Ein Schritt in die Welt

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Innerlich schalt ich mich nun, warum ich planlos losging. Ich wollte weg, ja, aber wohin ? Ziellos wegfahren war irgendwie im Nachhinein nicht so schlau und ich beschloss erstmal zum Hauptbahnhof zu fahren Ich beschloss, dort zu überlegen, was ich machen sollte.

Ich wollte schon immer in ein warmes Land. Bisher war ich nur auf Korsika und in Portugal gewesen. Portugal wäre doch schön. Ne, da war ich ja schon, ich wollte ja die Welt sehen. Eine Freundin von mir geisterte zur Zeit im asiatischen Teil herum, vielleicht sollte ich auch dahin reisen? Ich hatte schon viel erzählt bekommen. Eine Mitschülerin hatte für 3 Monate einen Austausch nach Indien gemacht. Ich hatte an ihren Lippen gehangen, als sie von Indien erzählte.

Die nächste Bahnhaltestelle hieß Hauptbahnhof. Ich schnappte meinen Rucksack und die Gitarre und stieg aus. Die Bahnhaltestelle war wie leergefegt. Nur auf einer Bank lag ein betrunkener Mann.

Moment, der Bahnhof war leer ?

Sofort lief ich zum Haupteingang, wo eine große Uhr hing. Es war 23:34 Uhr. Shit, jetzt konnte ich es vergessen eine Fahrkarte zu kaufen. Wobei... In meinem Kopf formte sich ein Plan. Ich werde mein Geld nicht für Fahrkarten ausgeben, sondern einfach Schwarz fahren. Ich freute mich diebisch, endlich mal die Regeln brechen und dem System eins auswischen. Natürlich durfte ich mich nicht erwischen lassen, denn ich wollte ja keine Strafe zahlen müssen. Dann würden meine Eltern benachrichtigt werden und dann wäre ich aufgeflogen.

Ich lief weiter zum Nebeneingang, der zu einer Gleisunterführung führte. Dort war Niemand. Man hört ja oft, das man sich als junges Mädchen nicht in Unterführungen aufhalten sollte. Ein bischen Bammel hatte ich ja schon. Jetzt sei kein Schisser, wird schon nichts passieren. redete ich mir gut zu. Wir sind hier im realen Leben und nicht in einem dieser Bücher..

Als ich am nächsten Fahrplan vorbeikam, schaute ich, wo die nächste Regionalbahn Richtung Osten fuhr. Ich entdeckte eine, sie fuhr in 2 Minuten. Schnell rannte ich auf das 4. Gleis wo sie abfahren sollte. Da stand sie auch. Schnell hechtete ich zur nächsten Tür und drückte den Knopf und die Türe öffnete sich noch. Glück gehabt.

Der Zug war leer, was sollte man um 23.30 Uhr auch erwarten. Die meisten Menschen schliefen oder waren auf Partys. Natürlich war der Zug dann leer. Als ich mit meinem Rucksack in den Gang trat, sah ich einen Jungen in einem Vierer. Ich schmiss mich in den Vierer daneben und öffnete den Beckengurt, um mich von meinem Spurt zum Zug zu erholen. Meine Ausdauer ließ echt zu Wünschen übrig, ich sollte echt mehr Sport machen. Aber das würde ich durch meine Weltreise ja eh tun. Mein Blick schweifte rüber zu dem Jungen. Er hatte sich mit seinem Ellenbogen am Fenster angelehnt und schaute zu mir rüber. Ohne es zu wollen checkte ich ihn ab. Er sah schon gut aus in seiner Jeans und dem blauen T-Shirt. Ich fragte mich, ob es im T-Shirt nicht ein bischen kalt wäre, so im Frühling. Als ich bei seinem Gesicht angekommen war, sah ich, dass er mich belustigt anschaute.

"Gefällt dir, was du siehst ?" Ich verdreht nur meine Augen. Klar, er hatte ein markantes Gesicht und ein gut proportionierten Körper. Aber sein dummer Spruch zerstörte es jetzt einfach. Der Zug fuhr los als ich gerade genervt seufzte. Neben mir hörte ich die Gitarre mit einem dumpfen Klong umfallen. Der Typ fing an zu lachen. Was war denn jetzt daran so lustig, dass meine Gitarre umfiel? Ich runzelte verwirrt meine Stirn. Na ja, war mir egal. Ich setzte mich wieder hin.

Die Zugfahrt zog sich über Stunden hin und ich ignorierte den Jungen einfach. Aber das hielt ihm nicht vom Starren ab. Als wir endlich in Nürnberg ankamen, setzte ich mir sofort meinen Rucksack auf und schnappte die Gitarre und verließ zügig den Bahnhof. Die Zugfahrt hatte mich doch ziemlich erschöpft und ich wollte mir einen Schlafplatz suchen.

Etwas desorientiert und ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen, lief ich einfach die Hauptstraße runter und schaute nach einem guten Platz. Aber es war einfach zu städtig, wie sollte ich da was finden ? Ich war leicht verzweifelt und wollte nur noch schlafen. Wo sollte ich denn jetzt schlafen ? Ich hatte keine Lust von irgendwelchen Betrunkenen vergewaltigt zu werden oder von meinem Platz weg geschickt zu werden. Was hatte ich mir eigentlich dabei gedacht, einfach abzuhauen. Es war gar nicht so leicht wie ich mir das vorgestellt hatte. Ich hatte kein Zuhause mehr, wie sollte ich da sicher schlafen? Ich war ganz alleine!

Melodie der FreiheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt