Die Beerdigung

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Der gesamte Unterricht wird eingestellt, alle Prüfungen die stattgefunden hätten, verschoben. Und zum ersten Mal in meiner ganzen Zeit hier in Hogwarts stört es mich nicht. Einige Schüler wurden während der der letzten Tage von ihren Eltern abgeholt die Patil-Zwillinge waren am Morgen nach Dumbledores Tod verschwunden und Zacharias Smith wurde von seinem überheblich wirkenden Vater aus der Schule geleitet. Seamus dagegen weigerte sich glatt, mit seiner Mutter nach Hause zu fahren. Sie hatten eine lautstarke Auseinandersetzung in der Eingangshalle, die damit endete, dass sein Mutter ihm erlaubte, bis nach der Beerdigung zu bleiben.

Unter dem jüngeren Schüler, die das noch nie gesehen hatten, gab es einige Aufregung, als eine pastellblaue Kutsche, so riesig wie ein Haus, gezogen von einem Dutzend gigantischer Palominos, am späten Nachmittag vor der Beerdigung vom Himmel gerauscht kam und am Waldrand landete. Ich habe zusammen mit Ambroise zugesehen, wie eine riesige und hübsche schwarzhaarige Frau mit olivfarbenem Teint die Kutschenstufen hinabstieg und sich in die Arme des wartenden Hagrids warf. Ambroise schnaubte nur verächtlich und wandte sich ab, als mir eine Träne die Wange herunter lief. Sogar Madame Maxima war gekommen um Dumbledore die letzte Ehre zu erweisen.

Harry hatte mir von diesem mysteriösen R.A.B erzählt und ich verbrachte einige Nächte in der Bibliothek. Die Tage verbrachte ich größtenteils mit Ambroise und es war schon riskant genug, überhaupt zu recherchieren. Da muss er nicht noch direkt daneben stehen und gleich alles an Voldemort weiter sagen.

Auch das Rätsel des Halbblut Prinzen ist gelöst. Es hat mich schockiert als ich es mitbekommen habe. Snape kann es einfach nicht sein... aber anscheinend, hat er mehr Talent, als wir alle dachten.

Es ist immer eine neue Qual, mich aus dem Bett zu quälen, mit dem wartenden Ambroise hinunter zum Frühstück zu gehen und die Blicke der neidischen Mädchen zu ertragen.

Sie verstehen nicht, wieso ausgerechnet ich, Streberin von Gryffindor, die gutaussehendsten Jungs wegschnappe. Ich verstehe es, aber es hat kein bisschen mit Liebe zu tun. Der eine hat mit mir gespielt, mich verraten und sich den Todessern angeschlossen. Der andere bewacht mich und sendet jeden auch nur kleinsten Fehltritt an Voldemort weiter, damit er Draco töten kann, den ich immer noch liebe und ich kann nichts dagegen tun.

Vom Ravenclawtisch, an dem ich seit Neustem wegen Ambroise sitze, schaue ich zu den Slytherins. Dort drüben haben Crabbe und Goyle die Köpfe zusammen gesteckt und tuscheln. Obwohl sie riesige Kerle sind, wirken sie doch seltsam einsam, ohne die große, schlanke Gestalt Draco's zwischen ihnen.

Die meisten in der Halle essen nichts, sondern stochern nur in ihrem Essen herum.

Die stellvertretende Schulleiterin erhebt sich plötzlich und sagt mit brechender Stimme: „Es ist nun Zeit, bitte folgt euren Hauslehrern auf das Gelände. Die Gryffindors mir nach."

Harry reagiert nicht und Ginny stößt ihn an, da er mal wieder in seine eigene andere Dimension abgetaucht ist, um der furchtbaren Realität zu entkommen. Sie flüstert ihm etwas ins Ohr, ich kann nicht viel erkennen, da ich neben Ambroise festhocke, der mir in einer tröstend wirken sollender Geste den Arm um die Taille gelegt hat.

Alle erheben sich stumm von ihren Bänken und marschierten hintereinander hinaus. Ich erhasche einen Blick auf Slughorn an der Spitze der Slytherins, er trägt einen prunkvollen, langen, silbern bestickten smaragdgrünen Umhang. Professor Sprout, die Hauslehrerin von Hufflepuff, hat noch nie so proper ausgesehen. Auf dem Hut befindet sich kein einziger Flicken und ihr Gesicht wird von keinen Erdflecken geziert. Und als ich die Eingangshalle mit Ambroise erreiche, sehe ich Madam Pince neben Filch stehen, sie mit dickem schwarzen Schleier, der bis zu ihren Knien fällt, er in einem alten schwarzen Anzug mit Krawatte, der nach Mottenkugeln riecht.

Da heute ein Samstag ist, und wir nicht unsere üblichen Schuluniformen tragen müssen, dürften wir eigentlich mit bunten Freizeit Kleidern zum Essen erscheinen, aber niemand ist heute auffällig gekleidet. Ausgenommen Luna, die der festen Überzeugung ist, dass ein weißer Umhang, die perfekte Farbe der Trauer ist.

Ambroise kam in einem schlichten schwarzen Aufzug zu mir herunter. Schwarzes Hemd, schwarze Hose. Es sieht gut aus. Aber an Draco hätte es viel besser ausgesehen! Flüstert eine Stimme in meinem Kopf.

Die Sonne scheint. Es war ein wunderbarer Sommertag, völlig im Widerspruch zu den Geschehnissen.

Ich spüre die Hand an meiner Hüfte und es stört mich, aber trotzdem folge ich mit Ambroise Professor Flitwick zu dem Platz, wo hunderte von Stühlen aufgestellt sind. In der Mitte verläuft ein Gang, vorne steht ein Marmortisch, auf den alle Stühle ausgerichtet worden sind.

Eine ungewöhnliche Mischung aus Leuten hat sich bereits auf die Hälfte der Stühle niedergelassen. Schäbig, schick, alt und jung.

Die meisten kenne ich nicht, einige allerdings schon, darunter Mitglieder des Phönixordens: Kingsley Shakelbolt, Mad-Eye Moody, Tonks, die ihr Haar wunderbarerweise wieder in einem leuchtendem pink trägt, Remus Lupin, offenbar Hand in Hand mit ihr, Mr.und Mrs. Weasley, Bill von Fleur gestützt und gefolgt von Fred und George, die schwarze Jacketts aus Drachenleder tragen. Dann ist das noch Madame Maxime, die gleich zwei Stühle beansprucht, Tom, der Wirt des Tropfenden Kessels, die wildmähnige Bassistin der Schicksalsschwestern, Ernie Prang, der Chauffeur des Fahrenden Ritters, Madam Malkin vom Kleidergeschäft in der Winkelgasse und einige Leute, die ich nur vom Sehen her kenne. Die Schlossgespenster sind auch da, im hellen Sonnenlicht kaum zu erkennen und nur zu unterscheiden, wenn sie sich bewegen und ätherisch in der flirrenden Luft schimmern.

Harry, Ron und Ginny setzen sich nebeneinander ans Ende einer Stuhlreihe am Seeufer. Ich bin gezwungen mich mit Ambroise in eine der hinteren Reihen zwischen einige Slytherins und Hufflepuffs zu setzten, neben eine zerbrechlich wirkende alte Frau, die ich nur von einem Bild in den Verwandlungsbüchern kenne. Bathilda Bagshot.

Als letztes nahmen nun noch die Lehrer Platz. In einer der vordersten Reihen kann ich den Zaubereiminister, Rufus Scrimgeour sehen. Mit ernstem und würdevollem Gesicht sitzt er aufrecht da.

Und unwillkürlich frage ich mich, ob irgendeiner dieser wichtigen Leute wirklich traurig darüber ist, das Dumbledore tot ist. Doch dann höre ich die Musik, Musik wie aus einer anderen Welt und ich vergesse meine Abneigung gegen das Ministerium, als ich mich nach ihrer Quelle umsehe. Ich bin nicht die einzige. Viele Köpfe drehen sich suchend und ein wenig beunruhigt um.

„Da", flüstert Ambroise mir ins Ohr und seine Locken streichen über meinen Nacken, ich erzittere und weiche leicht zurück. Er dreht mein Kinn in Richtung See.

Und ich sehe sie in dem klaren grünen Wasser, Zentimeter unter der Oberfläche. Ein Chor von Wassermenschen singt in einer eigentümlichen Sprache, die ich nicht verstehe, ihre bleichen Gesichter kräuseln sich und die leicht violetten Haare wogen um sie herum. Die Musik verursacht mir Gänsehaut. Sie spricht ganz deutlich von Verlust, Verzweiflung und Trauer.

Ein kleiner verhutzelter Mann geht nun den Gang zu dem weißen Marmorgrab. Er stellt sich vorne hin und beginnt mit einer Rede. Hin und wieder weht ein Wort zu uns nach hinten, doch durch die weite Entfernung und der immer wehende Wind zerstreuen sich die Worte.

Diese ganze Sache war wunderschön aber auch entsetzlich traurig, als am Schluss Fawkes Dumbledores Phönix anfing zu singen, rannen mir die Tränen über die Wangen. Ich frage mich, wie Harry das alles aufnimmt. Er könnte schon längst zusammen gebrochen sein, aber er sitzt immer noch aufrecht auf seinem Stuhl Ginny dicht bei sich und das einzige, was seine Trauer erkennen lässt, sind seine Augen. Die grünen Augen glänzen, aber nicht so, als würde er gleich anfangen zu weinen, sie glänzen und spiegeln seine Trauer in sich.

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Später geleitete mich Ambroise noch immer mit dem Arm um meine Taille zurück hoch zum Schloss. Als mir die Tränen auf die Knie tropften, hat er mich in eine Umarmung gezogen, wie es jeder normale Freund tun würde, doch das brachte mich nur noch mehr zum weinen. Ich habe es einfach geschehen lassen, ich kann eh nichts dagegen tun. Wenn ich ihn fortstoße, stirbt Draco. Wie oft habe ich mir das schon in Erinnerung gerufen. Und wie oft habe ich mir gewünscht, nichts mehr für ihn zu empfinden...

Ich halte es nicht mehr aus. Man könnte sich jetzt fragen, wie schlimm mag es sein, von jemandem berührt zu werden, für den man nichts empfindet? Es ist nicht schlimm. Es ist einem egal. Man kann es ohne Weiteres aushalten. Aber wie schlimm ist es, wenn man die betroffene Person abgrundtief hasst? Furchtbar.

Loveshadow - Hermine&Draco//Teil I *complete*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt