Trauerbewältigung

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Cara hat die letzte Nacht geschlafen wie ein Stein und wird unsanft von ihrem Wecker aus dem Schlaf gerissen.
"Verflixt gleich holt Oliver mich ab. Was war da eigentlich gestern auf dem Rückweg mit ihm los?!" Denkt sie noch als sie an ihrem Kaffee nippt.
Die Türklingel reißt sie aus ihren Gedanken, sie nimmt ihre Tasche und geht zu Oliver raus.
Im Auto angekommen fragt er vorsichtig "Guten Morgen, ausgeschlafen oder abgebrochen?"
Cara schneidet eine Grimasse, zieht die Sonnenbrille an und murmelt "guten Morgen, abgebrochen trifft es."
Während der Fahrt sagt keiner von beiden ein Wort, denn beide hängen ihren Gedanken nach.
An der Wache parkt Oliver ein und schaut Cara vorsichtig an, die hat allerdings gerade ihr Handy in der Hand und liest etwas.
Dann steigt sie aus und flucht "Mist, ich hatte gehofft der Tag wird ruhiger. Einsatz Seelsorge und ihr müsst gleich sicher auch raus."
Damit läuft Cara zu ihrem Auto, hängt das Schild Seelsorge in die Frontscheibe und fährt los.
Oliver geht in die Wache, zieht sich um und begegnet auf dem Flur Franco der ihn gleich zum NEF schleppt.
"Oliver, wir müssen Standby sein, da steht jemand auf dem Dach, droht zu springen und Cara ist schon vor Ort um den vom Dach zu holen" erklärt Franco und Oliver wird blass.

Vor Ort ist Björn unten am Haus und blickt mit den Kollegen rauf, Oliver sieht die neun Etagen hoch und bekommt Angst um Cara.
Franco hört ihre Stimme über Funk "Franco bring bitte den Rucksack mit und geht in die Vierte, Frau unter Schock."
Franco und Oliver gehen rein, kümmern sich um die Frau, dann kommt Cara mit dem Mann rein, spricht mit den Eheleuten und schafft es, an den sozialpsychatrischen Dienst zu übergeben.

Später sind Cara, Franco und Oliver auf dem Weg runter, als Oliver leise zu ihr sagt "Wahnsinn, ich dachte schon der springt. Was war da mit ihm los?"
Cara bleibt kurz stehen, schaut beide Männer an und sagt "darüber darf ich nicht sprechen. Bei der Seelsorge ist das wie bei der Beichte."
Franco steuert das NEF an und Oliver zögert kurz, sagt dann "ich fahr mit Cara zurück."
Zwei überraschte Gesichter blicken ihn an und dann zucken beide mit den Schultern.
Oliver steigt bei ihr ein und stellt fest, sie hört Metallmusik im Auto.
Während der Fahrt überlegt er wie er auf das Thema vom Vorabend zu sprechen kommen kann, aber dazu kommt er nicht mehr, denn ihr Diensthandy meldet sich.
Für sie gibt es gleich den nächsten Einsatz und sie sagt zu ihm nur "ich setzt dich ab und fahre gleich weiter."
An der Wache nutzt er die Chance, wendet sich ihr zu, zieht sie zu sich und küsst sie einfach, dann flüstert er "pass auf dich auf."
Cara sieht ihn völlig verwirrt und überrascht an und versteht die Welt nicht mehr.
"Ich muss los" nuschelt sie nur und Oliver steigt aus.

Etwas später ist Cara von ihrem Einsatz zurück, müde und angespannt zieht sie sich in den Ruheraum zurück, auch um Oliver zu entgehen.
Franco hat sie gesehen und der feinfühlige Italiener spürt, dass Cara nun nicht allein sein sollte.
Vorsichtig steckt er den Kopf durch die Tür und fragt "darf ich?"
Cara schaut auf, schafft ein müdes Lächeln und nickt.
Franco setzt sich zu ihr und fragt vorsichtig "beschissener Einsatz?"
Sie nickt nur und er sieht, dass sich ihre Augen kurz mit Tränen füllen, sie atmet tief durch und sagt leise "einer dieser Einsätze die man als Seelsorger gern vermeiden möchte, die aber unvermeidlich sind und eine Menge Kraft rauben."
Franco sieht sie an, wartet einfach und legt ihr den Arm um die Schultern.
Sie holt nochmal tief Luft und erzählt dann leise "ging zu einem Haus, Kind mit Leukämie, austherapiert und der Hospizdienst vor Ort. Die Kleine war gerade mal acht Jahre alt und dann sitzt die Mutter neben dem Sterbebett ihrer Tochter und reagiert auf gar nichts. Für die Mutter war der Hausarzt noch da, Einweisung PsychKG, die hat noch abgedreht als das Beerdigungsinstitut kam."
"Scheiße" rutscht es Franco raus.
Cara sitzt neben ihm und ihr laufen die Tränen still runter, er reicht ihr schweigend ein Taschentuch und wartet.
"Zu allem Überfluss verhält Oliver sich seit dem gestrigen Busunglück und einer deutlichen Ansage von mir auch so komisch" nuschelt Cara und spricht leise weiter "der kann ja richtig nett sein, wenn der will."
Franco grinst und sagt "ich weiß, der versucht nur seine Gefühle zu verstecken. Ihm wurde sein Herz schonmal gebrochen."
Über Caras Gesicht zieht ein kurzer Schatten und plötzlich erkennt Franco, da ist noch mehr was ihr auf der Seele brennt und dann platzt sie damit raus "na, wenn wir schon dabei sind, ich hab meinen Ex-Lebensgefährten im RTW mit meiner Kollegin erwischt, lief schon mehrere Wochen."
"Oh das ist übel" sagt Franco nur und kann Cara gut verstehen.
"Oliver ist im Grunde ein herzensguter Kerl, mit Humor und lockerflotten Sprüchen, er versucht aber aktuell sein Herz zu schützen. Ich fürchte nur, ihm ist klar geworden, dass klappt nicht" sagt er noch leise.
Cara lächelt und bekommt plötzlich eine leichte Röte auf den Wangen.
"Cara?! Hast du mir was zu sagen oder interpretiere ich das gerade richtig?" Fragt er mit einem Grinsen.
Cara schaut ihm in seine Augen und droht ihm "wehe du sagst etwas! Ich dreh dir höchstpersönlich den Hals um!"
"Ich werde schweigen wie ein Grab, aber du weißt, ich bin Italiener und ich werd wohl nicht drum herum kommen euch zu verkuppeln" sagt er mit einem breiten Grinsen.
Cara sieht ihn an und bittet nur leise "das machst du bitte nicht. Das muss sich entweder von allein ergeben oder eben nicht."
"Schade. Sollen wir wieder zu den anderen? Ist eh gleich Feierabend" sagt Franco und Cara nickt.
Im Flur legt sie ihm die Hand auf die Schulter und sagt "danke fürs Zuhören, soll ja eigentlich anders herum sein."
Er schaut sie an und sagt "Jeder Zeit wieder. Auch Seelsorger müssen mal irgendwo abladen dürfen und in dem Fall bin ich gerne für dich da."

Kurz danach verabschiedet Cara sich in den Feierabend.
Oliver stoppt Franco, als dieser in den Feierabend will und fragt "läuft da was zwischen euch?"
Franco sieht ihn ruhig an und sagt leise "nein, aber sie brauchte jemand zum Reden, der letzte Einsatz ging bei ihr an die Substanz."
"Okay, meinst du sie braucht noch mehr Trost?" Fragt Oliver und Franco grinst "Wenn du einen Grund für einen Besuch brauchst, dann ja."
Oliver fährt bei ihr vorbei, aber sie ist nicht da und so fährt er heim.

Fang mich auf wenn ich falle *abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt