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Lady L und ich setzten uns auf das Sofa. Wir zogen die Schuhe aus und stellten beide unseren Tonil ab. Ich hatte keine Lust auf das süße, prickelnde und ziemlich kalte Getränk.

Als auch Lady L nickte, schenkte ich uns beiden von dem dampfenden Tee ein.

„Nimm dir auch noch ein paar Kekse, Arya.  Du weißt, ich glaube ein paar Kilo mehr stünden dir gut.", seufzend nickend reichte ich ihr eine Tasse Tee und nahm die Schale an mich.

Danach wickelte ich mich in die Decke, kuschelte mich ein und lehnte mich zurück.

In diesem Moment tauchte Tatjana in der Tür auf. Sie knickste anmutig. " Mutter."

Dann eilte sie zu mir. Sie trug eine gemütliches Wollkleid und Kuschelsocken. Meine Haarnadeln piksten und ziepten schon den ganzen Abend und mein wunderschönes, aber absolut unpraktisches Kleid sorgte nicht dafür, dass ich Jana weniger um ihren Aufzug beneidete. Ich zog sie in meine Arme und sie kuschelte sich an mich.

Für einige Herzschläge blieb es volkommen still. Ich sah zu Lady L die erschöpft aussah.

Das wunderte mich nicht. Der Tag war lang gewesen und ich glaubte das ihr dieser Idiot von Stadtteilbesitzer ziemlich Druck machte. Weshalb wusste ich nicht, aber es musste sie ziemlich belasten.

Sie nippte an ihrem Tee und wandte ihr Gesicht in unsere Richtung. 

" Hallo Tatjana. Wie war dein Tag?"

In diesen seltenen Momenten in denen Lady L freundlich zu Tatjana war, in denen ihre Liebe zu ihrer Tochter durchschimmerte und alles irgendwie weich gezeichnet war,  konnte ich vergessen das Lady L eine grausame Frau war. Eine die ihre Tochter in der Öffentlichkeit verleugnete. Nur, weil sie aufgrund eines Herzfehlers schmächtig und klein war, weil sie nicht gut sprechen konnte. Sie sprach langsam und nicht besonders viel. Die Ärzte hatten einen Schock- und Schutz-Mechanismus vermutet, als sie nach Simons Tod sogar lange geschwiegen hatte. Ich behauptete, dass sie einfach so war. Tatjana schwieg viel. Sie hörte lieber zu. Sie war sowieso ein unglaublich ausdrucksstarker Mensch. Man konnte ihr deutlich im Gesicht ablesen wie es ihr ging. 

Als sie solange geschwiegen hatte, hatte ich ihr irgendwann Gebärdensprache beigebracht und wir hatten nur noch auf diese Weise kommuniziert. Als Lady L das herausgefunden hatte war sie unglaublich wütend geworden. Sie hatte vollkommen die Fassung verloren und eine Lady L die die Fassung verlor war das Furchterregendste ,das ich mir vorstellen konnte. Sie hatte gedroht mich hinauszuwerfen, wenn ich Tatjana weiterhin solche Flausen in den Kopf setzte. Ihre Wut war aber am Ende jedoch nützlich gewesen. Denn als Lady L davon sprach mich wieder auf die Straße zu schicken, hatte Tatjana ihre Stimme wiedergefunden. Sie hatte nur ein Wort gesagt.      " Nein." , dann hatte sie mich am Arm gezogen und war mit mir in ihrem Schlafzimmer verschwunden. Seitdem hatte Lady L nichts mehr in diese Richtung gesagt und wir benutzten die Zeichensprache regelmäßig. 

Diesen Liebesbeweis hatte ich Tatjana nie vergessen und ich versuchte mich jeden Tag ihrer Liebe würdig zu erweisen. Ich strich Tatjana über das Haar, lauschte ihren leisen Worten mit denen sie Lady L berichtete, wie es ihr ging und knabberte auf einem Keks. Eine große Welle an Zärtlichkeit und Zuneigung durchfloss mich und mir wurde warm ums Herz. In diesem Moment sah sie mich an. " Ich möchte keine Kekskrümel im Haar haben, Ary." Sie kürzte meinen Namen mit einer liebevollen Geste ab und ich verbarg mein Lächeln, weil ich schuldbewusst  nur noch über der Schüssel kaute. Ich bot ihr einen Keks an, doch sie schüttelte den Kopf. Lady L, die uns stumm zugesehen hatte, richtete sich jetzt an mich.

„Du hast mich heute stolz gemacht Liebling"

Ich spannte mich ein bisschen an, aber als Tatjana sich beruhigend noch näher an mich kuschelte, entspannte ich mich wieder. Ich wusste, dass es ihr nichts ausmacht,  wenn Lady L mich so nannte, aber mir war es immer ein bisschen unangenehm wenn sie das vor Jana tat.

„Natürlich habt ihr viel zu lange geredet, aber das ist völlig in Ordnung. Ihr seid jung und jeder konnte sehen, dass ihr anständig wart. Ich heiße das nicht gut. Natürlich hast du gegen Regeln verstoßen und warst unschicklich, aber Thorsten liegt dir wirklich zu Füßen. Er ist ja vor lauter Verzückung fast über seine eigenen Füße gefallen."

Langsam stieg in mir der Verdacht hoch, dass Lady L ein wenig viel getrunken hatte. Sonst würde sie nie so reden, aber da sie offensichtlich nicht betrunken war und es ihr gut ging, störte mich ihre bessere Laune absolut nicht.

Ich nickte fröhlich. Ja es lief gut.
Und das stimmte der Abend hatte Spaß gemacht. Erstaunlicherweise. Trotzdem wusste ich nicht, wie es weitergehen sollte. Thorsten? Wirklich? Ich fühlte mich so alt. Als wäre mein Leben quasi vorbei, dabei sollte es gerade erst so richtig beginnen. Ich fühlte mich irgendwie als wäre ich in einer Sackgasse.

Ein Gutes hatte der Abend aber. Es war noch ziemlich früh und Lady L eindeutig angeschickert. Genau die richtige Zeit für einen kleinen Ausflug. Ich hatte es den Kiddies versprochen..

„Ich danke dir für dein Lob Mutter. Wenn du erlaubst würde ich mich nun zurück ziehen."

Sie runzelte kurz die Stirn, nickte aber dann und winkte  uns hoheitsvoll davon. "Natürlich Liebling. Macht euch beide auf. Morgen wird ein langer Tag und ich erwarte Bestleistungen."

Ich stellte die Kekse ab, streifte mir meine Schuhe an und knickste, zusammen mit Jana ein letztes Mal beim hinausgehen. „Gute Nacht Mutter." Wir liefen schweigend den Gang entlang. Nick der vor der Tür gewartet hatte, stieß zu uns. Er lächelte und verbeugte sich besonders formvollendet vor Jana. Ich schnaubte beleidigt ob seiner Ignoranz mir gegenüber.

„Wie geht es ihnen Lady Sarachenkova?"

Ich hatte zu meinem Ärger nie herausgefunden, weshalb Nick Jana so respektvoll, ja fast ehrfürchtig behandelte. Die beiden verband irgendwas, aber sie schwiegen wie ein Grab.

„Danke Nick. Sehr gut. Wie geht es dir?" Er strahlte wie der verfickte Nordstern als sie ihn das fragte.

„Vielen Dank, sehr gut Lady. Es erfreut mich sie zu sehen."

Daraufhin lächelte sie niedlich und schwieg.

„Sag mal Nick..." , „Ja Kleines?", plapperte mir Nick einfach dazwischen.

„Ist dir bewusst, dass ich auch eine Sarachenkova bin?" Er grinste nur und ahnte wohl wohin das ging. " Wie kommt es, dass du dich nie vor mir verbeugst? Und weshalb nennst du sie Lady und mich Kleines?", Jana und Nick prusteten beide los und Nick schlang seine Arme um mich.

" Lass deine Pranken von mir!", entrüstete ich mich und zappelte in seiner Umarmung.

Nick lachte laut und sagte: „Siehst du deshalb. Wie soll ich so ein niedliches, kleines Ding wie dich ernst nehmen."

Er setzte mich ab und ich pustete mir halb wütend, halb belustigt eine Strähne aus meiner Frisur. Während Nick (und Jana die Verräterin!) mich auslachten. Egal, wie bombenfest Marlia meine Frisur gemacht hatte, einem Überfall von Nick hielt sie nicht stand.

Inzwischen waren wir vor meiner Zimmertür angekommen. Nick verbeugte sich vor Jana und nahm mich in die Arme. " Gute Nacht Ladys." Bei diesen Worten zwinkerte er mir zu, bevor er sich umdrehte und den Wachen im Flur letzte Anweisungen gab. Es waren Kasim und Luna. Zwei junge, jedoch sehr freundliche Soldaten. Sie waren Geschwister und ich hatte sie schon Kämpfen sehen. Sie hatten sich ihre hohen Stellungen, Teil der engsten Wachen der Ladyschaften, wirklich verdient. " Es sind noch Gäste auf dem Fest. Ihr werdet heute also besonders aufmerksam sein. Vergesst jedoch nicht, dass jeder einzelne von den Gästen über euch steht. Behandelt also Blaublüter mit besonderem Respekt. Zögert jedoch nicht, falls euch etwas, oder jemand, verdächtig vorkommt. Ich verlasse mich auf euch." Unter Nicks Worten wuchsen die beiden ein paar Zentimeter und nickten ernst. Nick war eine Legende in unserem Stadtteil und für die beiden musste ein Traum in Erfüllung gehen. Sie drehten sich in unsere Richtung und verbeugten sich synchron. " Lady Tatjana, Lady Arya." Wir nahmen ihren Gruß zur Kenntnis und verschwanden in meinem Zimmer. Während Nick eine Tür weiter in sein Zimmer ging. Luna und Kasim waren Teil des engeren Kreises und wussten somit, dass ich nicht Lady L's Tochter war. Sie hielten mich für eine eingereiste Cousine, die seit dem Tod ihrer Eltern von der gutherzigen Lady L betreut wurde. Sie dachten Tatjana interessiere sich nicht für öffentliche Angelegenheiten, deswegen würde ich diese Rolle übernehmen und Lady L stets an ihrer Stelle begleiten. Und deshalb dürfte niemand jemals erfahren, dass Tatjana existierte.

Na schwirrt euch schon der Kopf vor lauter Lügen? Dann versteht ihr vielleicht was für ein ungeheuerliches und gefährliches Lügennetz Lady L aufgebaut hat.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 09, 2021 ⏰

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