Kapitel 3

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Ich landete sanft auf meinen Füßen und sah mich um. Mist, alles dunkel. Mr George hatte vergessen mir eine Taschenlampe mitzugeben. Überhaupt hatte man mich heute nicht gerade gut behandelt. Ständig wurde ich hin und her geschickt, oder sogar gar nicht beachtet. Wenn Charlotte nicht wäre, die ja Grund für den ganzen Stress war, müsste ich mich jetzt nicht im Dunkeln zu dem altmodischen Lichtschalter tasten. Auf irgendjemanden durfte man ja wohl sauer sein, sie merkte ja nichts von meinen zornigen Gedanken. Und selbst wenn sie heute etwas von meinem Zorn abbekommen würde, würde sie sich nichts anmerken lassen. Manchmal kam ich auf den Gedanken das sie bereits in mich verliebt war und daraufhin hoffte ich, dass dem Grafen vielleicht reichen würde, ich ihr also nichts vorheucheln musste. Denn wenn das aufflog (Und da war ich mir sicher.), würde Charlotte kein einziges Wort mehr mit mir reden. Was bedeuten würde, dass ich gar keine Freunde mehr hätte. Mir schauderte, denn selbst wenn Charlotte mich verabscheuen würde, müsste ich trotzdem den Rest meines Lebens mit ihr verbringen und der ganze Ärger nur wegen eines frauenfeindlichen Grafen. Was für glorreiche Aussichten! Ach hier war der Lichtschalter in dieser Zeit. Ich betätigte ihn doch nichts passierte. Super. Glühbirne durchgebrannt. Studium ade! Ich würde das Semester noch mal machen müssen. Durch den ganzen Stress hinkte ich mit meiner Arbeit ziemlich hinterher. Jetzt war ich doppelt wütend darauf, das man mir keine Taschenlampe mitgegeben hatte. Immerhin war ich es gewesen, der in kurzer Zeit die Hälfte des Schadens behoben hatte, den Falks kleiner Bruder Paul und Charlottes Cousine Lucy angerichtet hatten, als sie den ersten Chronografen stahlen. Da sah man mal wieder was Beziehungen unter den Montroses und den de Villers anrichteten. Nichts gutes! Noch ein Grund nichts mit Charlotte anzufangen. Das würde das Familienverhältnis nur noch mehr belasten. Am Ende musste ich mir wegen meiner Heuchelei noch elend lange Vorträge anhören. Zum Glück hatte es noch einen zweiten Chronografen gegeben. Der war zwar kaputt gewesen, doch die Wächter hatten es geschafft ihn zu reparieren, ansonsten hätten wir ein echtes Problem gehabt. Ein solches hatten wir trotzdem: wir mussten mit dem Bluteinlesen der Zeitreisenden noch einmal von Vorne anfangen. Was die meine und Charlottes Aufgabe ist, ab dem Punkt an dem wir in die Zeit reisen können. Bei mir also schon zwei Jahre. Meine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit, soweit das ich langsam die Umrisse der Möbel erkennen konnte. Da darunter auch ein Sofa war erhob ich mich vom Fußboden auf den ich mich seufzend niedergelassen hatte. Während ich darauf zu lief, bedacht nirgendwo anzustoßen, spürte ich an meinem linken Fuß einen kleinen Gegenstand. Ich bückte mich, tastete danach und hatte auf einmal einen Lippgloss in der Hand, soweit ich das in der Dunkelheit erkennen konnte. Nachdenklich setzte ich mich. Wo war der wohl hergekommen? Ich kannte mich zwar nicht mit solchen Dingen aus, aber er stammte eindeutig aus unserer Zeit. Ich versuchte irgendetwas von der Schrift darauf zu erkennen, doch es war zu dunkel. Da hatte ich auf einmal eine Idee. Ich kramte in meiner Tasche nach meinem Handy und lößte die Tastensperre. Durch das Licht konnte ich den Lippgloss nun genau betrachten. Das erste was mir ins Auge stach, war ein Name, der in  krakeliger Schrift darauf stand: Gwendolyn. Gwendoloyn? Mein Kopf explodierte vor lauter Fragen. Erstens: Warum beschriftete ein Mädchen seinen Lippgloss? Hatte sie etwa Angst das er geklaut wird? Zweitens: Wie war das Ding hier hergekommen? (Würde hergekommen sein...) Eigentlich konnte er nur von Charlotte sein, aber soweit mir bekannt war hieß weder mit zweiten, noch dritten oder was-weiß-ich-wievieltem Vornamen Gwendolyn. Hatte sie ihn am Ende etwa geklaut? Nein so tickt Charlotte nicht. Außerdem hatte ihre Familie genug Geld, mehr als genug. Aber sie einfach fragen ob er ihr gehörte, egal ob geklaut oder nicht, ging auch nicht, denn dann hätte sie kurze Zeit zweimal den selben Lippgloss und irgendwann würde einer verschwinden. Ich würde damit eine Ereignisskette unterbrechen, was zu einem großen Chaos füren würde. Denn vielleicht hatte sie ihn noch gar nicht gekauft/geklaut, dann würde sie sich ja auf keinen Fall noch mal den selben Lippgloss kaufen/klauen und er könnte reinteoretisch garnicht hier bei mir landen! Gott, war da kompliziert! Aber was sollte ich nun mit dem Ding machen? Das einfachste wäre natürlich hier lassen, aber ich wollte, so komisch das auch klingen mag, das "Lippglossrätsel" lösen. Also steckte ich ihn zu meinen Büchern in die Tasche. In der Hoffnung, dass ihn dort keiner fand, denn wie sollte ich das bitteschön erklären?
Ob Charlotte in der Zwischenzeit gesprungen war? Ich kramte den Lippgloss wieder aus meiner Tasche und studierte seine Aufschrift noch einmal. Irgendwie war das beruhigend . Na ja, nicht wirklich, aber es lenkte ab. Ich fand jedoch nur heraus, dass er von einem dezenten pink war und sechs Monate haltbar. Wie lange war ich eigentlich schon hier unten und grübelte über der Geschichte eines Lippglosses? Prompt kehrte das Schwindelgefühl zurück, ich steckte das Teil schnell in meine Tasche zurück, der Raum verschwamm vor meinen Augen und es riss mich von den Füßen.

Rubinrot aus Gideons SichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt