4. Kapitel

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~19. Februar 2019, Liverpool~

Ich stürmte in den Konferenzraum.
Mein schwarzer Mantel wehte um meinen Köper.
Meine Augen scannten aus Gewohnheit im Gehen den Raum ab.
Zügig setzte ich mich auf den letzten freien Platz.

„Ach Cienna. Wie schön, dass du uns auch noch mit deiner Anwesenheit beehrst.", sagte mein Vater.

Ich sah ihn an und nickte: „Immer wieder gerne, padre."
Dabei versuchte ich seinen unfreundlichen Ton zu ignorieren.

„Wir sprechen gerade über einen neuen Auftrag.", informierte der Assistent meines Vaters mich freundlicherweise.

Ich warf ihm einen dankenden Blick zu.
Er nickte nur kurz.

„Also weiter im Plan. Unser Kunde, Mister Smyth, möchte, dass wir eine Person als Schutz an die Seite seiner Tochter Amanda stellen. Er und seine Organisation haben Drohungen erhalten. Sie wollen seine Tochter entführen und ihn dementsprechend auch erpressen. Sie wissen, wie das läuft. Er will einen unserer Besten. Und unsere Besten und Geeigneten sitzen hier im Raum.", führte mein Vater fort.

Alle nickten.
Ich sah ihn nur an.
Personenschutz?
Einen auf Bodyguard machen?

„Sie können sich bewerben. Jeder von Ihnen. Ich werde dann einen von Ihnen wählen. Sie kennen das Verfahren."

Wieder nickten alle.

„Nun zu den Details. Sie werden Ms. Amanda rund um die Uhr begleiten und sie nicht aus den Augen lassen. Während sie schläft, werden Sie mehr über die Organisation, die die Drohungen geschickt hat, herausfinden. Dürft nicht zu schwer sein. Sie haben nur eine E-Mail gesendet. Außerdem werden sie durch mehrere Länder reisen müssen. Italien. Spanien. Kann auch sein, dass Sie kurzzeitig in Russland oder anderen Ländern absteigen müssen. Doch vorerst werden Sie wahrscheinlich in Groß Britannien bleiben. Durch die Reisen müssen sich die Familienmenschen unter Ihnen sicher sein, dass Sie das wirklich wollen. Es kann passieren, dass Sie länger als 100 Tage unterwegs sein werden. Seien Sie sich sicher, dass ich nicht dulden werde, wenn Sie die Mission abbrechen wollen."

Sein strenger Tonfall ließ viele auf die Tischplatte starren.
Ohne die Familienmenschen hier am Tisch waren es nur noch vier Agenten. Mich eingeschlossen.
Ich ging davon aus, dass die mit Familienmitglieder sich nicht bewerben würden.
Und wie ich die Gesichter der anderen Drei deuten konnte, waren 66,66 Prozent definitiv nicht bereit die Sache zu übernehmen. Der letzte überlegte scheinbar noch.

„Sie sollten wissen, das Ms. Amanda von anderen Agenturen als äußerst arrogant, zickig und undankbar bezeichnet wurde. Außerdem soll sie alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist, anmachen.", merkte mein Vater noch an und sah erneut in die Runde.

Nun schienen auch die letzten 33,33 Prozent aufzugeben.
Er lehnte sich ausatmend nach hinten.
Ich verdrehte meine Augen.

„Also. Damit ist das Meeting beendet. Bewerber melden sich wie immer bei mir. Bitte in den nächsten vierundzwanzig Stunden.", mein Vater erhob sich, knöpfte sein Jacket zu und verließ den Raum.

Sein Assistent sprang hektisch auf und lief ihm hinterher: „Mr. Amore! Warten sie eine Sekunde! Wir müssen noch über Mission-XH37 reden!"
Dabei schwankte seine Stimme zwischen befehlend und ängstlich.
Zurecht.
Mein Vater ließ sich nichts befehlen.

Ich erhob mich und ging langsam in den Flur des großen Bürogebäudes.
Müde lehnte ich mich gegen das Geländer aus Metall der Treppen. In der Nacht zuvor hatte ich kaum geschlafen.

Dann kam mir auch schon ein gut bekanntes Gesicht unter die Augen.
Ethan kam auf mich zu.
„Na Süße. Wie geht es dir?", sagte er und stellte sich lachend vor mich.

Ich bemühte mich ebenfalls zu lächeln.
„Es geht mir gut. Das weißt du doch."

„Ich weiß. Dir geht es immer gut. Nie schlecht und nie sehr gut. Nur gut."

„Ist das etwa ein Problem?", hakte ich nach und zog eine Augenbraue hoch. Nach kurzen Nächten konnte ich nie mit ihm umgehen.

Ethan schüttelte den Kopf.
„Nein. Was hast du jetzt so vor?"

Ich seufzte und antwortete: „Ich werde mich bei meinem Vater für den neuen Auftrag bewerben. Ich denke, dass ich tatsächlich die einzige Bewerberin sein werde."

Er nickte und fragte dann verwundert: „Es gibt einen neuen Auftrag? Warum war ich nicht mit in der Besprechung?"

Ich zuckte nur unwissend mit den Schultern.
„Als ob ich in seinen Kopf gucken könnte. Ich werde ihn aber fragen. Dann bis später."

Als ich gehen wollte zog er mich zurück und flüsterte grinsend: „Da kommst du nicht drumherum."

Dann drückte er mir einen Kuss auf die Lippen. Kurze Zeit später löste er seine Lippen wieder von meinen.
Ich lächelte kurz und dreht mich wieder zum gehen.

Ich ging mit großen Stritten durch die Gänge und klopfte dann an die große schwere Tür.

„Herein!", ertönte die tiefe alte Stimme meines Vaters.

Ich trat ein.

🌑
~zwei Stunden später~

Addio!", rief ich und ließ meinen Vater alleine an der Tür des Büros.

Arrivederci figlia mia!", rief er mir hinterher.

Auf dem Weg zu meinem Auto sah ich mich in der Gegend um. Seit Tagen hatte ich das Gefühl, dass man mich beobachtete. Vielleicht wurde ich auch nur paranoid.

Ich stieg in mein Auto und fuhr in meine Wohnung. Oder besser in die Wohnung, die Ethan gehörte und ich nur mitbenutzte, weil ich keine eigene hatte und er nicht wollte, dass ich in einem Hotelzimmer wohnen musste. Dabei liebte ich mein Hotelzimmer.

Nach dem Gespräch mit meinemVater wusste ich auch, warum Ethan nicht bei der Besprechung gewesen war. Meine Familie und seine kannten sich schon ewig. Wir beide waren schon von klein auf an befreundet. Zwischendurch hatten wir uns auch aus den Augen verloren, aber als er dann in der Firma meines Vaters angefangen hatte, fanden wir uns wieder. Und es entstand eben auch etwas mehr als Freundschaft. Wir waren seit einem halben Jahr in einer Beziehung.
Aber zurück zum Thema.
Er war nicht da gewesen, weil mein Vater wusste, dass er für so einen Auftrag nicht stark genug war.
Nicht von seiner Leistung her. Eher die emotionale Seite. Ethan war nicht die Sorte Mensch, die so eine Aufgabe durchzogen.
Und auf dieser Seite war ich eben stärker.

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