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Ich schließe die Haustür und starre die Blumen in meiner Hand an. Blumen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals Blumen geschenkt bekommen zu haben. Ich könnte sie vermutlich nicht mal benennen. Das Rote dort werden vermutlich Rosen sein, aber das ganze andere Zeug?

Ist Finn Campbell ein Mann, der gern Blumen geschenkt bekommt? Oder ist dieser Christian ein Mann, der einfach gern Blumen verschenkt? Und wie ist überhaupt die Beziehung zwischen den beiden? Es machte den Eindruck, als hätten sie noch nicht viele Dates gehabt, vermutlich erst eins. Christian zeigte eindeutiges Interesse, aber wie steht Finn wohl zu ihm?

Ich weiß nur, dass der neue Finn diese Verbindung keinesfalls vertiefen möchte, so viel steht fest. Ich lasse den Blumenstrauß achtlos auf der Kommode im Flur liegen und mache mich stattdessen daran, mein Haus zu erkunden, nachdem ich das Eis aus dem Wohnzimmer wieder im Gefrierfach verstaut habe. Mir ist irgendwie der Appetit vergangen.

•••

Später stehe ich mit einer Flasche Limonade - Finn Campbell hat kein Bier im Kühlschrank - auf meiner Terrasse und blicke in meinen Garten. Inzwischen ist es Abend und der Himmel ist in ein brennendes Orangerosa gefärbt. Das Haus ist der Hammer. Finns Leben ist der Hammer. Zumindest scheint es so. Er hat ein Faible für Technik und teure Klamotten, aber ebenso für Bücher. Das Gästezimmer, in dem Kitty bis heute Morgen noch ihr Quartier aufgeschlagen hatte, scheint auch gleichzeitig als Arbeitszimmer zu dienen und hat eine Wand, die vollständig mit gefüllten Bücherregalen bedeckt ist.

Zwischen den Büchern fand ich auch Jahrbücher und Fotoalben und es scheint, dass Finn seinen Bruder, seine Cousine und seine Tante sehr liebt. Auch in der Schule schien er sehr beliebt gewesen zu sein, war im Footballteam und im vorletzten Jahr offenbar sogar Abschlussballkönig. Auf einem der Bilder neben einer blonden Frau klebte ein Post-it mit der Notiz ‚Die Ärmste hatte keine Ahnung' und einem Smiley daneben, was mich beim Entdecken unwillkürlich schmunzeln ließ.

Insgeheim hoffte ich beim Stöbern auf eine Art Tagebuch, das mir das Wesen von Finn Campbell noch mehr offenbaren würde, doch da ich selbst nie der Typ war, der Tagebuch führte, kann ich das auch kaum von jemand anderem erwarten.

Seufzend nehme ich auf einem der Stühle Platz und blicke auf den gepflegten Rasen des Gartens. Meines Gartens. Zum wiederholten Male schüttele ich meinen Kopf, denn noch immer kann ich nicht glauben, dass das alles wirklich mir gehören soll. Ich nehme einen Schluck aus der Limonadenflasche und beschließe, ins Bett zu gehen.

Bestenfalls wache ich morgen früh auf und kann mit diesem Traum von einem Auto fahren. Schlimmstenfalls bin ich wieder Caleb Martínez. Sollte das der Fall sein, würde ich mich in den nächsten Zug nach Providence setzen und versuchen herauszufinden, ob es Finn Campbell tatsächlich gibt.

•••

„Okay", murmele ich am nächsten Tag zu mir selbst. Ich habe den Autoschlüssel in der Schublade der Kommode im Flur gefunden und sitze nun auf dem Fahrersitz. Meine langen Finger umschließen das glatte, ledrige Lenkrad und ich blicke entschlossen nach vorn.

Im Handschuhfach konnte ich eine Betriebsanleitung finden, denn dieses Schloss, wo man den Schlüssel reinstecken muss, damit das Auto angeht, war nirgends auffindbar. Die Betriebsanleitung verriet mir zumindest, dass dieses Auto nur über den Startknopf neben dem Lenkrad gestartet wird. Und es hat ein Automatikgetriebe. Das ist gut, denn..

Ich habe keinen Führerschein.
Also, doch. Finn Campbell hat einen Führerschein, den habe ich in seinem Portemonnaie gefunden. Allerdings hatte Caleb Martínez nie einen, denn ich konnte mir die Fahrstunden nie leisten.

Ich bin ein paar Male auf dem Parkplatz des Supermarktes, in dem ich Regale eingeräumt habe, gemeinsam mit meinem Kollegen Gonzo mit dem Transporter des Supermarktleiters herumgefahren. Allerdings erwischte uns der Supermarktleiter und meine Fahrstunden waren damit beendet. Ebenso wie mein Beschäftigungsverhältnis und auch die Freundschaft zu Gonzo.

Kurz überlege ich, ob es wohl eine gute Idee ist, ohne Führerschein zu fahren, aber das weiß ja niemand. Ich drehe nur eine Runde um den Block und dann fahre ich wieder nach Hause. Zur Orientierung präge ich mir den knallroten Briefkasten und den dunkelgrünen Familienvan der Nachbarn gegenüber ein. So schwer kann es ja nicht sein.

Mein langer Finger drückt auf den Knopf und das Monstrum erwacht zum Leben. Sofort dröhnt aus dem Radio laute Musik und ich fummele panisch an den Knöpfen, um den Regler für die Lautstärke zu finden. Als meine Trommelfelle nicht mehr schmerzen, atme ich erleichtert auf und richte meinen Blick wieder entschlossen nach vorn.

Alles klar, denke ich still. Rechts Gas, links Bremse. Den Schalthebel auf D und los. Ich lege den Hebel in die entsprechende Position und das Auto ruckelt kurz. Verwirrt runzele ich die Stirn. Warum fährt es nicht los? Mein rechter Fuß drückt aufs Gaspedal und es ruckt wieder, aber geht nicht weiter.

Ein roter, leuchtender Kreis im Display macht mich darauf aufmerksam, dass wohl irgendetwas nicht richtig ist. Ich schaue herum und finde einen Knopf, der das gleiche Symbol trägt und drücke diesen kurzerhand. Der Kreis verschwindet, dafür saust das Auto nach vorn auf die Einfahrt. Mit einem entsetzten Schrei nehme ich den Fuß vom Gaspedal und das Gefährt wird zwar langsamer, fährt aber weiterhin auf die Straße zu. Von links sehe ich ein Auto herannahen und trete panisch auf das Pedal.

Wieder sause ich nach vorn und schreie erneut auf, bevor ich auf das andere Pedal trete. Mit einem Ruck wird mein Kopf nach vorn geschleudert und ich komme halb auf der Straße, halb auf dem Gehweg zum Stehen. Das Auto von links macht einen kleinen Schwenker und hupt im Vorbeifahren. Als ich aufblicke, winkt mir die Frau am Steuer lächelnd zu und ich hebe müde meine Hand. Mein Herz rast wie verrückt in meiner Brust und meine Hände zittern.

Vielleicht sollte ich diese Tour doch lieber lassen. Verzweifelt sehe ich durch die Heckscheibe nach hinten und überlege, ob ich es wohl schaffe, das Auto jemals wieder in die Garage zu bekommen oder ob ich-

Die Beifahrertür öffnet sich und eine ältere Frau steigt ein. Sie lächelt mich an und sagt freundlich: „Guten Morgen."
Tante Dana.
Verdattert starre ich sie an und murmele: „Guten Morgen."
„Wolltest du einkaufen?", erkundigt sie sich und ich ringe um Worte.
„Ich.. äh.. ich..", stottere ich.
„Oder einfach nur durch die Gegend fahren?", kommt es von ihr.
„Vermutlich eher das", gebe ich zu.
„Darf ich mitkommen?"

Ich schlucke und nicke vorsichtig.
„Der Blinker ist der Hebel links", flüstert sie mir mit einem Augenzwinkern zu und ich betätige den Hebel, ehe ich zaghaft den Fuß von der Bremse nehme und das Auto langsam auf die Straße lenke.

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