52. Eine letzte Begegnung und eine langerhoffte Erklärung

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Schon bei dem Gedanken daran, in den Quinjet zu steigen, den Tony geschickt hatte, wurde mir so schlecht, dass ich mich beinahe ins Gras übergab. Viel zu klein war der Unterschied zwischen dem Laderaum des Jets und einer engen, unentrinnbaren Zelle im Raft, tief unter dem Meeresspiegel. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Obwohl ich nie Angst vor dem Meer gehabt hatte, schien es mir auf einmal viel respekteinflössender. Ein unendlicher Schlund, der mich jederzeit wieder verschlucken konnte.

Ich schloss kurz die Augen und zwang mich, tief durchzuatmen. Ich musste zu Tony. Irgendwie. Hier war ich nicht sicher, vor allem nicht, nachdem ich ihn angerufen hatte. Ich musste weg. Aber am liebsten hätte ich mich einfach ins Gras gelegt, den Himmel angestarrt und die Finger in den Boden gekrallt, um sicher zu gehen, dass ich nicht träumte, sondern tatsächlich draussen war. Am liebsten hätte ich einfach nur in die Sonne gestarrt, bis meine Augen schmerzten, nur um zu sehen, zu spüren, wie es sich anfühlte frei zu sein. Den weiten Himmel über sich zu sehen und keine beengende Metalldecke.

Am liebsten hätte ich den kühlen Wind durch meine Haare streichen lassen und endlich losgelassen. Mich ausgeruht, nach so langer Zeit, in der ich das nicht hatte können.

Aber ich musste weiter. Jetzt.

Als ich den ersten Schritt Richtung Quinjet machte, passierte es: Meine Beine sackten einfach unter mir weg, als würden meine Schuhe nicht funktionieren. Nur, dass dieses Mal niemand da war, der mich auffing. Ich stürzte, fiel auf die Knie, konnte mich gerade noch mit den Händen abfangen. Ich hätte am liebsten geschrien, als mir klar wurde, dass meine Schuhe keinen Halt auf dem Gras fanden.

Felicia zögerte eine ganze Weile, bis sie mir half, aufzustehen. "Ich dachte, du könntest wieder gehen", stellte sie fest.

"Ach ja?", schnauzte ich sie an, auch wenn mir klar war, wie ungerecht ich mich benahm. "Das geht eben nicht einfach so von heute auf morgen!"

Zu meiner Überraschung entgegnete sie nichts, sondern half mir tatsächlich, langsam auf den Quinjet zuzustraucheln. Eigentlich durfte sie das gar nicht. Schliesslich war sie eine Angestellte der CIA und hätte mich zum SafeHouse bringen sollen oder wenigstens dafür sorgen, dass ich blieb, wo ich war, um dann von jemand anderem abgeholt zu werden.

"Denkst du, ich könnte... mitkommen?", fragte sie, aus dem Blauen heraus und überraschte mich damit vollkommen.

"...Was?" Sie war grösser als ich und ich hatte Mühe, ihr ins Gesicht zu blicken, aber ich meinte trotzdem, einen überraschend melancholischen Ausdruck in ihren Augen zu erkennen.

"Du musst mich nicht ganz mitnehmen. Ich könnte irgendwo abspringen, schliesslich hat es sicher einen Fallschirm." Sie sah zu mir. "Was meinst du? Dann wärst du nicht so alleine in dem Jet. Ausserdem könnte ich einspringen, sollte der Autopilot versagen."

Ich schnaubte, versuchend, zu verstehen, um was sie mich da gerade bat. "Das hier ist ein Stark-Banner-Projekt, von SHIELD finanziert und so etwa das absturzsicherste System auf der ganzen Welt. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass der "Autopilot" versagt."

Sie hob eine Augenbraue. "Ganz schön stolz drauf, was? Wäre ich wahrscheinlich auch, wenn mein Dad das gebaut hätte, anstatt in einem verdammten Katzenkostüm Museen auszurauben."

Die Bitterkeit in ihrer Stimme liess mich innehalten. "Aber..."

"Lass mich mitkommen." Die Dringlichkeit in ihrem Tonfall erinnerte mich irgendwie an mich selbst, wie ich verzweifelt versucht hatte, Ross davon zu überzeugen, mich herauszulassen.

"...Ich..."

"Verdammt noch mal, ich habe dich doch auch herausgeholt, oder etwa nicht? Ich verlange ja nicht viel von dir! Lass mich einfach verschwinden! Ich bin es so satt, ihre Marionette zu sein, die sie herumbefehlen dürfen, wie sie wollen, nur weil mein Dad im Gefängnis sitzt und sich nicht mehr um mich kümmern kann! Was übrigens auch deine Schuld ist."

Stark Chronicles: Second ChanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt