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Der Weg in den Gerichtssaal Kawits war unvorstellbar lang. Zumindest erschien es Garlan so, während er einen Fuß vor den anderen setzte, die Ketten scheuerten an seiner ohnehin schon gereizten Haut. Er ging mit auf dem Rücken gefesselten Händen an der Seite zweier Soldaten, die ihm gänzlich unbekannt waren. Er wusste warum, er durfte selbstverständlich nicht mit dem Offizier gesehen werden, um ihn nicht zu diskreditieren. Das wäre für seine Glaubwürdigkeit vor Gericht keineswegs förderlich. Dennoch fühlte er sich nun verlassen und auf sich alleine gestellt.
Würde er sich nicht behaupten und den Richter überzeugen können, so würde er im besten Fall aus Kawit verbannt werden und im schlimmsten, der sehr viel wahrscheinlicher war, würde man ihn auf dem Marktplatz aufhängen und ein Exempel an dem kaltblütigen Mörder statuieren, zu dem er geworden war. Das war nicht das Ende, das Delila sich für ihn gewünscht hätte, das wusste er. Und er fürchtete sich davor, ihr unter die Augen zu treten und die Enttäuschung darin zu sehen. Sie war niemals rachsüchtig gewesen, sondern sanftmütig und herzlich.
Er hob den Blick vom sandigen Weg, auf die er ihn gerichtet hielt und sah sich um, ein letztes Mal womöglich. Er betrachtete die steinernen Säulen, die die Farbe Elfenbeins hatten, und betrachtete die Kunstwerke, die sich in dem Gerichtsgebäude zur Genüge finden ließen. Als Kind hatte er nur ein Mal, nur ein einziges Mal den Gedanken zugelassen, sich helfen zu lassen und für Gerechtigkeit für die Mörder seiner Schwester zu sorgen, doch man hatte ihn verscheucht wie einen streunenden Hund. Man hätte ihn beinahe gefangen nehmen lassen, weil man ihn für einen Dieb hielt. Das hatte für immer Spuren hinterlassen. Dann allerdings lächelte er leicht, er konnte es nicht unterdrücken. Er hatte für Gerechtigkeit gesorgt – allerdings auf etwas andere Art.
Schließlich bogen sie in einen Flur, der voller Menschen war, die ihn anstarrten. Manche feindselig, manche wiederum neugierig und andere völlig verängstigt. Er wusste nicht, welche Blicke ihm am meisten zusetzten, also ignorierte er sein Publikum und ging, trotz allem, mit gehobenem Kopf durch die Menge und versuchte mit aller Macht, positiv zu denken. Der Offizier stand auf seiner Seite und er war einer der mächtigsten Männer in Kawit.
Das Klirren der Ketten übertönte beinahe den vorherrschenden Trubel, dem er zu entfliehen hoffte, sobald er den Gerichtssaal betrat und von grellen Lichtern geblendet wurde. Jemand hatte unzählige Fackeln an den purpurnen Wänden angebracht, die im Luftzug gefährlich flackerten. Er sah sich um und erkannte den Offizier, der in der vordersten Bank saß und daneben... Er sog scharf die Luft ein. Neben seinem Mentor saß sein erster Mentor, der alte Mann, der ihn aufgenommen hatte, als niemand ihn wollte und der ihm etwas gegeben hatte, das er mit seinem Leben anfangen konnte. Und er sah recht nüchtern aus.
Garlans Kehle wurde eng bei dem Anblick, doch er blieb weiterhin gerade und nickte ihm zu, als er ihn passierte. Er hatte befürchtet in den Augen des Schmieds Missfallen oder Enttäuschung zu sehen, doch das, was er stattdessen sah, überraschte ihn mehr als es ihn verwirrte. Er sah eiserne Determination und Respekt. Wofür auch immer er diesen verdient hatte. Seine Kehle wurde nur noch enger, als er seinen Blick weiterwandern ließ und er all die Bekannten des Offiziers erblickte, die in den Reihen verteilt waren und ihm tapfer zulächelten.
Siyan nickte ihm zu, als er sie passierte und vor dem Pult des Richters positioniert wurde. Er spürte sämtliche Blicke in seinem Rücken und hatte das beklemmende Gefühl, im nächsten Moment umzukippen. Er bemühte sich um einen geraden und festen Stand. Man nahm ihm die Fesseln ab, sodass er seine Hände vor sich auf dem Stehtisch ablegen konnte. Langsam kehrte Gefühl in seine Hände zurück und die kühle Luft fühlte sich an seinen wunden Handgelenken regelrecht himmlisch an.
Garlan bemerkte, dass es im Saal still wurde und erblickte im nächsten Augenblick einen Mann in einer bodenlangen Robe mit einer scharlachroten Schärpe, die sein richterliches Amt mit sich brachte. Er hatte die dunkelste Haut, die Garlan in seinem Leben gesehen hatte und einen so versteinerten Gesichtsausdruck, dass er förmlich sein Herz sinken spürte.
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The Unbroken
FantasiKurzgeschichte/Erzählung nach einem Konzept von @The_Latte_Owl.