Albtraum

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POV Leyla

Völlig durchnässt schreckte ich auf und sah mich verwirrt um. Auch Ben, der an meiner Schulter eingeschlafen sein musste, richtete sich ruckartig auf. »Schatz? Ist alles okay bei dir? Hast du Schmerzen? Du schwitzt ja total!« Ich schüttelte den Kopf und versuchte mich zu sammeln und meinen Traum irgendwie in Worte zu fassen. »Du, Raya. Ihr. Ihr wart am Friedhof. Ich...« Verzweifelt begann ich zu weinen. »Sht Leyla, du hast nur geträumt. Du wirst nicht sterben, okay?« Vorsichtig zog Ben mich in eine feste Umarmung und streichelte meinen Rücken, bis ich wieder etwas zur Ruhe gekommen war. »Ich habe so eine Angst, Ben! Was, wenn ich es nicht schaffe? Raya kann doch nicht jetzt schon ihre Mama verlieren!« Schluchzend vergrub ich meinen Kopf an Bens Schulter. »Das wird sie nicht, Leyla und weißt du auch warum? Weil du stark bist und kämpfen wirst. Außerdem werden wir alle hier auf dich aufpassen. Vor allem ich. Ich werde dich immer unterstützen und nicht zulassen, dass du aufgibst, okay? Du hast schon so viele Kämpfe in deinem Leben gewonnen, da schaffst du das auch. Ich habe eine Riesenangst und verdammt viel Respekt vor dem was kommt, aber wir bekommen das hin, klar?!« Ich nickte vorsichtig und krächzte nur ein »Danke« Es fiel mir schwer, mich auf dieses Martyrium einzulassen. In den meisten Fällen ist es ein Vorteil Medizin studiert zu haben, weil man weiß, was auf einen zukommt, aber dieses Mal... Ich wünschte, ich wüsste nicht was kommt. Allein der Gedanke an all meine Patienten, die erbittert gekämpft und den Kampf dann doch verloren hatten, ließ es mir eiskalt den Rücken herunterlaufen! »Ben? Wann kann ich Raya sehen? Ich vermisse unsere Tochter und hätte sie gerne bei mir.« Ben lächelte leicht. Er sah es wohl als Zeichen der Besserung, dass ich nach Raya fragte, aber eigentlich wollte ich sie nur so lange wie möglich bei mir haben - wer weiß, wie lange ich noch die Möglichkeit dazu hatte.
Ben erzählte ich von diesen Gedanken erst einmal nichts. Er sollte sich nicht noch mehr Sorgen machen müssen. Wenigstens einer von uns sollte noch möglichst unbeschwert leben können - oder zumindest mit weniger Sorgen als nötig. »Du musst diese Nacht leider noch auf der ITS bleiben, aber morgen entscheiden wir, ob wir dich vielleicht schon verlegen können, dann besuchen wir dich, okay?« Zustimmend sah ich meinen Freund an. »Wie erklären wir ihr denn das alles, was jetzt auf uns zukommt. Unsere Kleine versteht doch noch gar nicht, warum sie ihre Mama bald nur noch durch eine Glasscheibe sehen darf, wenn ich Chemo bekomme. Sie soll doch nicht denken, dass ich sie nicht mehr liebe.« »Das sollte jetzt deine geringste Sorge sein, Schatz«, lächelte Ben. »Darum kümmere ich mich, wenn es soweit ist. Du musst dir darüber nicht den Kopf zerbrechen, ja?« Erleichtert sah ich Ben an. Er war wirklich der Beste! Er half mir nicht nur zuversichtlicher in die Zukunft zu blicken, sondern ließ mich meine Sorgen auch für einen Moment vergessen. Ob ich das alles gerade wirklich vergessen hatte oder nur in der vollkommenen Verdrängung lebte, war mir noch selbst nicht klar, aber eins wusste ich sicher: Für meinen Verlobten und meine Kinder würde ich kämpfen und so wenig düstere Gedanken wie möglich zulassen, um niemandem eine Bürde zu sein und trotzdem so viel Spaß wie möglich in meinem vielleicht nur noch knapp begrenzten Leben zu haben!

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