Kapitel 6.

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Nora Pov

Ich saß schweratmend auf dem Badewannenrand. Mein Herz raste. Ich hatte mich so beeilt hier rein zu rennen und die Tür zu verschließen, damit er mich nicht erwischte. Oh man ich muss dringend meine Ausdauer trainieren. Wer war der Junge? Was hatte ich mit ihm zu tun? Was mich vor allem wunderte ist, dass er kaum älter war als ich. So sah er zumindest aus.

Nachdem ich mich beruhigt hatte, ging ich zum Waschbecken. Mein ganzes Gesicht war dreckig und verschmiert. Ich drehte den Wasserhahn auf und ließ das warme Wasser auf meine Hände fließen. Es fühlte sich so gut an. Einige Sekunden stand ich so da. Das Wasser auf meiner Haut zu spüren tat so gut. Mein Hals war trocken. Vor allem nach meiner Super-Sprint-Aktion.

Ich beugte mich zum Wasserhahn, um daraus ein paar Schlücke zu trinken. Oh man das war gut. Ich trank so viel und schnell, dass ich kurz aufstoßen musste. Dann begann ich mir die Schminke aus dem Gesicht zu waschen. Ich sah fürchterlich aus.  Meine Lippen waren trocken und eingerissen. Meine Augenringe dunkel und meine Augen glasig.

Plötzlich klopfte es an der Tür. Ich hörte auf in den Spiegel zu gucken und starrte die Tür an. Mein Blick auf die Klinke gerichtet. Ich weiß nicht wieso, aber ich stellte mir vor, wie sie runter gedrückt würde und jemand eintrat. Ich hoffte es passierte nicht. Schnell ging ich zur Tür um noch einmal zu kontrollieren, ob sie auch wirklich verschlossen war.  Zum Glück war sie es.

Tatsächlich, jemand versuchte die Tür zu öffnen. Aber sie ging nicht auf. i
Ich war in Sicherheit. Erst mal jedenfalls. So gut es ging.

"Nora? Geht es dir gut?", fragte die Person mich besorgt.

Was? Woher kannte er meinen Namen? Er tat so, als würden wir uns kennen. So vertraut. Ich versuchte mich an sein Gesicht zu erinnern, aber es sagte mir gar nichts. Mir war immer noch leicht übel. Meine Aktion kostete mich auch viel Kraft. Er war gut aussehend, keine Frage aber er sagte mir nichts.
Ich traute mich gar nicht zu antworten. Ich wollte einfach nur hier raus und nach Hause. Nach Hause zu meiner Familie. Wer hätte gedacht, dass mir die streitereien meiner Familie einmal lieber waren, als alles andere. Ich hoffte er verschwand, damit ich abhauen konnte. Doch wohin? Und wie?

Sobald ich das Badezimmer verlassen würde, würde der Junge mich bestimmt wieder einfangen. Immerhinn wusste ich ja nicht einmal wo ich war und er kannte sich mit Sicherheit hier aus. Soweit ich wusste, ist hier auch alles an Fenster und Türen verriegelt. Ich musste vorsichtig sein. Nichts zu überstürzen. Die Flucht gut planen. Mein Leben hing wahrscheinlich davon ab. Schließlich wusste ich nicht, was er vor hatte. Mit mir vor hatte.

"Hallo? Bitte komm raus, ich möchte dir nichts tun. Ich habe keine bösen Absichten.",  sprach er erneut zu mir.

Keine bösen Absichten? Keine bösen Absichten? Er hatte mich entführt! Er hatte mich aus meinem Leben gerissen. Mir meine Freunde und Familie genommen. Was ist, wenn ich sie nie wieder sehen würde? Wenn ich hier nie wieder raus kommen würde?

Bei dem Gedanken fing mein Körper an zu zittern.

"Wer bist du und was möchtest du von mir?", fragte ich ihn vorsichtig.

"Mein Name ist Jonas. Du wirst dich an mich nicht mehr erinnern. Wir haben uns schon einmal getroffen.

..

Bitte mach die Tür auf. Du hast bestimmt hunger, ich erkläre dir alles beim Essen."

Jonas? Der Name war mir fremd. Ich kannte keinen Jungen Namens Jonas.
Außerdem, was dachte er? Dass ich hier einfach schutzlos rauskäme und mit ihm gemeinsam ein Picknick machen würde? Was war mit ihm, dass er so leichtsinnig war?

Ich blieb im Badezimmer auf dem Wannenrand sitzen. Natürlich hatte ich hunger, aber niemals würde ich da jetzt rausspazieren.
Zum Glück habe ich hier wenigstens Wasser. Auf beides könnte ich nicht verzichten. So konnte ich wenigstens meinen Durst stillen. In Gedanken ging ich alle Leute durch, die ich schon mal getroffen hatte. Ich versuchte krampfhaft heraus zu finden, wer er war und von wo wir uns angeblich kannten. Er kannte mich, also musste er mich von irgendwo kennen. Hatten wir uns schon mal unterhalten? Ich erinnere mich einfach nicht. Er war mir fremd.

Irgendwann merkte ich, wie mir langsam schwarz vor Augen wurde. Das Nachdenken machte mich müde, außerdem hatte ich bestimmt noch etwas von dem Betäubungsmittel in mir. Ich versuchte wach zu bleiben. Ich wollte hier nicht schutzlos und verwundbar sein.  Welche Garantie hatte ich denn, dass er nicht doch irgendwie hier rein kommen würde? Er hatte bestimmt noch einen Zweitschlüssel. Er sah aus, als könnte er problemlos eine Tür eintreten. Was würde ihn davon abhalten? Und wenn ich dann noch schlafen würde, hätte er leichtes Spiel mich umzubringen.

Ich stand auf und ging im Badezimmer auf und ab. Ich spritze mir kaltes Wasser in mein Gesicht, damit ich wach blieb. Ich durfte einfach nicht einschlafen.

Jonas Pov

Was sollte ich jetzt nur tun? Sie kam nicht aus dem Badezimmer raus. Selbst wenn sie raus kommen würde, was sollte ich ihr erzählen?

"Hallo, du hast mich angelächelt, als ich Gitarre gespielt habe und habe dich entführt, damit ich das Lächeln jeden Tag sehen kann."

Oh man ich war wahrscheinlich wirklich ein Psychopath.  Ich musste mir schleunigst etwas einfallen lassen. Ich wollte sie schließlich auch nicht verschrecken. Sie sollte keine Angst haben. Aber wie nimmt man jemanden die Angst, den man soeben entführt hatte?

Wie konnte ich Nora zeigen, dass ich ein guter Mensch bin und sie mir vertrauen konnte? Eine knifflige Frage. Auf jeden Fall sollte ich ihr Zeit geben. Ich darf sie nicht bedrängen.

Ich stand mit der Schulter an die Wand vom Badezimmer gelehnt. Ich hoffte darauf, dass Nora rauskommen würde. Dass sie rauskäme und mit mir etwas essen würde. Dabei würde ich ihr all ihre Fragen beantworten. Auch wenn ich nicht so richtig wüsste wie. Ich hab ja selber nicht mal wirklich Anworten auf alles.  

Wieso tat ich das? Genau das? Warum konnte ich sie nicht einfach ansprechen und ihr so näher kommen? Das wäre zumindest weniger strafbar gewesen. Wie habe ich mir das alles vorgestellt?

Im Nachhinein fand ich meine Tat auch irgendwie kindisch. Ich habe ein Mädchen entführt, damit wir zusammenleben konnten. Glücklich.

Ich war so dumm. Mein Plan war doch nicht so gut überlegt, wie ich dachte. Es war aber auch schwer zu planen. Gerade weil man nicht weiß, wie eine Person reagieren würde. Erst in solchen Situationen kommt der Mensch aus sich heraus. Der Überlebenswille kommt zum vorschein. Der Mensch wird vorsichtiger. Etwas, was ich nicht eingeplant hatte.

Auf jeden Fall musste ich irgendwie dafür sorgen, dass Nora etwas aß. Gerade weil ihr Kreislauf ziemlich im Eimer sein müsste. Ich wollte nicht, dass sie umkippte. Bloß, wie brachte ich sie dazu? Ich konnte ja schlecht rein stürmen und ihr einen Löffel Suppe in den Mund stecken. Sie sollte es am liebsten freiwillig tun. Mit mir essen.

Jetzt aber erst mal heißt es wieder warten und Geduld haben.

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