"Falk de Villers.""Ich bins Gideon, ist es schon passiert? Wo ist Charlotte gelandet?", fragte ich. "Sie ist noch nicht gesprungen, aber es gibt eindeutige Anzeichen: Schwindelgefühle, Kopfschmerzen und so weiter. Komm bitte trotzdem sofort nach Temple!", befahl er. "Was denkst du, was ich gerade mache?!", genervt klappte ich mein Handy zu. Mann, mit elf Jahren war ich bei Onkel Falk eingezogen, weil meine Mutter wieder geheiratet hatte und nach Frankreich gezogen war. Mein kleiner Bruder Raphael war mit ihr gekommen, doch ich hatte natürlich hier bleiben müssen. Was ehrlich gesagt weniger ausmachte, als die Tatsache, dass der Grund dafür ein Arschloch war. Ein Arschloch, zu dem mein Bruder mittlerweile "Papa" sagt. Wozu ich mich immer noch strikt weigere, da sage ich ja eher zu Onkel Falk Papa! Ich meine, der Typ ist stinkreich und ließt Raphael jeden Wunsch von den Lippen ab. Ein besonders guter Vater schien er jedoch nicht zu sein, schließlich steckte Raphael permanent in Schwierigkeiten. Der Kerl ist einfach nur ein arroganter Schnösel. Wie es meine Mutter mit ihm aushielt verstand ich eh nicht. Wahrscheinlich genießt sie nur das Luxusleben. Mittlerweile habe ich eine eigene Wohnung in Chelsea.Doch Onkel Falk scheint manchmal zu vergessen dass ich inzwischen alleine denken kann. Auch wohne ich eigentlich sehr gerne in London, es ist immer irgendetwas los- was schön ist, obwohl ich so wenig Freizeit habe. Doch an diesem Tag war es einfach nur ätzend! Bei dem Verkehr kommt man mindestens in einen- oder meistens mehrere dreißig- Minuten Staus. Und dabei schlichen sich beunruhigende Gedanken in meinen Kopf. Vielleicht war Charlotte ja in der Zwischenzeit gesprungen und ich wusste nur nichts davon? Aber dann würde mir Onkel Falk sicherlich Bescheid sagen, oder etwa nicht? Mir war damals schwindelig geworden und eine Stunde später war ich weg gewesen. Doch wahrscheinlich war da jeder Gehnträger anders, wie bei so vielen Dingen. Und wahrscheinlich steckte Charlotte genauso im Stau wie ich!Hoffentlich sprang sie nicht während der Fahrt, dass könnte echt gefährlich werden. Auch wenn ich die lange Wartezeit gewöhnt war, kam sie mir an jenem Tag noch länger vor als sonst, so als würde sie niemals enden. Aber schließlich parkte ich doch irgendwann vor dem Hauptquartier der Wächter im Temple- Bezirk. Neben uns sind hauptsächlich Anwaltskanzleien (offiziell sind wir ja selber eine), neben ihnen wirkt das Zeitlose Gebäude fast bescheiden. Doch der Schein trügt, es ist weitaus größer als es aussieht, besonders weil es sich bis weit unter die Erde erstreckt. Hinter meinem Auto hielt eine der Limousinen der Wächter. Und wie erwartet stiegen Charlotte, ihre Mutter Glenda und ihre Großmutter Lady Arista, die sogar von ihren Enkelkindern so genannt wurde, aus. „Gideon, dass passt ja perfekt!“, begrüßte mich Charlottes Mutter und sah tatsächlich erleichtert aus. Um ehrlich zu sein ist Charlotte echt gestraft mit ihr. Mrs Montrose behauptet zwar immer voll und ganz hinter ihrer Tochter zu stehen, dabei macht sie Charlotte nur Stress. Lady Arista begrüßte mich mit einem festen Händedruck, sie sieht aus wie eine besonders strenge Ballettlehrerin und benimmt sich auch so.„Hi, Charlotte.“, begrüßte ich meine einzige Freundin lächelnd. „Schon gespannt wo du landen wirst, ich meine wann? “Sie hat wie alle Montrose- Frauen (eingeschlossen Mrs Montrose und Lady Arista), die ich bisher kennengelernt hatte, rote Haare und einen blassen Teint, heute wirkte sie sogar noch blasser als sonst. Doch auf meine Frage nickte sie begeistert: „Natürlich! Vielleicht treffe ich ja einen meiner Vorfahren. Sah das Hauptquartier der Wächter früher eigentlich sehr anders aus?“ „Nicht wirklich… obwohl, das Behandlungszimmer sah damals bestimmt anders aus. Doch zum Glück bin ich dort noch nie gewesen.“, meinte ich mit einem Grinsen. Sie lächelte leicht angespannt zurück. Am Eingang wartete Mr George auf uns, er ist eine freundliche, runde Figur mit Glatze. „Da sind wir ja alle vollzählig.“, meinte er zufrieden, „Sie werden bereits im Drachensaal erwartet, ich soll sie hinbringen.“ Als ob das nötig wäre, jeder von uns kennt sich perfekt in den verworrenen Gängen aus. Trotzdem führte Mr George uns durch die scheinbar endlosen Flure, Treppen hinauf und Treppen hinunter, an Ritterrüstungen, Vitrinen und Gemälden vorbei. Den ganzen Weg bis zur prächtigen Holztür des Drachensaales gingen Charlotte und ich schweigend nebeneinander her. Außer als wir Mrs Jenkins die Sekretärin begrüßten. Was gab es auch zu sagen? Herzlichen Glückwunsch, dass du dich ab jetzt keinen Tag mehr lang vom Chronografen entfernen darfst, weil du elapsieren musst um nicht hilflos in der Vergangenheit herumgeschleudert zu werden? Es ist nämlich so, dass jeder Zeitreisende eine bestimmte Zeit am Tag mindestens in der Vergangenheit verbringen muss, um unkontrollierte Zeitsprünge zu vermeiden. Wenn man keinen Auftrag hat, wird man also in eine ungefährliche Zeit, in einen fensterlosen Kellerraum geschickt, wo man dann seine Hausaufgaben machen darf. So sah Charlottes und meine Zukunft aus. Während andere durch die Welt reisen, müssen wir das Blut von Zeitreisenden einsammeln und dürfen uns alle Orte, wo wir gerne mal hinfahren würden auf der Landkarte oder dem Globus anschauen. Deprimierend. Am Drachensaal hielt uns Mr George höflich die Tür auf. „Arista, Glenda ich hoffe ihr seid wohl auf. Charlotte wie geht es dir?“, begrüßte Falk die Montroses mit einem freundlichen Lächeln. (Ich fragte mich, wie er das gegenüber Lady Arista und Mrs Montrose zustande brachte.) Mir nickte er freundlich zu. Falk war schon immer wie ein Vater zu mir gewesen, besser gesagt seitdem meine Mutter nach Frankreich gegangen war. Falk war schon immer wie ein Vater zu mir gewesen, besser gesagt seitdem meine Mutter nach Frankreich gegangen war. Außer er ließ den Logenmeister raushängen. „Nur leichte Kopfschmerzen“, murmelte Charlotte. „Wann hat es angefangen?“, erkundigte sich der mürrische Dr. White. Er stand in der Ecke am Kamin. In seinem üblichen schwarzen Anzug, mit der schwarzen Krawatte und dem üblichen griesgrämigen Gesichtsausdruck gekleidet. Seine Aufgabe ist es, neben der üblichen Wächtertätigkeit, uns Zeitreisende medizinisch zu versorgen. Denn trotz seiner permanenten schlechten Laune ist er ein guter Arzt. Denn trotz seiner permanenten schlechten Laune ist er ein guter Arzt. Mr George sagt, dass er noch nicht immer so mies drauf war, sondern immer gut gelaunt gewesen war. Sogar Witze hatte er manchmal gemacht. Bis zu dem Tag an dem sein kleiner Sohn, vor achtzehn Jahren, bei Bekannten im Pool ertrank. Seitdem war Dr. White nicht mehr der Alte. Quasi ein Schatten seiner selbst. Obwohl man meinen sollte das er nach all den Jahren darüber hinweggekommen wäre, doch Mr White war und ist ein Trauerkloß. Warum er den Tod seines Sohnes immer noch so schwer nahm, wollte er keinem sagen. Vielleicht sollte er mal mit jemanden darüber reden. Doch mit wem? Ich wusste nur das er allein lebte. Ob seine Frau auch gestorben war, die Beziehung durch den Tod ihres Sohnes kaputt gegangen war oder sie danach Selbstmord begangen hatte wusste ich nicht. „Gegen ein Uhr.“, sagte Mrs Montrose, bevor Charlotte überhaupt zu Wort kommen konnte. „Ich habe solche Angst um sie! Was ist wenn ihr etwas passiert?“ Oh, bitte verschonen sie mich! Keine Muttergefühls- Arie, ich bezweifele ja glatt, dass sie überhaupt welche hat! Obwohl wenn Charlotte starb, hatte sie keine perfekte Tochter mehr zum angeben. Meine Mutter ist zwar auch nicht die Beste, aber ich möchte um nichts auf der Welt mit Charlotte tauschen. „Im Hauptquartier ist sie sicher, außerdem müsste Charlotte jederzeit springen. Setzen wir uns doch erst mal.“, beruhigte Mr George sie. Gegen diesen Vorschlag hatte niemand etwas einzuwenden, nur Onkel Falk tigerte nervös durch den Raum. Das macht er immer wenn er unruhig ist. Alle verfielen in nervöses Schweigen. Ich betrachtete nachdenklich den Drachensaal. Wie oft meine Nachmittage aus dieser Beschäftigung bestanden haben, kann ich nicht mehr zählen. Doch ich war mit 6 Jahren schon genauso fasziniert von dem getäfelten und über und über mit Schnitzereien verzierten Saal gewesen, wie heute mit fast neunzehn. Da gab es gruselige Fratzen, Blüten und Blätter, oder eine wunderschöne Meerjungfrau, die über dem Sofa prangte auf dem Charlotte saß. Teilweise waren sie sogar farblich hervorgehoben. Und ganz oben an der Decke erstreckte sich, über mehrere Meter lang ein Drache nach dem der Saal benannt war. Früher hatte ich mir immer Geschichten ausgedacht. Manchmal auch mit Charlotte zusammen wenn uns langweilig gewesen war. Die einzige Regel dabei war, dass jede Figur im Drachensaal zu finden sein musste, man also keine dazu erfinden durfte. Ich weiß nicht wie lange wir da saßen und Onkel Falk nachdenklich und angespannt durch das Zimmer lief. Bis er irgendwann erprubt stehen blieb, auf seine Uhr sah und zu mir sagte: „Zeit zum elapsieren, Gideon. Mr George wird dich begleiten. “Ich nahm meine Sachen und verließ wortlos mit Mr George den Raum. „Nun in welches Jahr wollen wir dich heute schicken?“, fragte er, um einen unbeschwerten Ton bemüht. „Ehrlich gesagt ist mir das völlig egal, Hauptsache ich hab meine Ruhe.“ murmelte ich. „Sollte Charlotte nicht auch im Alchemielabor warten, so wie ich damals?“ „Ach weißt du inzwischen haben dort so viele Leute elapsiert, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sie jemanden trifft fast genauso groß ist wie im Drachensaal.“, erklärte er mir und wischte sich de Schweiß von der Stirn. Aber wahrscheinlich wäre es Charlotte ganz recht gewesen jemanden zu treffen. Mit etwas Glück, hätte sie dort vielleicht ihren Großvater beim aufräumen getroffen. Er war immerhin gestorben als sie zehn Jahre alt gewesen war. Er war ein netter Mann gewesen, ganz anders als Lady Arista. Beim elapsieren konnte sie ihn nicht antreffen, denn er war kein Zeitreisender gewesen. Trotzdem war Lord Lucas Montrose der Großmeister der Loge gewesen, nach seinem Tod hatte Onkel Falk dir Stelle bekommen. Im alten Alchemielabor angekommen durchblätterte Mr George die Analen der Wächter, darin waren Aufzeichnungen in denen stand was an welchem Tag geschehen war (zum Beispiel wer in welche Zeit elapsiert ist.) war. So verhindern wir, dass ich jemanden in der Vergangenheit angetroffen haben würde und erschreckt haben würde. Schließlich klappte Mr George einen der dicken Lederfolianten zu und stellte den Chronografen ein. Ein kaminuhrengroßer Apparat, aus dessen Inneren zwölf verschiedene Edelsteine funkelten, einen für jeden Zeitreisenden. Alle echt! „Fertig“, Mr George rieb sich zufrieden die Hände. Ich schob meinen Zeigefinger vorsichtig in das Innere des Chronografen, kurz darauf spürte ich, wie sich eine Nadel in mein Fleisch bohrte. Der Diamant leuchtete auf und tauchte alles in schneeweißes Licht. Ich sah gerade noch wie Mr George den Mund öffnete, wahrscheinlich um mir zu sagen in welche Zeit er mich schickte, doch da war ich auch schon verschwunden.
Nach langer Abstinenz, ein besonders langes drittes Kapitel! Alles liebe Fairy.
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Rubinrot aus Gideons Sicht
FanfictionGeht es euch nicht oft auch so: Ihr lest die Edelsteitrilogie und überlegt was Gideon in diesem oder jenem Moment gedacht oder getahen hat? Diese fanfiction ist daher keine Vortsetzung, sondern die ganze Geschichte mal aus einer anderen Sicht. Natür...