Das Austauschjahr ON HOLD

Vier | Erster Tag Sturmfrei

Das Sonnenlicht strömte durch die zurückgezogene Gardinen und blendete mir mitten ins Gesicht. Ich setzte mich auf und blinzelte in die Sonne. Sie war schon halbwegs über den Gebäuden um uns herum. Ich schätzte es ungefähr 9:30 Uhr. Das heisst ich habe rund 18 Stunden geschlafen, was, sogar für mich, verdammt lang war.
Ich lag noch ungefähr eine halbe Stunde in meinem Bett und betrachtete mein neues Zimmer. Es war alles so anders und überwältigend, sodass ich für einen Moment meine Augen zudrückte. Ich warf meine Decke dramatisch zurück und schwung meine Beine über den Bettenrand auf den hölzernen Boden. Immer noch auf der Bettkante sitzend, hebte ich mein neues und altes Handy auf mein Bett und übertrug die Kontakte.
Danach lief ich endlich in die Küche und fand ein Zettel am Kühlschrank.

Anna,
I hope you slept well.
Wie ich dir gestern schon gesagt habe, hast du für die nächsten paar Tage sturmfreivon . Da Joshua und ich meistens im Büro essen, hat es nichts wirklich zum essen. Ich habe unsere Nachbarn schon ein wenig über dich erzählt und sie haben zugestimmt, die ersten paar Tage ein wenig auf dich auf zu passen. Wenn dir etwas fehlt, klopf einfach nebenan.
Schönen Tag!
-Rachel
P.S.: Ich hab dir einen Hausschlüssel auf dem Tisch gelassen.

Ich öffnete den Kühlschrank und fand nur eine halbvolle Wasserflasche und einen Joghurt von 2012. Seufzend, lief ich zurück in mein Zimmer und zog mir eine Jogginghose über meine Pyjamashorts an, schlüpfte in die ersten Schuhe die ich fand. Ich schnappte den Schlüsselbund von dem Tisch und sprang aus der Tür.
Vor der Nachbarstür angekommen klopfte ich drei mal auf die schwarz lackierte Tür und hörte auf der anderen Seite das klacken von Highheels. Die Tür wurde aufgeschwungen und zeigte eine Frau mit scheinbar goldenem Teint und schwarzen Haare die zu einem festen Dutt zusammengebunden wurden.
"You must be Anna.", lächelte sie und führte mich in ihre Wohnung.
Ich nickte und bewunderte das ebenso bezaubernde Apartment.
"Rachel hat mir schon viel über dich erzählt... So, hier." Sie überreichte mir eine grosse Einkaufstüte voller Lebensmittel.
"Oh, danke ...?"
"Oh, entschuldigung. Ina", lächelte sie engschuldigend.
"Danke, Ina.", bedankte ich mich und bewegte mich Richung Tür.
Sie begleitete mich. "Kein Problem, und wenn du irgendetwas brauchst, komm einfach rüber."
"Tschüss, danke!", rief ich noch bevor ich hinter Rachel und Joshua's Tür verschwand.
Ich legte die Tasche auf den Herd und sortierte alles in die Schränke und in den Kühlschrank ein. Ich holte mir ein Joghurt aus dem Kühlschrank, nachdem ich fertig war, und lief in mein Zimmer.
Ich schaute den Koffer, der an dem Fuss meines Bettes lag, an. Er scheinte mich herausfordernd anzuschauen, als ob er sagen will 'Na, wirst du mich mal auspacken oder einfach faul bleiben?'.
Ich seufzte und schmiss mich aufs Bett neben mein Handy. Ich schaltete es an und fand 7 neue Nachrichten.

Elisa: (vor 8 Minuten)
Hey Anna.
Wie ist es so in Amerika? Jeder hier vermisst dich soo fest. Wir sind heute in die Stadt gefahren und es war voll langweilig ohne dich. Jetzt ist gerade 3:30. Und bei euch? x

Mama: (vor 13 Minuten)
Anna.
Ich hoffe es geht dir gut und du hast dich schon ein wenig eingelebt. Ich hoffe Rachel und Joshua haben dich gut aufgenommen. Schreib mir so schnell wie möglich. Ich weiss, du bist sauer auf mich, dass du jetzt ein Austauschjahr machen musstest aber es war nötig. Ich liebe dich. Mama.

Klassenchat:
Nora: (vor 5 Minuten)
Hey, Anna! Schick uns mal Bilder von LA. Voll scheisse dass du gehen musstest. Alle vermissen dich mega hier in Deutschland.
Finn: (vor 5 Minuten)
Oha, bist du schon da? Wie ist es so?
Flora: (vor 4 Minuten)
Oh mein Gott, hat es einen Strand in der Nähe?
Pascal: (vor 5 Minuten)
Annaaaaaa schreib mal!

Auf Elisa antwortete ich:
Ah, omg. Elisa ich vermiss dich verdammt. Es ist so geil hier und das Wetter ist soooo schön und Rachel und Joshua sind mega cool. Sie sind ziemlich 100% reich, denn sie haben mir am ersten Tag schon eine neues Handy und Computer geschenkt? Und unsere Nachbarin ist mega nett. xx

Auf Mama's Nachricht:
Hi Mama, es ist toll hier und Rachel und Joshua sind super. Ich vermisse Deutschland, auch wenn es mir hier gefällt.
-Anna

Und im Klassenchat:
Hiii leute!
Es ist voll geil hier. Man hat voll die Aussicht auf den Strand und das Wetter hier ist verdammt schön. Ich vermiss euch alle so sehr auch wenn meine Einspring-Eltern lieb sind.

Dazu schickte ich noch ein paar Bilder von der Wohnung, der Aussicht und das Wetter.
Ich legte das Handy weg und räumte ein Bisschen das Zimmer auf und beschloss dann, ein Spät-Mittagessen zu kochen.

Als am Abend Rachel und Joshua nach Hause kamen, hatte ich schon das Abendessen parat und danach schaute ich noch einen Film.