Trophäenjäger

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Hunter

Als ich das Patientenzimmer des Mannes betrete, wessen Frau ich vor zwei Tagen nicht das Leben retten konnte, bildet sich ein dicker Kloß in meinem Hals. Es wird auch nicht besser, als mich Hannah verschwörerisch anblickt und mir zuzwinkert.
Avery hatte ihr wohl erzählt, was zwischen uns gelaufen war.
Doch die Taxifahrerin hatte ein wenig Recht gehabt, im Bezug auf meiner Motivation für den Abend. Während meines Studiums war ich wenig zurückhaltend bei der Eroberung von Frauen gewesen. Ich suchte mir im Bett die Bestätigung dieser und tatsächlich steckte ich mir hin und wieder Trophäen ein.

Natürlich sammelte ich diese nicht, oder behielt sie in einem Kästchen zur Erinnerung, aber es verschaffte mir eine Genugtuung wenn die Damen von letzter Nacht sich bei mir meldeten. Sie dachten es sei eine Art Spiel, wie in einen dieser Hausfrauenporno Filme, wo sie sich die Trophäen wieder holen sollten, um mehr zu bekommen.

Aber für mich war damit die Jagd Lust befriedigt. Sie ließ sie danach links liegen.
Mit dem One- Night Stand war die Beute erlegt und ich war zufrieden.
Den Braten danach wollte ich nicht. Dieser Vergleich zog sich einige Jahre lang durch mein Sexleben. Mit den Jahren, hatte ich mich etwas ausgetobt und die Vernunft und auch die Hoffnung auf eine anständige Partnerschaft wuchs. Vor allem als ich miterlebte, wie meine kleine Schwester sich ein schönes Leben aufbaute.

Wenn ich seitdem ein One Night Stand einging, dann nur unter gegenseitiger Einverständnis. Ich spielte von vornherein mit offenen Karten. Und für die allermeisten war dies vollkommen in Ordnung.

Aber gestern hatte ich einen kleinen Rückfall. Erst der sinnlose Verlust des Unfallopfers im OP, wo sich später herausstellte, dass sie im dritten Monat schwanger war, und anschließend die Gewissheit über den Selbstmord von Paul, hatten mir förmlich den Boden unter den Füßen weggerissen.

Ich würde Lügen, dass ich Avery Roth nicht von Anfang an, interessant fand, aber meine Motivation gestern war definitiv die falsche gewesen. Leider war sie zum falschen Zeitpunkt nett zu mir gewesen und ihre offensichtliche Interesse an mir, spielten mir zusätzlich in die Karten und ich nutzte es blindlings aus.

Und wenn ich jetzt in die Augen von Hannah blicke, holt mich das schlechte Gewissen ein. Denn jemand wie mich, hat Avery nicht verdient. Gestern Abend hatte ich sie definitiv ausgenutzt. Selbst der Alkoholkonsum vorab, konnte es nicht entschuldigen.
Ich hatte mir nur das geholt, was ich gerade benötigt hatte. Um bei meiner Jäger Metapher zu bleiben: Die Beute ist erlegt, mein Jagdinstikt befriedigt und das kostbare Fleisch lasse ich liegen. Immerhin wüsste ich nicht, wie ich es weiterverarbeiten soll.
Wie gerne hätte ich sie langsam besser kennengelernt.
Doch ich hatte es geschafft, mal wieder alles zu vermasseln.
Mit meinem schlechten Gewissen würde ich kein gescheites Kennenlernen mehr auf die Kette bekommen. Wenn ich nun in ihre eisblauen Augen blicken würde, würde mir nur immer wieder bewusst werden, wie kaputt ich bin. Und in ihren Augen liegt bereits schon zu viel Schmerz, da möchte ich ihr meinen nicht auch noch aufbürden.

Dr. Klein und ich kennen und schon eine ganze Weile, auch wenn wir nicht ein sonderlich gutes Verhältnis hatten. Doch wusste er ganz genau, wie ich Ticke. Schon immer war ich ein Meister daran gewesen, das Leben anderer zu vermasseln. Angefangen bei dem meiner Mutter und später auch meiner Schwester.
Also muss ich das zwischen uns vorsichtig beenden, ohne das sie einen zu großen Schaden nimmt. Und dann muss ich den Schlamassel mit Eduard noch geradebiegen. Ich muss mir dringend etwas einfallen lassen, wie ich diesen Kotzbrocken loswerden kann.

„Doktor, wie geht es meinen Kindern?", höre ich plötzlich die krächzende Stimme von dem Patienten im Bett. Heute morgen musste ich eine weitere Operation an einem seiner Lungenflügel durchführen.
Ich blicke von meinen Notizen auf.
„Herr Shaw, ihren Kindern geht es gut. Sie waren bei dem Unfall nicht dabei", sage ich leise und denke daran, wie er seinen Kindern erzählen muss, dass ihre Mutter nie wieder kommen wird.
„Sie sind bei ihrer Schwiegermutter", fügt Hannah hinzu und setzt sich auf dem Stuhl neben dem aufgewühlten Vater.
Dieser nickt mit einem vorsichtigen Lächeln auf den Lippen. Doch in seinen Augenwinkeln erkenne ich bereits einige Tränen. Die Zeit die er nun vor sich hat, wünscht man nicht seinem größten Feind.

Ein Oberarzt zum Verlieben - geheimes Verlangen-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt