"I am beautiful,
no matter what they say
words can't bring me down..."
Singe ich lauthals, während ich mich für den wöchentlichen Mädelsabend fertigmache.
Nur in Unterwäsche gekleidet, stehe ich im Bad und ziehe mir gerade einen Lidstrich, nur um ihn fluchend wieder abzuwischen. "Kim!" Schreie ich, da sie den Lidstrich wesentlich besser hinbekommt als ich. "Komme ja schon!"
Kim und ich haben nicht denselben Freundeskreis sind aber gute Freunde, seit wir klein waren, deshalb wohnen wir zusammen aber sie nimmt an solchen Veranstaltungen nicht teil. Vor allem, weil sie keinen persönlichen Nutzen zieht und auch eher der Einzelgänger ist, der einen Freundeskreis bestehend aus Einzelgängern hat.
"Der Lidstrich..."
"...sowie jede Woche", sprechen Kim und ich gleichzeitig. Wortlos nimmt sie mir den Eyeliner aus der Hand und dreht die Musik leiser. "Dass du bei dem Krach überhaupt irgebdwie gut aussiehst, wundert mich" "Ich bin ein Naturtalent", plustere ich mich auf, nur um "Beim Lidstrich aber nicht, so wie in Mathe auch" schmunzelnd hinzufügen. "Du hältst nie still!" Beschwert Kim sich. "Da wundert mich wenig." "Hey!"
Empört und gespielt beleidigt schauen wir uns an, bevor wir in schallendes Gelächter ausbrechen. So wie jedes Mal!
"Fertig" verkündet Kim und dreht meinen Kopf zum Spiegel. "Wow, das sieht wieder richtig gut aus, danke!" "Ach kein Ding. Gerne wieder. 5 von 5 Sternen, nachdem du mal endlich still gehalten hast." Mit diesen Worten verlässt Kim das Badezimmer und ich drehe die Musik wieder laut, während ich damit beginne über Kopf die Haare im Nacken hoch in Richtung des Oberkopf an der Kopfhaut zu flechten.
Oben am Kopf fasse ich die Haare zusammen und flechte weiter, um sie anschließend zu einem Dutt zusammenzurollen und ihn mithilfe von Haarnadeln auf dem Kopf feststecke. So! Zufrieden mit dem obersten Drittel meines Körpers betrachte ich mich im Spiegel. Ein Hoch auf Kontaktlinsen. So sehe ich schon weniger wie ein Streber aus!
Also schlendere ich wieder in mein Zimmer, in dem mich ein bereits vor Stunden explodierter Schrank erwartet.
Ich beschließe eine Jeans-Blusen Kombi anzuziehen. Doch als ich mich im Spiegel betrachte, fällt mir auf wie kurz meine Beine wirken und wie sehr die Bluse aufträgt... enttäuscht ziehe ich die Bluse wieder aus... Ich sollte abnehmen und kneife in den kaum vorhandenen Bauchspeck. Und generell... irgendwie komme ich mir klein vor und gar nicht mehr so attraktiv wie noch vor fünf Minuten. Jetzt komme ich mir vor wie ein Kind, das Ausgehen spielt. Als wäre ich wieder vierzehn und spiele mit dem Schrank meiner Mutter ebenso wie mit ihren Schminksachen. Unzufrieden ziehe ich eine Schnute. Alles doof! Plötzlich ertönt ein grelles Piepen - mein Handy! Hastig eile ich ins Bad, wo ich zuletzt Musik gehört hatte.
Es ist mein Freund, der gerade eine Nachricht auf einem Messenger gesendet hat: "Hey, Schatz! Ich wünsch dir und deinen Mädels einen tollen Abend und hab Spaß. Übrigens, selbst wenn ich dich nicht sehe: Du siehst bezaubernd aus!"
Kopfschüttelnd lächle ich und schreibe zurück: "Danke, hab du auch Spaß.
Übrigens solltest du es dir verkneifen meine Gedanken zu lesen", rüge ich ihn scherzhaft. Schnell schicke ich noch einen Kusssmiley hinterher und spiele dann wieder die Musik ab.
Zufällig ertönt das gleiche Lied wie vorher im Bad.
Ich lasse mich mitreißend und jaule zur Musik mit. Zeitgleich ziehe ich ein Kleid aus dem Schrank, das mir vorher nicht aufgefallen war. Etwa knielang mit kurzen Ärmeln und einem konservativ anmutenden Ausschnitt. Bingo!
Schnell ziehe ich mich um. Hmm, eigentlich doch gar nicht blöd. Ich drehe mich zur Seite. Enttäuscht stehe ich kurz davor den Abend abzusagen und mich mit Eis in mein Bett zu verkrümeln, so wie es üblich ist. Erst freue ich mich und bin dann von meinem Aussehen enttäuscht.
"'Cause we are beautiful no matter what they say
Yes, words won't bring us down, no, no
We are beautiful in every single way
Yes, words can't bring us down, oh, no
So don't you bring me down today"
schallt es von Nahem zu mir herüber und dann ist es still. Den Tränen nahe, versuche ich den Worten, die noch im Raum schweben, einen tieferen Sinn zu verleihen.
"Wörter können mich nicht niedermachen, ich bin in jeder Weise schön und niemand wird mich heute runtermachen", flüstere ich leise und schaue mich wieder im Spiegel an. Werde ich für mein Aussehen geliebt? Nein. Liebe ich mich für mein Aussehen? Nein, ich liebe mich für diese humorvolle Seite, die trotzdem ein offenes Ohr hat auch wenn ihr selbst das Leben um die Ohren fliegt.
Ich liebe mich dafür, dass ich so bin wie ich bin. Warum sollte jemand mein Aussehen stören, wenn es doch die Ausstrahlung ist, die uns voneinander unterscheidet und darstellt, wie es uns im tiefsten Inneren geht? Entschlossen straffe ich meine Schultern und blicke mir im Spiegel fest in die Augen. Heute werde ich den Spaß meines Lebens haben!--
A/N
Due verwendeten Zitate stammen von Christina Aguilera aus dem Lied "Beautiful"
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