder einigermaßen mit der Situation klar zu kommen, erwiderte ich den Kuss. Ich spürte ein Kribbeln in meinem Bauch. Vielleicht waren das die Schmetterlinge, von denen alle immer reden, auch wenn ich den Vergleich noch nie besonders gut fand. Nach einer Weile, die sich angefühlt hatte, wie eine Ewigkeit und gleichzeitig unfassbar kurz, löste er sich wieder von mir. Immer noch fragte ich mich, was das eigentlich jetzt werden sollte, was das sollte und warum er das gemacht hatte. Eigentlich dachte ich, wir wären nur Freunde gewesen, aber Freunde küssten sich doch nicht, oder? Nicht das ich was dagegen gehabt hätte, das zu wiederholen, aber es war schon seltsam. War man denn automatisch zusammen, wenn man sich geküsst hatte. Nein, oder?
Er nahm seine Hand von meiner und im ersten Moment rechnete ich damit, dass er mich jetzt von sich stoßen würde. Mir sagt das mit dem Kuss wäre nicht ernst gemeint gewesen, nur ein Scherz gewesen, warum ich denn überhaupt mitgemacht hätte und all sowas. Aber stattdessen rückte er näher an mich ran und legte seinen Arm um meine Schulter. Wieder hatte ich nicht wirklich Ahnung, was ich machen sollte, wie ich reagieren sollte, aber dann kam mir das alles ganz leicht vor. So als hätte ich das vorher schon mal gemacht. Ich legte meinen Arm um seinen Taille und zog ihn noch ein Stück näher zu mir. Die Sonne schien durch die Blätter. Die letzten Sonnenstrahlen ließen alles etwas mehr Orange erscheinen, so auch seine Haare. Auch wenn sie eigentlich braun waren, bekamen sie jetzt einen rötlichen Goldstich. Das sah unfassbar aus. Der ganz Moment war unfassbar. Wichtiger schloss seine Augen und genoss die letzte Sonnenstrahlen. Ich glaube, ich habe das noch nie vorher gedacht, oder vielleicht habe ich den Gedanken auch einfach noch nie vorher zugelassen, aber ich habe mich wohl in ihn verliebt.
"Wow", sagte ich nur. Er lachte leicht.
"Wow, einfach nur wow? Sonst nichts?", fragte er.
"Mehr brauch ich nicht", antwortete ich und kam mir dabei fast schon poetisch vor. Daraufhin sagte er erstmal nichts. Vielleicht weil er selbst auch nicht mehr brauchte.Ich versuchte immer noch zu realisieren, was gerade passiert war, als ich merkte, wie es langsam dunkler wurde. Klar, wenn die Sonne gerade untergegangen war, wurde es dunkel. Ich zog mein Handy aus der Hosentasche, um kurz zu checken, wie viel Uhr es war. 21:03 Uhr.
"Du?", fragte ich leise um ihn nicht zu sehr zu erschrecken. Er hatte seine Augen noch immer geschlossen und seine Kopf lag auf meiner Schulter. Auch wenn der Moment gerade richtig angenehm war und ich gerne noch länger hier geblieben wäre, mussten wir wieder nach Hause.
"Mhm", antwortete er, allerdings ohne seine Auge zu öffnen.
"Ich glaub, wir sollten langsam nach Hause, Arfore kommt dich gleich abholen." Er öffnete seine Augen, machte aber keine Anstalten aufzustehen. Noch einmal sagte ich:
"Wir müssen wirklich los.", aber er bewegte sich immer noch nicht. Schließlich fing ich an ihn zu kitzeln. Prompt fing er an zu lachen. Lachend keuchte er:
"Hugo, bitte hör auf." Ich hielt inne, ließ meine Hände allerdings an seinen Seiten liegen.
"Kommst du dann mit?", fragte ich neckisch. Er verdrehte kurz seine Augen.
"Ja. Drängel mich doch nicht so." Dann stand er auf. Ich stand ebenfalls auf und fast schon wie selbstverständlich griffen wir beide nach der Hand des anderen und verschränkten diese. Dann gingen wir los, verließen die Lichtung und bogen wieder auf den Feldweg ein, von dem wir vorhin gekommen waren. Erst hatte ich Angst die Stille zu unterbrechen, aber dann sprach ich einfach aus, was ich gerade dachte."Ich wünschte, ich könnte immer bei dir bleiben." Das sagte ich ganz ernst, weil mir das auch wirklich ernst war. Das gerade war ein Gefühl, was ich noch nie zuvor gehabt hatte und ich wünschte mir einfach nur, beziehungsweise ich hoffte einfach nur, dass ich dieses Gefühl in Zukunft öfter haben konnte. Erstmal antwortete er nichts und als ich schon fast nicht mehr mit einer Antwort rechnete, sagte er:
"Ich muss mal mit meinen Eltern reden. Eigentlich soll ich am Sonntag wieder zurückfahren, aber weiß nicht. Ich würde auch ganz gerne hier bleiben. Und übernächste Woche wollten sie sowieso in Urlaub fahren und ich hab sie überredet, dass ich zu Hause bleiben kann. Weiß nicht, vielleicht kann ich dann ja auch hier bleiben, wenn Arfore zustimmt." Das brachte mich zum lächeln. Ich blieb stehen und zog ihn in eine feste Umarmung.
"Danke", sagte ich. "Danke, dass du das für mich tust." Wir lösten uns wieder und er sagte:
"Ich mach das ja nicht nur für dich, ich mach das ja auch für mich. Wenn du ein kompletter Idiot wärst, würde ich nicht noch freiwillig hier bleiben wollen. Ich mag dich, Hugo." Das brachte mich zum lächeln. Er klang so ehrlich. Auch wenn es kein 'Ich liebe dich' war, fand ich es so schön, das aus seinem Mund hören zu dürfen. Und natürlich machte er das auch für sich, aber eben auch für mich. Und damit war er fast der erste.

DU LIEST GERADE
Tonight
FanfictionWenn alles zusammenbricht, was bleibt dann noch? Eigentlich gibt es nichts mehr, woran ich mich festhalten könnte und trotzdem klammere ich mich daran. Der Moment lässt mich ein bisschen mehr alles schlechte vergessen. Ein bisschen besser als okay. ...