Geplatzte Träume und andere Kleinigkeiten

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Seit geraumer Zeit saß Sakura schon im Musikraum ihrer Schule. Sie musste heute einmal ausnahmsweise nirgends arbeiten und wollte ihre freie Zeit damit nutzen um am Klavier zu üben. Doch heute war definitiv nicht ihr Tag und somit saß sie regungslos am Flügel und betrachtete den Brief, den sie heute Morgen aus dem Briefkasten gefischt hatte. Sie hatte schon seit einer gefühlten Ewigkeit auf diesen Brief gewartet, der ihr zukünftiges Leben bestimmen sollte. Doch jetzt, wo sie ihn hatte, wünschte sie sich nichts sehnlicher als das sie ihn nie erhalten hätte. Mit einmal entnahm dieser Brief den Sinn ihres Daseins und ließ sie unaufhörlich in ein tiefes, schwarzes Loch fallen. Immer wieder las sie die niedergeschriebenen Sätze und nach jedem Wort braute sich noch mehr Wut in ihr zusammen. Sie war wütend auf die Person, die den Brief verfasste. Sie war wütend auf sich selbst, dass sie sich wirklich Hoffnungen gemacht hatte. Sie war sogar wütend auf das Leben, das so spielte, wie es nun einmal spielte. Enttäuscht ließ sie das Stück Papier neben sich fallen. Es hatte keinen Sinn sich weiterhin den Kopf darüber zu zerbrechen. Es sollte einfach nicht sein, daran konnte sie jetzt auch nichts ändern. Sie musste lernen, das zu akzeptieren und damit zu leben. Leben? Was hieß es denn noch zu leben, wenn einem der Sinn gestohlen wurde? Niedergeschlagen fing das hübsche Mädchen an eine Melodie auf dem Klavier zu spielen. Eine Melodie so traurig, wie ihr Leben selbst.

Everybody needs inspiration,
Everybody needs a song
A beautiful melody
When the night's so long

Schmerzerfüllt sang sie diese Worte um ihren Kummer zu lindern und füllte mit ihrer Stimme den leblosen Raum. Sie hatte so viel Leid über sich ergehen lassen, damit sie ihren Traum verwirklichen konnte und doch hatte sie verloren.

'Cause there is no guarantee
That this life is easy...

Sang sie lauter in der Hoffnung diesen Schmerz zu durchbrechen. Tränen der Verzweiflung liefen über ihre Wangen. Sie war immer stark gewesen, weil sie wusste, dass es sich immer lohnte für etwas zu kämpfen, was einem wichtig war. Woher sollte sie denn ahnen, dass dieser Kampf aussichtslos war, dass sie schon verloren hatte bevor sie anfangen konnte zu kämpfen?

Yeah, when my world is falling apart
When there's no light to break up the dark
That's when I, I ...

Sang sie mit letzter Kraft und brach mitten Lied ab, als sie ihr schluchzen nicht mehr unterdrücken konnte und vollkommen in Tränen ausbrach.

„I look at you ..." sprach eine Stimme zu ihr und das Rosahaarige Mädchen drehte sich entsetzt zur Tür. Normalerweise war um diese Uhrzeit nie Jemand mehr im Gebäude. „Du musst doch nicht weinen nur weil du den Text vergessen hast." sprach die Stimme erneut und Sakura versuchte sich die Tränen wegzuwischen, um die Person besser zu erkennen. Niemand geringeres als Shikamaru Nara stand nun unmittelbar vor ihr. Was hatte er hier zu suchen? Es war wirklich der falsche Zeitpunkt, um mit ihr eine Konversation zu halten. „Hey, was machst du hier?" sagte sie noch weinerlich und bereute es im nächsten Moment den Mund aufgemacht zu haben. Es war nicht so, dass sie sich für ihre Tränen schämte aber sie musste ja nicht gleich vor Jedermann ihre Seele offen darlegen. „Ich hatte etwas in meinem Spind vergessen und habe dann das Klavier gehört und war neugierig, wer da spielte." antwortete er dem Mädchen. „Du spielst wirklich gut und hast eine sehr angenehme Stimme, wenn du grad nicht in Tränen zusammen brichst." grinste er sie neckisch an. Unfreiwillig schlug Sakura's Herz schneller. „Das ist nicht lustig!" sprach sie ernsthaft und wischte sich dabei noch die letzten Tränenspuren vom Gesicht. „Warum hast du geweint?" fragte er sie und setzte sich neben ihr. Sakura seufzte. Sie wusste nicht warum, aber irgendwie verspürte sie das Bedürfnis sich ihm mitzuteilen. Vielleicht lag es auch nur daran, dass sie wusste, dass sie sonst niemand mehr fragen würde. Lautlos reichte sie ihm den Brief vom Boden. „Wow! Und deswegen machst du so ein Theater? Ich möchte gerne einmal deine Probleme haben." sprach der Braunhaarige sichtlich beeindruckt. „Ach, du verstehst das nicht!" riss sie ihm das Stück Papier aus der Hand und bereute schon jetzt, dass sie es ihm gezeigt hatte. „Was gibt es da nicht zu verstehen? Du hast eine Zusage von der Notre Dame Akademie für Kunst und Musik. Dir ist schon Bewusst, dass sie in dem Bereich die beste Hochschule in ganz Japan ist. Mit dieser Zusage ist dein Erfolg schon garantiert. Wie hast du das eigentlich geschafft? Die nehmen doch nur die Besten der Besten." sagte der Nara und ließ den Blick nicht von der Rosahaarigen, die traurig auf ihre Hände schaute. Shikamaru war definitiv der falsche Gesprächspartner für dieses Thema. Sie hätte ihm lieber nicht den Brief zeigen sollen. Er würde sie doch nicht verstehen. „Ach, vergiss das!" zwang sie sich zu einem Lächeln und hoffte er würde nicht weiter bohren. „Erklär es mir! So wie du geweint hast, dachte ich, jemand hätte den Löffel abgegeben." Oh Gott, was hatte sie sich da nur eingebrockt. Wo blieb der desinteressierte, gelangweilte Nara, wenn man ihn einmal brauchte? „Ich will Konzertpianistin werden!" sprach die Rosahaarige, da sie keinen besseren Anfang fand um ihm alles zu erklären. „Dann ist die Notre Dame Akademie das Beste, was dir passieren konnte. Wo liegt das Problem?" sprach er geduldig und Sakura musste feststellen, dass ihr Herz sich immer noch nicht beruhigt hatte. Was hatten diese Jungs nur an sich, dass sie alle Mädchen aus der Fassung brachten? Nett waren sie ja noch unwiderstehlicher als sonst. Sie vermisste schon jetzt den alten, meckernden Shikamaru. „Um Konzertpianistin zu werden, hatte ich mich an der Konoha High um ein Stipendium beworben. Ich wusste, um auf die Notre Dame Akademie gehen zu können, musste ich an einer renommierten Schule meinen Abschluss machen. Diese Leute da achten nicht nur auf Talent sondern auch auf hervorragende Noten in sämtlichen Fächern. Im Gegensatz zu euch anderen stamme ich nicht aus einem reichen Elternhaus." versuchte die Rosahaarige ihm zu erklären ohne viel über sich preiszugeben. Sie musste ja Shikamaru nicht gleich ihre Lebensgeschichte erzählen. „Dachte ich mir schon, dass du die ganzen Jobs nicht aus Spaß machst. Aber na und, dann bist du halt nicht reich. Du hast trotzdem eine Zusage bekommen und andere können nur davon träumen. Mit Geld kommt man im Leben nicht immer weiter." sprach der Braunhaarige ehrlich. Reich hin oder her, das Leben drehte sich nicht immer nur um Geld. Das kann auch nur Jemand sagen, der davon mehr als genug hatte. „Das ich so etwas einmal von Jemanden wie dir höre." sprach sie sarkastisch und fing sich damit einen bösen Blick ein. „Das war nicht so gemeint, Sorry." entschuldigte sie sich schnell, als sie bemerkt hatte, dass sie ziemlich zickig klang. Shikamaru war der letzte, der etwas an ihrer Situation konnte. Er versuchte nur nett zu sein. Sie sollte lieber dankbar sein, dass er ihr zuhörte! „Auch wenn das jetzt doof klingt, aber ich bin wirklich davon überzeugt, dass ich Talent habe." fing die Rosahaarige noch einmal von vorne an und wollte dem Nara eine Chance geben sie zu verstehen. „Da ist ja Jemand ganz bescheiden." fügte der Braunhaarige sarkastisch hinzu. Ok, das hatte sie verdient. Sie war ja auch nicht gerade nett zu ihm. „Ich werde den Platz nicht annehmen können." sagte Sakura total aus dem Kontext. Warum redete sie so sehr um den heißen Brei? Sie musste sich früher oder später der Wahrheit gegenüber stellen und zugeben, dass ihr Traum, wie eine Seifenblase geplatzt war. Wie hieß es doch so schön, man konnte im Leben nicht alles haben. „Warum?" hörte sie Shikamaru's Stimme sie aus ihrem Gedanken holen. „Ich muss eine Anmeldegebühr von 1.370.000 Yen (entspricht 10.000 Euro) überweisen und auch wenn ich dieses Geld hätte, würde es keinen Sinn machen das Studium anzufangen. Ich müsste einen Semesterbeitrag von 411.000 Yen (entspricht 3.000 Euro) zahlen können und das 8 Semester lang. Ich will gar nicht darüber nachdenken, welche Kosten noch auf mich zukommen würden." gab die Rosahaarige zu und konnte den traurigen Unterton in ihrer Stimme nicht verbergen. Sie hatte so hart für ihren Traum gekämpft. Stets ließ sie alles über sich ergehen nur mit dem einen Ziel irgendwann in naher Zukunft ihren Traum verwirklichen zu können. Sie hatte nie aufgehört an sich zu arbeiten und schrieb ohne Ausnahme in allen Fächern die besten Noten. Auch wenn ihr Stiefvater ein mieses Schwein war, blieb sie bei ihm, um nicht in die Obhut des Jugendamts zu kommen und sich deren Regeln unterwerfen zu müssen. Egal, wie hart sie das Leben bestrafte, sie verlor nie ihr Ziel vor Augen. Dieses Ziel, welches sie jetzt niemals erreichen würde.

Das Lied hinter dem Song - Ein Gedicht der wahren LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt