Kapitel 1

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Es war der erste Tag nach den Winterferien.
Ein Montagmorgen.
Ich war viel zu früh, als ich das graue Gebäude betrat, in dem sich jeder Tag anfühlte wie eine Ewigkeit.
Das zweite Halbjahr der Einführungsphase hatte gerade erst begonnen, doch es fühlte sich jetzt schon so an, als wäre es eine Woche wie jede andere. Noch war kaum jemand da, doch es würde nicht mehr lange dauern, bis sich die Räume mit Schülern füllen würde. Ich schlenderte durch den Hauptgang und gelangte in die Pausenhalle, wo ich mich auf einer der breiten Fensterbänke niederließ. Meinen Rucksack ließ ich von meiner Schulter rutschen. Er war jetzt schon zu schwer und ich wollte gar nicht wissen, was in diesem Halbjahr alles auf mich zukam.
Müde lehnte ich mich an das Fenster. Meine Füße schmerzen jetzt schon. Innerlich verfluchte ich mich selbst dafür, statt meiner bequemen Sneaker meine hohen Stiefeletten angezogen zu haben. Ein Blick auf die große Uhr über dem Vertretungsplan verriet mir, dass ich noch eine halbe Stunde bis zum Unterrichtsbeginn warten musste. Mein stummgeschaltetes Handy vibrierte. Es war eine Nachricht von einem meiner Freunde, Paul, welcher schrieb, dass er heute nicht kommen würde. Ich vermutete, dass er letzte Nacht mal wieder zu viel getrunken hatte. Von den anderen beiden, Emilia und Kyle wusste ich, dass sie auf jeden Fall kommen würden. Die beiden waren Zwillinge und mit Emilia hatte ich erst gestern Abend noch telefoniert.
Da meine Blase drückte, machte ich mich auf den Weg zur Toilette. Nachdem ich fertig war trudelte erneut eine Nachricht von Paul ein. Diesmal schrieb er, dass seine Mutter ihn gezwungen hatte aufzustehen und er doch kommen würde. Ich grinste. Während ich ihm antwortete, setzte ich mich wieder in Bewegung. Ohne zu sehen, wohin ich ging, lief ich zurück in die Pausenhalle und stieß prompt mit jemandem zusammen. „Oh Gott, tut mir leid!'' Erschrocken sah ich auf und erstarrte. Vor mir stand der schönste Mann den ich je gesehen hatte. „Schon okay." Der schöne Mann lächelte und bückte sich. „Ich hab ja auch nicht gesehen, wohin ich gelaufen bin." „Entschuldigen Sie, ich helfe Ihnen." Peinlich berührt hockte ich mich neben ihn und begann damit die Blätter zusammen zu sammeln, welche bei dem Zusammenstoß aus seiner Mappe gefallen waren. Gleichzeitig richteten wir uns wieder auf. „Uhm ja, hier." Ich hielt ihm den Stapel hin und lächelte verlegen. Meine Wangen hatten in diesem Moment sicher die Farbe eines Feuerlöschers. „Danke." Als er mir die Blätter aus der Hand nahm, berührten seine Finger für einen kurzen Moment meine Haut. Ich erstarrte und bekam eine Gänsehaut. Die Stelle, die er berührt hatte, kribbelte. ,,Könntest du mir vielleicht sagen, wo das Lehrerzimmer ist? Heute ist mein erster Tag und ehrlich gesagt will ich nicht unbedingt zum Direktorat und dort nachfragen." Leicht lachend fuhr er sich durch seine braunen Haare. „N-Natürlich.", stotterte ich. „Sie müssen einfach nur gerade aus und dann in den rechten Gang. Das Lehrerzimmer ist am Ende, neben der Tür ist der Kopierraum. Das können Sie gar nicht übersehen." Innerlich ohrfeigte ich mich dafür, dass ich stotterte und dass sich meine Stimme so seltsam hoch anhörte. „Nochmals danke." Er schenkte mir erneut ein Lächeln und ging dann an mir vorbei. So dicht, dass sich unsere Schultern kurz streiften. Nach einem weiteren Moment des Erstarrens drehte ich mich zu ihm um und genau in diesem Augenblick schaute er ebenfalls über seine Schulter. Unsere Blicke trafen sich, bevor er wieder nach vorne schaute um einen weiteren Zusammenstoß mit einem Schüler zu vermeiden. Als er nicht mehr zu sehen war, lehnte ich mich ausatmend gegen die Wand. Ich wusste nicht, warum ich so reagiert hatte, aber ich wusste, dass dieser Lehrer der attraktivste Mann war, den ich jemals gesehen hatte und ich konnte nicht leugnen, dass er keine Wirkung auf mich hatte. Denn das hatte er. Ich würde sogar behaupten, dass noch nie ein Mann eine solche Wirkung auf mich ausgeübt hatte. Kurz schüttelte ich den Kopf. Ich sollte mich nicht da hineinsteigern. Er war mein Lehrer, noch dazu hatten wir nichtmal zehn Worte miteinander gesprochen. Es war verboten. Selbst wenn er dass selbe gefühlt hätte wie ich, es war gegen das Gesetz und noch dazu gegen jede moralische Vorstellung. Tief atmete ich durch und versuchte dieses Gefühl zu ignorieren. Glücklicherweise unterbrach die Schulklingel meine Gedanken und ich machte mich, nachdem ich meinen Rucksack geholt hatte, auf dem Weg zu meiner ersten Stunde.

Ich konnte es kaum erwarten, dass es endlich zur Mittagspause klingelte. Ich hatte schon Französisch, Biologie und Mathe hinter mich gebracht. Und ich hasste jedes einzelne Fach davon. Ich mochte weder die Lehrer, noch konnte ich es und dazu waren die Themen uninteressant. Noch dazu ging er mir einfach nicht aus dem Kopf. Ständig dachte ich daran, wie wir uns berührten und daran, wie intensiv sein Blick meinen gefangen gehalten hatte. Und es störte mich. Wie konnte es sein, dass jemand, den ich nicht kannte, so etwas in mir auslöste. Missmutig stützte ich meinen Kopf in meine Hände. Der Lehrer erklärte gerade irgendwas über den Absolutismus in Frankreich. Ein Thema, mit dem ich noch nie etwas anfangen konnte. Glücklicherweise klingelte es nur fünf Minuten später und ich machte mich auf den Weg zur Cafeteria. Geschichte war das einzige Fach, welches ich mit keinem meiner Freunde zusammen hatte. Ich hoffte, dass sie schon in der Cafeteria waren und unseren üblichen Tisch freigehalten hatten. Glücklicherweise war dies auch der Fall, denn ich sah Kyle und Paul wie wild winken, als ich den riesigen Raum betrat. Ich winkte so gut es mit meinem Ordner in der Hand ging zurück und begann mir einen Weg durch die Schülermasse zu bahnen. „Hey." Erschöpft ließ ich mich auf einen der unbequeme Stühle fallen. Mein ganzer Körper tat weh, ganz besonders meine Füße. „Wo ist Emilia?" „Auf der Toilette." Kyle angelte sich meinen Rucksack und begann darin herum zu wühlen. Er hatte die Angewohnheit sich ständig mein Essen zu nehmen. Dafür kaufte er mir aber jeden Tag etwas beim Kiosk. Ich sah kurz zu Paul rüber. Dieser schaute genervt aus und nebenbei auch nicht wirklich gesund. Ich wollte mich wissen, was er letzte Nacht schon wieder für Substanzen zu sich genommen hatte. „Hey Leute." Emilia tauchte neben mir auf. „Hi.", murrte Paul. Emilia lachte und ließ sich neben mich fallen. „Und, hast du schon den neuen Lehrer gesehen? Ich fass es nicht, er ist so heiß.", schwärmte sie. „Allerdings.", erwiderte ich. „Ich bin heute morgen mit ihm zusammen gestoßen. Du glaubst nicht, was passiert ist." So detailliert wie möglich erzählte ich ihr alles. Ihr Grinsen wurde immer breiter. „Dann wirst du dich freuen. Ich habe nämlich rausgefunden, was er unterrichtet. Sport und Englisch." „Okay?" Ich sah sie leicht verwirrt an. „Und?" „Rate mal, wer dein neuer Sportlehrer ist."

Verborgene Lust Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt