Teil 7

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"Alle man zum Mittagessen!" Ich schlug die Augen auf. Oh nein! Das Waisenhaus war doch kein böser Albtraum gewesen! "Du auch, Johanna!" Eine alte Frau baute sich vor mir auf und stemmte ihre Hände in die Hüften. " Ja ja. Komme ja schon", grummelte ich und kämpfte mich aus dem Bett. Schlaftrunken torkelte ich die Treppe in das Esszimmer hinunter. Dort waren gerade mal vier Kinder, mit mir nun fünf Kinder.

 "Hey Jo! Setz dich zu uns!", winkte Kiara mir zu und machte den Stuhl neben sich frei. Ich nahm ihn dankbar an und sah auf den Teller vor mir: "Ihh! Was ist das denn?" "Haferbrei mit Marmelade", antwortete Ben und schob sich einen Löffel davon in den Mund. Mir verging alles und ich musste mich zurückhalten, um nicht auf den Tisch zu kotzen. "Danke, keinen Hunger", meinte ich und stand auf. "Aber...wir dürfen das nicht! Wir müssen immer am Tisch sitzen bleiben", wusste Ben. "Ja und? Mir doch egal!", rief ich und ließ sie hinter mir. "Nur heute ist Haferbreitag, morgen gibt es Omletten!", rief Kiara mir hinterher.  Mit meinem Lieblingsbuch verzog ich mich in eine Ecke des Hauses und betete, dass mich die olle Schraube nicht finden würde und mich zum Essen zwingen würde, denn das könnte ich einfach nicht.

Und ich hatte Glück. Ich las und las und man fand mich nicht. Dann schloss ich das Buch und legte meinen Kopf an die Wand. Bilder wie ein Film überfielen mich. Wie sie sich vor mich warf und  ich ihren leblosen Körper spürte. Ich spürte, wie meine Wangen nass wurden. Sie war meinetwegen tot, nur meinetwegen! Warum war ich überhaupt auf der Welt? Ich brachte ja nur Unglück, das keiner haben wollte!!

POV Melina

Ich dachte an sie. An unseren letzten gemeinsamen Tag. Wie wir mit ihm durch den Wald geschlendert waren und Witze gerissen hatten. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, daweil lag es nur  ein paar Jahre zurück. Unglaublich!

 "Melina, Achtung! Pass auf!" Der Schrei meiner Kollegin Hannah holte mich wieder in die Realität zurück. "was?", fragte ich, aber ich sah selbst einen Schatten vor unserem Auto vorbeihuschen. ich riss das Lenkrad nach rechts und wir fuhren voll in einen Baum. "Alles gut bei dir?", wollte ich von Hannah wissen. "ja, und bei dir>?" ich nickte: "Was war das bloß?" "ich dachte, ich hätte ein Kind gesehen", sagte sie. "Bitte? Ein Kind?", wiederholte ich ungläubig. Sie nickte: "Ja, aber jetzt müssen wir aus dem Auto rauskommen!" Wir hatten uns schnell vom Wrack befreit und Hannah kontaktierte die Leitstelle. Ich sah mich inzwischen um. Dann sah ich plötzlich ein Kind am Straßenrand liegen. "Hannah, komm mal schnell!", rief ich ihr zu und rannte los. Meine Kollegin kam mir nach.

"Hey, Kleine! was hast du denn?" Das kleine Mädchen, ca. vier Jahre, hockte ganz verängstig am Boden und kaute auf ihrem Daumen herum. "Wie heißt du? Ich bin Hannah, von der Polizei in Bochum", stellte sie sich vor. "Mira", piepste es sacht. "Okay, Mira! Und was machst du hier?", übernahm ich langsam. "Weiß nicht". "Warum bist du uns vors Auto gelaufen? Du hättest tot sein können!" Es zuckte wieder mit den Schultern und rückte enger zu mir. "Alles wird gut", sagte ich und half ihr auf. Da bemerkte ich, dass sie ihr Bein anwinkelte. "Tut das Bein weh?", fragte ich. Sie nickte. "Dann fordere ich mal einen RTW an, oder?" Hannah ging beiseite. Ich hob das Mädchen hoch. Sie war ja ganz leicht! "Wo gehen wir hin?", fragte es und sah mich aus seinen großen Kulleraugen an. "Wir warten auf den Rettungswagen. Ich habe ja unser Auto zerstört", meinte ich mit einem Blick auf den Haufen Schrott. Wie sollte ich das nur erklären?

"Er wird gleich kommen. Mira, hast du eine Ahnung, wo du wohnst?" "Ja, in einem blauen Haus", wusste sie. "Ich schau mal nach, ob ich hier in der Gegend ein blaues Haus finde", gab ich an und hievte die Kleine auf den Boden. "Geh nicht!", quengelte sie. "Melina ist ja gleich wieder da", beruhigte Hannah sie und nickte mir zu. Ich lief los. Wirklich! Es gab nicht weit von hier entfernt ein blaues Haus mit Garten. Ich ging zu der Tür und klingelte. "Hallo, Polizei!", rief ich und klopfte gegen die Tür. Es tat sich nichts. "Hallo!" Ich ging ein paar schritte zurück und spähte in eines der Fenster. Das Haus sah verlassen aus. "Komisch", murmelte ich und wollte wieder gehen, als etwas in dem Haus zu Boden fiel. Da musste doch noch jemand sein! Diesesmal trat ich die Tür einfach ein und verschaffte mir so Zugang zu dem Haus. Und was mich da erwartete. Tja, das hätte ich am Liebsten nie gesehen...




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