Tagebuch einer Hure

06.05.2021

Das geht mir hier schon wieder alles maximal auf die Nerven.
Nachdem ich ziemlich fertig von der Schulwoche trotz allem gearbeitet und leider auch ein bisschen zu tief ins Glas geguckt habe, durfte ich dann heute Nacht zu 6 entgangenen Anrufen und 29 neuen Nachrichten aufwachen, in denen ich angemeckert wurde, warum ich nicht weiterarbeiten würde.
Ich denke, sie sehen die Bedeutung der Schule und des Studiums nicht. Sie sehen mich als den kleinen Goldesel, der losläuft und den Männern Batzen ohne Ende aus der Tasche zieht, aber so einfach ist das nicht.
Ich muss lernen und ich will lernen und das. Aliya. Ist nicht der Hauptbestandteil meines Lebens. Auch wenn sie das gern hätten, denn natürlich würden sie mehr verdienen, wenn ich öfter arbeite. Aber das werde ich nicht. Hoffentlich. Lass ich mich nicht wieder überreden, oder, besser, mir ein schlechtes Gewissen aufreden.
Aber das ist eben ne gute Strategie, und ich wurde durchschaut, er weiß, wie mein Kopf funktioniert, und weil ich ihn leider am Anfang viel zu leicht dareingelassen habe, bekomme ich ihn jetzt nicht mehr raus.
Ich weiß nicht mal mehr von den Kunden gestern. Mit dem einen habe ich Kokain gezogen, aber es war schlechtes Koks, denn ich bin danach im Auto eingeschlafen. Keiner von denen hat mich gefickt, aber blasen durfte ich schon wieder viel zu viel.
Ich hoffe, das irgendwann mal ein Kunde kommt, der nett ist und hart fickt.
Und wenn kein Kunde kommt, nehme ich eben meinen Zuhälter. Denn wenn es einen Mann auf dieser Welt gibt, für den es sich lohnt, die ganze Nacht auf Knien zu kriechen, dann für ihn. Sein Geruch, sein Gesicht, seine verdammten Augen und diese wunderschönen Hände und seine Stimme und wie er redet, allein der Gedanke macht mein Höschen nass.
Er hat mich schon zweimal geballert, aber das war beides nicht die Erfüllung, denn wie gut kann ein betrunkener Dreier und ein Quickie auf dem Tankstellenklo sein?
Wenn ich es hochrechne, verbringe ich viel zu viel Zeit damit, über ihn zu tagträumen und mir vorzustellen, ihn zu berühren. Aber gestern Nacht habe ich nur wütende Sprachnachrichten von ihm bekommen, also vermutlich denkt er gar nicht oder gerade nur hasserfüllt an mich.
Es geht mir auf die Nerven, das sie nicht einsehen, dass ich kein Roboter bin, ich schlafen, essen und auch mal allein sein muss, dass ich nicht immer arbeiten kann und vor allem, dass ich ein eigenes Leben führe, in dem weder Aliya noch die beiden enthalten sind.
Es geht mir auch auf die Nerven, das ich mich immer wieder überreden lasse. Was auch immer, mit der richtigen Bearbeitung sage ich im Endeffekt immer ja.
Und es geht mir auf die Nerven, das ich so abhängig von zwei Menschen bin, psychisch und geldtechnisch, dass ich niemals aufhören kann. Ich brauche die beiden, denn ohne sie habe ich niemanden. Auf komische Weise bin ich süchtig nach dem Streit, den wir haben und dem Stress, den sie mir bereiten und den glücklichen Momenten, in denen wir eins sind, ein Team und ich das Gefühl habe, ich bin Teil von etwas Größerem. Das Gefühl habe ich leider lange nicht mehr gehabt, und vermutlich suchen sie schon eine Neue. Ich weiß, dass es eine Zeit gab, in der sie beide danach süchtig waren, mich glücklich zu machen, aber die Zeit ist lange vorbei. Leider, denn damals war ich deren kleine Prinzessin und jetzt streiten wir nur noch.
Mal sehen, wie es heute wird. Nachher muss ich mich dann ja wahrscheinlich erstmal entschuldigen, dass ich ein Mensch bin. Und danach Freier. Mal sehen. Vielleicht höre ich doch noch heute auf.