Kapitel 14 - Mission Rabenfeder (kurzes Kapitel)

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Tintenschwarze Finsternis ertränkte die Nacht; nur der Mond brach die undurchdringbare Dunkelheit mit seinem silbrigen Licht. Leise flüsterte der Wind geheimnisvolle Worte in den Bäumen - Worte, deren Hauch kalt über die Ländereien streifte. Eiserne Stille herrschte, nicht ein einziges Tier gab einen Laut von sich. Die Gräser und Halme wirkten im fahlen Schein verwelkt und verdorben, die Pflanzen gestorben, die Tiere vertrieben. Und unmittelbar vor ihnen erhob sich eine Festung mit schwarzen Zinnen, die sich bedrohlich vom Himmel abzeichnete; deren Türme wie spitze Zähne wirkten und in der kein bisschen Licht brannte. Lautlose Schritte im Feld. Nervöse Gesichter. Fünf schattenhafte Gestalten ließen sich im meterhohen Gras nieder, um sich zu beraten. 

"Wir müssen näher heran!", zischte das blonde Mädchen und brach so das unangenehme Schweigen.

"Das halte ich für inakzeptabel. Euer Herr Vater und der König sind der Meinung, dass ihr während der Mission im Hintergrund bleiben sollt.", antwortete ein Mann mit kurzem Militärschnitt, dessen Stimme messerscharf klang, wie das Schwert, dass in der Scheide an seinem Gürtel steckte. Das Mädchen seufzte frustriert und wandte sich ab. Ein dritter Mann, der denselben Militärschnitt wie der andere trug, versuchte, der Blonden zu erklären, warum sie nicht aktiv an der Operation teilnehmen durfte. 

"Ruhe!"

Die drei sowie die letzte Person drehten sich zu einem Mann mit angegrautem Haar. Über sein Gesicht zog sich eine lange, dünne Narbe. Seine Stimme klang eindringlich, als er weitersprach.

"Wir haben den Auftrag, den Prinzen zu befreien. Und deswegen solltet ihr dieses belanglose Geschwafel sein lassen, wir haben nicht ewig Zeit. Jede verlorene Sekunde könnte möglicherweise eine zu viel sein."

Stumm warteten sie darauf, dass ihr Anführer weitersprach.

"Und genau deswegen brauchen wir einen Plan. Ich schlage folgendes vor: Hauptmann Reh, Karedis und ich werden dir, Mala, genug Zeit verschaffen. Du holst den Prinzen und anschließend treffen wir uns in der Waldsenke, in der wir vor einer halben Stunde Pause gemacht haben. Fräulein Paradox könnte dich begleiten, doch sollte sie dabei zu Schaden kommen, haben wir die Abmachung mit Leutnant Paradox gebrochen. Allerdings denke ich, dass ihr beide zusammen der Mission eine höhere Erfolgschance gibt. Und wir brauchen den Prinzen um jeden Preis zurück. Wenn ihr beide damit einverstanden seit?"

Der Mann blickte die Frau namens Mala an. Diese nickte nur. 

"In Ordnung. Dann ist es am besten, wenn ihr beide vom Ostflügel zuschlagt. Die Aufmerksamkeit können wir anderen am Nordflügel am diskretesten auf uns lenken. Wir versuchen, euch nicht in die Quere zu kommen und euch nicht über den Weg zu laufen, um euch nicht unnötig zu gefährden. Sobald ihr den ersten Warnschrei erschallen hört, wartet ihr einen Augenblick und beobachtet, wie sich die Wachen bei eurer Position verhalten. Sobald die Luft rein ist, könnt ihr starten. Mala, ich übertrage dir hiermit offiziell das Kommando über Fräulein Paradox. Ihr darf unter keinen Umständen etwas zustoßen, das zu einer Behinderung eurer Mission führt, verstanden?"

Der Anführer des Befreiungstrupps blickte in vier Gesichter kühler Entschlossenheit, als er von seiner geballten Faust aufsah.

Die drei Soldaten huschten in einheitlicher Grabesstille um die Festung des Dunkelfürsten herum. Der Nordflügel lag geschützt in einer Senke, die sich allen Lebens ausgehaucht starr daliegend vor den Männern auftat. Hauptmann Reh konnte zwei Wachposten ausmachen, deren nachtschwarze Rüstungen mit der Finsternis verschmolzen. Sie zückten ihre Waffen. In Rehs Hand wog das Langschwert tonnenschwer, Schweiß rann ihm in Bächen über die Stirn. Sollte ihre Operation scheitern.... Doch er fasste sich augenblicklich wieder. Die Befreier wagten sich weiter vor, bis sie nur noch ein paar Schritt von den feindlichen Wachposten entfernt waren. "Auf mein Kommando brechen wir heraus und greifen an", flüsterte der Mann mit der Narbe durch das Rauschen des Windes in den Blättern. Seine Kameraden spannten die Muskeln an und lauschten. 

"Ab!"

Die drei sprangen aus dem Schutz des Feldes und warfen sich auf die Feinde. Hauptmann Reh schob einem seine Schwertspitze durch den Spalt zwischen Oberleib- und Beinplatte und stieß ihn nieder. Den anderen brachte Hauptmann Karedis zur Strecke. Ihr Handeln war jedoch nicht unentdeckt geblieben, denn kaum hatten sie Fuß in die Festung gesetzt, gellte ein heiserer Warnschrei über die Ländereien der schwarzen Festung.


Sobald alle Wachposten sich zum Nordflügel begeben hatten, fing Malas Mission an. Dass sie im Schlepptau Fräulein Paradox haben würde hatte keiner ahnen können, doch da sie bereits zugegen war, wäre es eine Schande gewesen, ihr Geschick nicht zu ihrem Vorteil zu nutzen. Mit gespielter Leichtigkeit gelang es den beiden, durch das Osttor in die Festung zu gelangen. Ohne ein Wort zu sprechen folgten die Korridoren aus dunklem Fels hinab in die Tiefen unter der Oberfläche. Eine Wendeltreppe führte zu einer massiven Holztür mit rostigen Scharnieren, deren Klinke fehlte. Stattdessen steckte Mala einen Kolben von ihrem Gürtel durch das Loch in der Tür und hebelte den Weg frei. Die Tür ließ sich problemlos aus den Angeln heben. Sie betraten einen spärlich beleuchteten Gang. Das Licht der zwei Fackeln reflektierte sich in den Pfützen auf dem groben Pflasterstein. Ein schwarzer Rabe krächzte vor ihren Füßen. Die beiden blickten sich an. 

"Er möchte, dass wir mitkommen", hauchte Fräulein Paradox, bevor sie vorausging. 

Mala hatte keine andere Wahl, als ihr zu folgen. Nach einer Weile standen sie vor einem gesicherten Verlies, in dem eine Gestalt in den Schatten auf dem Boden lag. Der Rabe krächzte erneut und die Gestalt fuhr aus ihrem Schlaf. Eine kratzige Stimme stieß ein "Wer" aus und Mala antwortete. "Wir holen sie, mein Prinz." 

Sie machten sich an den Sicherheitsvorkehrungen zu schaffen, doch die Zeit drängte. Schweiß brach auf Malas Stirn aus. Bei dieser Mission war ein Misserfolg nicht geduldet. Wo blieb die geheime Waffe, die der König zur Befreiung seines Sohnes zur Verfügung stellen wollte?

Kaum hatte sie dies zu Ende gedacht, brach die Mauer neben ihr ein und eine gigantische Kralle schob sich in ihr Sichtfeld. Die Wand hinter dem Prinzen brach ebenso auf wie die Schlösser seines Verlieses. "Steigt auf!", rief eine Männerstimme. Durch die Ruinen der Festung blickten sie auf einen feuerroten Drachen, der majestätisch seinen Kopf gen Himmel hob. Sie dachten nicht lange nach, sondern schwangen sich auf den schuppigen Rücken des Drachen. Unten am Tor holten sie noch die drei Verbliebenen ab, ehe sie in schwindelerregenden Höhen die Stätte des Grauens hinter sich ließen. Erschöpft fielen Mala die Augen zu.

Gegen Morgendämmerung erreichten sie die Königsburg. Es gab ein freudiges Wiedersehen der Prinzen und der König verlieh den tapferen Soldaten einen Orden. Das Volk feierte.

Prinz Lysander war endlich zurückgekehrt. 

Die Chroniken von Volcan - Die ProphezeiungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt