05.05.2021

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Ich sehe zu, wie ein Zettel aus dem geöffneten Fenster fliegt. Gleitet langsam durch den Wind und driftet ab, bis er aus meiner Sichtweite ist. Vorne reden sie von Verträgen und Praxismanagement. In meiner Flasche ist Tilidin. Ich fühle mich wie im Film. Ich drifte ab, wie der beschriftete Zettel, vielleicht ein schlechter Test, vielleicht eine wichtige Notiz oder ein unerwiderter Liebesbrief.

In Gedanken bin ich überall außer hier. Ich wäre gern woanders. Irgendwo, wo ich allein sein kann, denken kann, fühlen kann. Wenn ich hier eine Sekunde zu lange denke, müsste ich aus dem Zimmer rennen.

Le hat keine Freunde mehr. Gestern Nacht habe ich den einst wichtigsten Menschen meines Lebens verloren.

Aliya muss sich heute Abend wieder für Freier bücken. Ich habe Schmerzen und der Scheiß wird heute keinen Spaß machen. Aber ich will das Geld, damit ich bald frei bin. Wenn ich mir allerdings vorstelle, dass einer dieser kranken Perversen mich doggy wegballert, will ich am liebsten wegrennen.
Diese Männer ekeln mich an. Sie haben unfassbare Ansprüche, dabei sind sie nichts. Viele von ihnen würde ich gerne umlegen und ihnen ins Gesicht treten, bis der Absatz meines Schuhs bricht.
Jedes Mal, wenn ich wieder runterkomme, wünschte ich, J&K würden mich in den Arm nehmen, aber das tun sie nicht. Ich gebe ihnen ihr Geld, unser Geld, und dann drehen sie die Mucke auf und ich trinke mehr Alkohol oder Tilidin oder beides.

Ich lächle in mich rein. Sie lächle ich auch an. Lege den Kopf schräg und sehe ihnen tief in die Augen.
Sie fühlen sich gut.
Fühlen sich zu mir hingezogen.
Fühlen es zwischen uns.
Kribbelige Lust.
Das Verlangen mich zu berühren.
Sie könnten nie wissen, dass ich jedes Mal am liebsten gehen würde. Mich verstecken, in mein Bett schmeißen, das Kissen über den Kopf ziehen und laut schreien.
Stattdessen ziehe ich mich aus.
Setze mich auf ihren Schoß.
Lecke langsam über ihren Hals, hauchzart. Lasse meine Finger in ihre Haare wandern, vergrabe sie darin.

Jetzt gehören sie mir zweifellos.
Für eine heilige Stunde machen wir alles, was ihnen Spaß macht und sie vergöttern mich. Ich würde mich wahrscheinlich auch vergöttern, wenn ich mich ficken würde.
Aliya ist für sie das Beste und Aliya ist wahrhaftig toll. Sie hat Geld. Sie hat Macht und wenn die Männer denken, sie haben das Sagen, dann denken sie leider falsch.
Sie machen genau das, was ich möchte.
Zücken ihr Geld, lassen mich in ihre Wohnung, in ihre Leben, in ihren Kopf. Das gibt mir die Macht, auch wenn ich diejenige auf Knien bin, die pleased, die lutscht, die hart geflankt wird und Sperma in den Mund bekommt.
Aliya ist eine mächtige Frau und die Erfüllung durch ihre Kontrolle überträgt sich auf Le. Durch Aliya ist Le eine erfülltere Person.

Deswegen könnte ich sie, egal wie sehr ich hasse, was sie tun muss, niemals aufgeben. Sie macht Le stärker.

Und doch hat Le ein wenig Angst vor heute Abend. Mal sehen wie es wird, Männer im Hotelzimmer zu empfangen und in demselben Bett zu ficken, in dem ich später schlafen werde.
Mal gucken, ob ich vergessen kann, das sie jetzt weg ist.
Das alle weg sind.
Ich habe sie alle erfolgreich in die Flucht geschlagen und keiner von ihnen kennt überhaupt das dunkelste Geheimnis. Aber vielleicht ist es besser so, bevor ich ihnen weiter weh tue.
Vielleicht ist es besser, wenn ich allein bin. Das ich Einzelgänger bin, weiß ich längst. Jetzt muss ich da eben durch.

Tagebuch einer HureWo Geschichten leben. Entdecke jetzt