winter ; kapitel 2

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kapitel zwei

Als sie die Balkontür öffnet, schlagen Mae die kalte Nacht und Tobias' Stimme entgegen. "Ist Jules abgehauen? Wirklich?", fragt er, seine Augen nach hinten gerollt.

"Keine Ahnung. Er geht ja nicht ran." Ihm gegenüber steht Isabel, Jules' Schwester, ihre Arme verschränkt. "Du hättest -"

 
"Ich hätte nicht was? Er kommt hierher und -" Tobias unterbricht sich selbst beim Reden, als Mae sich räuspert. Hier draußen ist es weniger laut, so, dass sie sein unterdrücktes Murmeln verstehen kann: Izzy, hau ab.

"Ich schau mal, ob ich ihn finde", murmelt sie. Sie schiebt sich an Mae vorbei in die Wohnung, wirft ihr nur einen kurzen Blick zu. Isabel ist nicht die Art von Person, die auf Partys geht, vor allem nicht auf die von Tobias - Mae hatte erwartet, dass sie zuhause sitzt, vielleicht umgeben von einem Haufen Bücher. Aber letzten Endes ist sie die einzige gewesen, die den Abend allein zuhause verbracht hat, richtig?

"Du hattest geschrieben", erklärt Mae sich, als Tobias' Blick auf ihr ruht. "Was gibt's?"

"Was gibt's", echot er ihre Worte. "Du weißt, was es gibt. Ich vermisse dich, verdammt. Du siehst gut aus heute Nacht."

Das ist gelogen - Sie trägt die viel zu große Jacke über einem ebenfalls zu großem Shirt. Nichts, auf das er steht, aber sein Atem stinkt nach Alkohol, also ist es ihm vielleicht einfach egal. "Darum bin ich nicht hier."

Er tritt einen Schritt auf sie zu. Mae geht instinktiv einen Schritt zur Seite, was schlecht ist, denn jetzt fühlt sie die Wand im Rücken statt der offenen Tür.

"Wozu dann?"

"Ich will, dass du aufhörst, dich zu melden. Ich habe dir gesagt, dass ich nichts mehr von dir will." Da sind sie, die Worte, die sie schon so lange zu ihm sagen will. In ihrer Fantasie läuft die Szene anders ab: Dort ist ihre Stimme laut, wütend, bestimmt, nicht klein und ängstlich und nur getragen von dem Champagnerglas, das sie in ihrer Hand festklammert. "Lass mich einfach in -"

"Mae. Babe." Tobias steht so nah vor ihr, dass ihr schwindelig wird. Er nimmt ihr das Champagnerglas aus der Hand, ohne, dass sie dagegen ankämpft, trinkt einen Schluck, stellt es auf den nächstgelegenen Tisch. "Ich liebe dich, okay? Ich kann dich nicht einfach in Ruhe lassen. Fuck."

Jede einzelne Nacht spielen seine Worte in ihrem Kopf wieder: Du bist einfach krank, weißt du das? Fucking krank.

"Du solltest dich glücklich schätzen, dass du mich hast. Wir haben beide Fehler gemacht, ich weiß, aber das heißt doch nicht, dass es gleich vorbei sein muss. Ich brauche dich."

Ich hab kein Bock mehr darauf. Alles, was du tust, ist rumheulen, über was? Über absolut nichts? Manche Menschen haben echte Probleme, Mae. Denk mal daran, bevor du das hier tust, nur, weil du 'ne fucking Schlampe auf der Suche nach Aufmerksamkeit bist.

"Du siehst so gut aus", flüstert er, eine Hand in ihren Haaren - er liebt ihre Haare, behauptet er immer wieder, lang und glatt und dunkelbraun, und auch jetzt vergräbt er seine Finger darin, bevor er seine Lippen auf ihre presst, seine Zunge zu schnell in ihren Mund wandert, seine freie Hand sich neben ihr an der Wand abstützt. "Was ist los mit dir?"

Seine Stimme ist leise an ihrem Ohr, beinahe unhörbar, aber bevor sie antworten kann, sind da wieder seine Lippen auf ihren. Mae schließt nicht die Augen, sie kneift sie zu. Bastard, will sie sagen, aber es kommt ihr nicht über die Lippen, nicht einmal, als sie es schafft, ihn von sich zu stoßen. "Ich habe gesagt, ich will nichts von dir."

"Ach, jetzt bin ich wieder das Arschloch?" Tobias steht immer noch unangenehm nah vor ihr. Ihr ist übel. "Was habe ich getan? Du bist doch hierhergekommen? Wozu, wenn du dich nicht ficken lassen willst? Was hast du denn sonst jemals von mir gewollt? Liebe kann es ja nicht gewesen sein, wenn du jetzt -"

überall (nur nicht hier)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt