Kapitel 12 - Das Winterturnier(2) (kurzes Kapitel)

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Gelangweilt starrte Lysander in die Arena. Castiels Kampf war noch nicht angekündigt worden, und die anderen Wettkämpfer schienen das Turnier entweder zu ernst, gar nicht ernst oder auf die leichte Schulter zu nehmen, da bis her nicht viel passiert war. Auch auf den anderen Sitzbänken wurde das Grummeln immer lauter und viele hatten keine Lust mehr, stumm dazusitzen und zuzusehen. Lysander hatte eine Idee, wusste aber nicht, was sein Vater davon halten würde. Also verzog er sich erstmal hinter die Zelte der Kämpfer. Bei Castiels Zelt angekommen, sah er eine dunkle Gestalt sich dem Eingang desselben Zeltes nähern. Ohne Nachzudenken stürzte er hinterher; leise natürlich; und sah durch den Spalt der offenen Plane, wie die Umhangperson einen Dolch über seinem schlafenden Bruder gezückt hatte, bereit, zuzustechen. "Halt!", rief der Schwarzhaarige; seine Augen glühten orange in der Dunkelheit des Zeltes. Feuer schoss aus seiner rechten Hand und schmolz die metallene Waffe des Angreifers. "Was zum-", gab die Person von sich, bevor sie ihre Aufmerksamkeit vollends auf Lysander richtete. 

Die beiden standen sich gegenüber. Zwei Augenpaare, zwei gezückte Waffen, zwei Personen, die sich umbringen wollten. Auch Castiel war wach geworden, bei dem Lärm, der verursacht wurde. "Na los, raus mit der Sprache! Warum wolltest du meinen Bruder und Thronfolger dieses Königreiches ermorden?", fragte Lysander mit einer eiskalten Stimme. Die angesprochene Person zuckte nur mit den Schultern: "War ein Auftrag. Mir wurd viel Geld versprochen, wenn ich's tu." Lysander schnaubte ungläubig. Für Geld machte der Abschaum der Unterschicht wirklich alles. Dann bemerkte er ein Symbol auf dem Umhang. Ein schwarzer; gehörnter Helm. Und plötzlich fügten sich die Puzzleteile zusammen, die bis dato noch ein einziges Chaos gewesen waren. Die Armee des Schattenfürsten inklusive ihrem Anführer wollten sie schwächen. Die beiden Angriffe sowohl auf die Akademie wie auch auf seinen Bruder zeigten das eindeutig. Sie wollten die wichtigsten Kämpfer des Reiches auslöschen, um so heimlich, still und leise die Überhand zu gewinnen, um die Regierung von Volcan, die Königsfamilie, zu stürzen, und das gesamte Königreich zu besetzen. "Ein Attentäter des Schattenfürsten! Wie konntest nur hier reinkommen, ohne von den königlichen Gardisten herausgefischt zu werden?" Sogenannter Attentäter lachte nur. Dann, von einer Sekunde auf die andere, war er vor dem Prinzen und hatte ihn fest im Griff. "Wenn ich den älteren Prinzen schon nicht bekomme, dann nehme ich halt dich mit." Ein fester Schlag ließ Lysander schließlich ohnmächtig werden. Die Gestalt nahm ihn über die Schulter, drückte sich auf das like Handgelenk und löste sich in Luft auf. 

Castiel rannte. Er musste allen, jedem einzelnen erzählen, was er gesehen hatte. Auch die seltsame Kraft seines Bruders war ihm nicht entgangen. Das konnte er aber auf später verschieben. "Und nun betritt die Arena...Castiel Tiberius!", kündigte der Kampfrichter an. Unter tosendem Applaus betrat der eben genannte die Kampfzone, doch nicht so, wie alle es erwartet hatten. Er atmete schnell und flach, stützte seine Hände auf seinen Knien ab und schnaufte durch. Dann erhob er seine Stimme. "Hört alle her! Ich glaube nicht, dass wir dieses Turnier fortfahren können!" Getuschel und Geflüster füllten die Ränge, bis der Kronprinz wieder anfing, zu reden. "Mein kleiner Bruder, Prinz Lysander, mein Nachfolger...", er machte eine lange Pause, "wurde von einem Attentäter des Schattenfürsten, der ausgesandt wurde, um mich umzubringen, als Geisel genommen. Er hat verhindert, dass ich getötet werde, doch ich konnte ihn nicht retten."

Alle anwesenden verstummten. Die königliche Familie berief eine Versammlung aller Generäle und Clanoberhäupter zusammen und Castiel verbrachte den Tag beim Kartenspielen mit Shalji. Es war surreal, wie nachdem alles von dem Angriff auf die Akademie wieder zusammengeflickt worden war, dass ihr geliebter Bruder verschwunden war. 

Derweil fanden sich die hohen Tiere des Königreiches für eine Notbesprechung im leergeräumten Speisesaal des Königschlosses wieder. Bedrücktes Schweigen füllte die Luft; keiner wollte als erstes etwas von sich geben. Schließlich hob der König seine Stimme. "Nach dem Angriff der Armee des Schattenfürsten auf die Akademie war das schon das zweite Mal, dass jemand versucht hat, meinen Söhnen etwas anzutun. Ich weiß nicht, was sie dazu meinen, meine Herrschaften, doch ich glaube, dass unsere Gegner etwas großes im Schilde führen. Deshalb sollten wir einen speziell ausgebildeten Kundschafter in die Höhle des Löwen schicken, der uns mit Informationen versorgt." Die meisten Anwesenden nickten, froh, dass jemand mit einer Idee daherkam. "Und sobald wir wissen, wo Prinz Lysander zu welchem Zweck festgehalten wird, stürmen wir das feindlich Lager und nutzen das Chaos, um ihn dort herauszuholen.", setzt der König noch hinterher. Er war entschlossen, seinen zweitältesten Sohn nicht im Stich zu lassen. Er wollte ihm noch so viel zeigen...er wollte ihm ein richtiger Vater sein. Er löste die Notfallbesprechung auf und gesellte sich zu seinen beiden anderen Kindern. Castiel und Shalji saßen in der Wärme des Kamins im geräumigen Wohnzimmer in Samtsesseln und spielten Karten bei Tee und Gebäck. Es war Shalji, der zuerst sprach. "Vater, wird Lysander zurück kommen?" Sein Gesicht wurde von einem unlesbaren Ausdruck verziert, sodass der Monarch nicht recht wusste, ob es eine rhetorische Frage gewesen war oder nicht. "Auf jeden Fall kommt er wieder. Mach dir keine Sorgen, euer Bruder ist schneller zurück als du gucken kannst.", erwiderte er also und schenkte seinem jüngsten Sohn ein warmes, zuversichtliches Lächeln. 

Den Rest des Abends verbrachte die königliche Familie bei einem kurzen Essen und Pläneschmieden. Natürlich war die Situation kein Scherz, doch sie mussten positiv bleiben, was zu viel Gelächter führte. Castiel und die Königin hatten Shalji schon längst als Familienmitglied akzeptiert, was dieser sehr schätzte. Nach einer Weile, in der sie noch zusammengesessen hatten, verabschiedete sich Shalji, um ins Bett zu gehen. Als er umgezogen in seiner Schlafstätte lag, und den Sternenhimmel durch das Glasfenster anblickte, dachte er noch über die letzten Stunden nach. Es war ihm immer noch nicht im Kopf, dass Lysander, sein Bruder, den er lange gesucht hat, nun schon wieder von ihm getrennt wurde. Er seufzte leise und drehte sich auf die Seite, bevor er die Augen schloss. All die Erinnerungen, die er mit dem Schwarzhaarigen gesammelt hatte, rauschten an seinem inneren Auge vorbei, was seine Entschlossenheit, ihn zu befreien, nur noch stärker machte. Bleierne Müdigkeit legte sich über ihn und Dunkelheit hüllte ihn ein, bevor er wegdämmerte.

Die Chroniken von Volcan - Die ProphezeiungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt