Chapter 1

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Und heute ist der erste Tag in diesem Jahr an dem ich wieder in die Schule muss. Freuen tu ich mich nicht, I mean wer würde denn schon in einer Klasse voller feministischer Linken Freigeister sein wollen. Ich bin doch nicht schwul.

Zum Glück bin ich mit meinem Bro in einer Gruppe. Angekommen in der Klasse, erkenne ich ein paar Leute, auf die ich schonmal gar keinen Bock habe. Zum Beispiel Oskar, Mia und Nell. Aber wie bereits erwähnt ist mein Bro Mikail dabei. Wir setzen uns nebeneinander, oder wie man das nennen soll.

Mikail hat sich verändert. Er ist größer geworden, seine Stimme tiefer und seine Jawline ist betonter. Für einen Schüler sieht er schon verdammt reif aus. Wäre ich Schwul.

Wir sind über die Zeit, während wir zuhause waren ein gutes Stück gewachsen, und auch wesentlich reifer geworden. Reifer als die anderen Kleinkinder in der Klasse, deren Humor noch sonst wo stecken geblieben ist.

Immer wenn ich nach rechts schaue, sehe ich das konzentrierte Gesicht von Mikail, wie er die Augenbrauen leicht zusammenzieht und das Kinn auf seinem Stift abstützt. Seine braunen Haare fallen ihm dabei leicht und sanft auf die Stirn. Das Sonnenlicht, welches durch die Regenwolken linst, erleuchtet seine dunkelbraunen Augen, welche dadurch schon fast golden wirken. Ich drehe mich dann immer schnell wieder weg, weil es sonst unangenehm werden könnte.

Endlich ist Pause, länger hätte ich es nicht ausgehalten. Nur wie es sein muss, versperrt unsere Klassenälteste, Nell uns den Weg, da sie etwas mit nem anderen aus der Klasse bespricht. Ich stupse ihr im regelmäßigen Abstand an den Rucksack, was ihr so gar nicht gefällt und sich ruckartig umdreht, um mir zu sagen, ich solle das lassen. Mikail schaut mich belustig an, während Nell sich wieder wegdreht. Ich merke seinen Blick auf meinen und mir wird plötzlich ganz warm. Ich drehe mich schnell weg, um noch etwas zu holen. Was ich holen will weiß ich nicht, aber ich finde schon was.

Mikail und ich gehen dann raus, um unsere Masken abnehmen zu können, und was essen zu können. Es war alles noch ganz chilling, bis Mikail seine AirPods auspackt und mir einen anbietet. Ich war verwirrt, was sollte ich damit? "Nimm, wir hören jetzt zusammen Musik." Verwirrt nehme ich den AirPod an, und setze ihn in mein rechtes Ohr. Ich hoffe der ist sauber, ist sonst nicht so angenehm. Mikail macht 'in meinem Benz' von AK AUSSERKONTROLLE an. Auf die Musik kann ich mich allerdings nicht konzentrieren, denn mir hängt immer noch seine tiefe Stimme im Kopf rum. Sie ist ein bisschen raspelig, so wie Schleifpapier.

Wir spielen gerade auf unseren Handys rum, als unser Mathelehrer reinkommt. Beschweren kann er sich da eher weniger, weil wir zum Lösen unserer Aufgaben unsere 'mobilen Endgeräte' verwenden dürfen. Normalerweise schicken wir uns gegenseitig Tik Toks, die wir beide lustig finden, aber diesmal führen wir einen seltsamen Textverlauf

Maschine 🦾🥶😈
Bro was ist das, die Männer halten Händchen😬

Ich
Echt? Ist mir nicht aufgefallen🤢

Maschine🦾🥶😈
Muss nicht sein.

——

Ich drehe mich nach links und sehe ihn nervös auf sein Handy starren. Hat er schiss, das er durch ein Video Schwul wird? So schlimm ist das jetzt auch nicht... Danach schreiben wir nicht mehr weiter. Generell sind unsere Chatverläufe eher wortkarg. Eine schickt irgendeinen Meme oder ein Video, die andere Person antwortet kurz darauf, und gut ist. Themen haben wir nie wirklich. Brauchen wir auch nicht, denn wir treffen uns eigentlich nur in der Schule, und da gibt es genug Gesprächsstoff.

Der Rest des Tages verläuft ganz gechillt, abgesehen von den Plagegeistern, die auch noch im Klassenraum sitzen.
Abends liege ich in meinem Bett und höre 'in meinem Benz' noch einmal und frage mich, was mit mir los ist.
Warum fielen mir heute so viele Dinge an ihm auf, die mir sonst nie aufgefallen sind?
Vielleicht bin ich ja einfach nur ein bisschen eingerostet, und hatte kein Bild von ihm im Kopf, weswegen mir erstmal so viele Sachen aufgefallen sind.
Vor allem wundert mich die derart abgeneigte Haltung gegenüber Homos. Ich meine, er macht ja selber jokes darüber. Und warum ist mir nicht aufgefallen, das die Dudes Händchen gehalten haben? Also, mir ist es dann schon aufgefallen, aber ich habe es nicht beachtet.

Ich verstehe das nicht, ich muss echt einen an der Waffel haben.
Bin ich so ein Softie geworden? Nach ich jetzt ernsthaft irgendeine Lullimusik an und träume vor mich hin? Ich bin doch kein Mädchen.

Ich setze mich an meinen Rechner und scrolle ein bisschen durch die Medien. Dabei fällt mir auf, dass das Thema Homosexualität immer mehr normalisiert wird, dabei ist das doch seltsam, wenn ein Mann und ein Mann rumbumsen. Es geht doch nur bei Mann und Frau, weil das so natürlicherweise geschaffen wurde. Von Insta und YouTube wechsle ich nun zu Fortnite, mit dem Entschluss eine kurze Runde zu spielen.

...

Aus einer Runde Fortnite wurden dann doch mehr. So viele, dass ich auf die Uhr schaute und wie n Hirnamputierter statt 12:05 21:50 Uhr gelesen habe.

Die Nacht wurde immer länger, und der Abstand zwischen dem Blinzeln immer kürzer. Irgendwann legte ich mit komplett leer wieder in mein Bett und starrte an die Decke. Das einzige, was mir jetzt noch durch den Kopf ging, war der Songtext des Liedes 'in meinem Benz'.

17 DaysWo Geschichten leben. Entdecke jetzt