Das Training war anstrengend, aber auch super erleichternd gewesen. Marisa konnte endlich mal ihren Kopf ausschalten und sich voll und ganz auf ihren Körper konzentrieren und auch irgendwie verlassen. Mit mindestens drei blauen Flecken mehr, betrat sie die Umkleide und die integrierte Dusche im Nebenraum. Sie schälte sich aus ihren verschwitzen Klamotten und stellte die Dusche an. Kaltes Wasser plätscherte auf sie herunter, die Dusche hatte eindeutig schon bessere Tage erlebt.
Zitternd mit einem Handtuch umwickelt, kramte sie in ihrer Tasche nach ihren Wechselklamotten. Ein weiterer Flauschiger Pullover vollendete ihr Outfit bestehend aus einer normalen Jeans und einem einfachen T-Shirt. Ihre verschwitzen Klamotten warf sie zurück in die Tasche und hängte sich diese um. Auf dem Weg nach draußen, checkte sie ihr Handy. Ihre Freundinnen fragten, ob sie am Wochenende Zeit hatte, weil ein Mädelsabend anstand. Bedauerlicherweise musste sie absagen, da sie genau an jenem Wochenende umziehen würde.
Sie steckte ihr Handy wieder weg und ging über den Flur, der Umkleiden und Halle voneinander trennten. In der Halle wank sie jedem verabschiedend zu, der sich rufend von ihr verabschiedete. Sie war ein fest integriertes Mitglied und kannte von so gut wie jedem hier die Lebensgeschichte. Ihr Vater stand bereits mit Matthias im Eingang und die beiden unterhielten sich ernst. Als die beiden Marisa näherkommen sahen, verstummten sie und verhielten sich als hätten sie über etwas geredet, das sie nicht hören sollte.
„So, dann können wir ja los, wo ist Melli?", fragte Sven und blickte sich um. Als hätte sie ihn gehört, kam sie aus Richtung des Büros. Leicht skeptisch schaute Marisa ihren Vater und Matthias an. Irgendwas war hier seltsam.
Zusammen gingen sie los zur Eisdiele, die ganz in der Nähe war. Auf dem Weg dorthin plapperte Melli fröhlich vor sich hin und unterhielt so die ganze Gruppe. „Du warst heute richtig gut.", wandte sie sich an Marisa. „Danke. Ich habe überlegt die kleinen zu trainieren. Denkst du ich könnte die Trainigsstunden übernehmen?", fragte sie. Sie wusste, dass das viel Arbeit machen würde und sie zuverlässig jedes Mal dort sein musste. Außerdem musste sie sich mit den Eltern der Kinder verständigen, sollte einmal eine Stunde ausfallen. Dafür würde sie sich hoffentlich ein klein wenig Geld dazu verdienen können.
Ihr Vater hatte mitgehört und schaute gespannt zu Melli, an der nun die Entscheidung hing. Marisa hatte ihrem Vater noch nichts von ihrer Idee erzählt, da sie sich nocht nicht so sicher war, aber da sie eh immer in der Halle ist und schon bei einigen Stunden zugesehen hatte, sollte das kein Problem sein. Und wie Melli gesagt hatte, sie war gut. Melli schaute zur Matti, der zustimmend nickte. „Na gut, wir versuchen es.", stimmte sie zu und lächelte Marisa an.
„Ich werde dir nächste Woche eine Probestunde geben. Vorher spreche ich aber mit dir ab wie weit die Kleinen sind und du sagst mir was du machen möchtest.", erklärte Melli das Vorgehen. „Alles klar, ich bin ja sowieso übermorgen wieder hier.", freudestrahlend lief Marisa neben den anderen her. „Dann kannst du mich ja auch mal zum Eis essen einladen.", ihr Vater stupste sei mit den Schultern an. Auch er freute sich sichtlich für seine Tochter. „Dazu musst du mich erstmal beim Wettrennen besiegen.", feixte Marisa zurück.
Mittlerweile waren sie an der Eisdiele angekommen und suchten sich einen Tisch mit vier Stühlen. Der Eisdielenbesitzer, Francesco, kam freudestrahlend auf sie zu und begrüßte sie wie alte Freunde, was sie auch waren. Marisa und ihr Vater waren so oft hier, dass sie schon fast zur Familie zählten und auch Melanie und Matthias wurden oft genug mitgeschleppt.
Trotz seines Namens hatte Francesco keinen Akzent, seine Familie hatte einfach nur ein Faible für italienische Vornamen. Jedoch beteuerte er immer wieder, dass sein Urururururgroßvater italienischer Herkunft war. „Hallo Sven, Melanie, Matthias und meine kleine Seniorita.", das zeigte wieder auf, dass er nicht allzu viel Ahnung von seiner angeblichen Herkunft hatte. Er nannte sie so, seitdem sie das erste Mal mit ihrem Vater hierhergekommen war. Marisa verdrehte die Augen und wies ihn daraufhin, dass das spanisch war, auch wie jedes Mal.
Sie bestellten das gleich wie immer und so saßen Marisa einige Minuten später mit einem riesigen Schokoladeneisbecher am Tisch. Trotz des kalten Aprilwetters, Eis ging immer. „Welche Farbe willst du nun für dein Zimmer? Wie sieht dein Zimmer denn überhaupt aus?", Melli war Feuer und Flamme für das Umzugsprojekt und rückte näher an Marisa heran. Sie entsperrte daraufhin ihr Handy und zeigte die Fotos, die sie geschossen hatte.
Ihr Zimmer war nicht allzu groß, aber sie hatte ein Erkerfenster, als Ausgleich dafür, dass ihr neuer Bruder das größere Zimmer bekommen hatte. Von diesem konnte sie super auf den Innenhof schauen, der wunderschön gestaltet war. Die Nachbarn hatten sich viel Mühe gemacht und eine grüne Oase mitten den der Stadt geschaffen. Marisa hatte die Befürchtung, dass es im Winter trostlos aussehen könnte, da alle Bäume und Sträucher ihre Blätter verlieren könnte.
„Ohh, das ist so ein schönes Fenster, da kannst du viel draus machen, hier kannst du doch ein schönes Buchregal hinstellen, wie auf diesen ganzen Tumblrbildern.", schwärmte Melli. Sven musste sich ein Kichern unterdrücken und verwickelte dann Matthias in ein Gespräch über Motorrädern. Marisa hingegen verzog das Gesicht: „Ich glaube für meine drei Bücher würde sich das nicht lohnen." „Stimmt ja, du hältst ja nicht viel vom Lesen. Bring doch mal wieder deine Freundin Charlotte mit, mit ihr kann ich mich so schön über Bücher unterhalten.", Melli schweifte schon wieder vom Thema ab, aber Marisa musste ihr zustimmen, Lotti würde diese Regalidee richtig gut gefallen, sowie Tom, dem männlichen Mitglied ihrer kleinen Gruppe.
„Ja, ich werde sie mitschleppen, auch wenn sie sich mit Händen und Füßen wehren wird in eine muffige stickige Sporthalle zu gehen, wenn es sich eigentlich vermeiden lässt.", kichert sie. Lotti war ein absolutes Faultier und versank am Liebsten in ihren Büchern oder in ihren Gedanken an den Schulschönling Ben. Sie war seit Ewigkeiten in ihn verliebt, schaffte es aber nicht ihn mal anzusprechen. Lotti war das absolute Gegenteil von Marisa, aber vielleicht waren die beiden gerade deswegen so gute Freunde, Gegensätze zogen sich schließlich an.
„Hmm, na gut, wohin geht der Blick von dem Fenster?", fragte Melli absolut in ihrem Element. „In unseren Innenhof, da ist es sehr grün, viele Pflanzen.", beschrieb Marisa mehr schlecht als Recht den himmlischen Ausblick. „Ich würde dir ein Olivgrün empfehlen, es ist wärmer als ein blau und passt gut in die Außenansicht, außerdem könnte das das winterliche grau ein wenig verdrängen. Und grün war doch deine Lieblingsfarbe oder?", fragte Melli. „Ja, rosa finde ich auch gut.", antwortete Marisa. „Nun gut, ich würde ein bis zwei Wände in einem dunklen Olivgrün streichen, du hast viele Fenster, das hilft gegen einen kleinwirkenden Raum und du kannst mit Decken und Kissen rosa Akzente schaffen und das dunkle ein wenig aufzulockern.", beendete Melli ihre Expertenmeinung. Marisa war damit sehr zufrieden und ein wenig freute sie sich auch schon auf ihr neues Zimmer. „Danke Melli.", sie lächelte sie an.
Die beiden Frauen wandten sich den Männern zu und lauschten ein wenig dem Gespräch, bis von Mathias das Wort ‚Freundin' fiel, in Zusammenhang mit ihrem Vater. Verwirrt platzte Marisa mit ihren Gedanken heraus: „Was für eine Freundin?" Ihr Vater schaute sie ertappt an, während Matthias den Kopf einzog. Er hatte sich offensichtlich verplappert. Nachdem Sven sich erholt hatte, gab er Melli und Mathias ein Zeichen mit den Fingern, dass sie Marisa und ihn kurz alleine lassen sollten. „Wieso erzählst du mir nicht, dass du eine Freundin hast? Ich dachte bei dir ist kein Platz für noch eine Person.", wütend popelte Marisa mit ihrem Löffel in dem halb geschmolzenen Eis.
„Ach Ria, ich habe nur nicht den richtigen Zeitpunkt gefunden, jetzt wo ihr umzieht und deine Mutter ihren neuen Freund hat und ihr alle zusammenzieht.", versöhnlich versuchte er auf sie einzureden. „Ich dachte wir erzählen uns alles?", sie fixierte ihren Blick auf ihr Eis. „Marisa, ich bin immer noch dein Vater und es gibt viele Dinge, die ich erst einmal selber regeln muss bis ich sie dir erzähle.", und da spielte er die ich-bin-dein-Vater-und-erwachsen-und-du-noch-ein-Kind-Karte aus. „Weiß Mama davon?", fragte sie stattdessen. „Nein, ich gehöre zwar zu euch, aber ich lebe auch mein eigenes Leben, das musst du verstehen. Aber Monika möchte dich gerne kennenlernen.", ihr Vater seufzte.
„Wie lange wohnt sie denn schon bei dir?", fragte Marisa. „Seit ungefähr 3 Wochen, aber das ist hier auch kein Verhör. Sie ist nun einmal Teil meines Lebens also hör auf so bockig zu gucken.", oh oh, Marisa hatte scheinbar einen wunden Punkt getroffen und ihr Vater wurde wütend. Aber wieso dachte er, dass Marisa eine neue Freundin im Leben ihres Vaters nicht akzeptieren würde? Es verletzte sie einfach, dass anscheinend alle davon wussten nur seine Familie nicht. Sie setzte eine fröhliche Miene auf, um ihren Vater fröhlich zu stimmen. „Ich möchte sie auch gerne mal treffen.", sagte sie freundlich. Schließlich freute sie sich für Sven, denn wieso sollte nur ihre Mutter ein neues Leben beginnen.
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How to survive a patchwork family
Fiksi RemajaMarisa hat die Nase voll - das Zusammenleben mit ihrer Mutter, deren Freund und dessen Sohn läuft nicht so reibungslos wie gedacht. Deshalb flüchtet sie sich in den Sport und versucht so wenig Zeit wie möglich mit ihrem neuen Stiefbruder zu verbrin...