🅼🅰🆅🅴🆁🅸🅲🅺 🅹🅾🅽🅴🆂

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"Schneller, Mav!", schrie meine Schwester über ihre Schulter. Ihr Atem hing als eisgraue Wolke über ihrem Kopf und verschwand in dem Moment, da man ihn erblickte.

Ich keuchte. Meine Rippen brannten und ich konnte nicht mehr richtig atmen. Jo hatte Recht gehabt, als sie gesagt hatte, dass wir mehr trainieren sollten. Ich war mir sicher, dass ich keine einzige Kampfeinheit mehr konnte, die wir aus den ellenlangen Videokasseten von unserem Onkel gelernt hatten. Von Kondition ganz zu schweigen.

"Wir holen euch", zischte die Stimme ganz nah hinter mir und ich hörte, wie sich diese schreckliche Frau, die sich auf ihrem Morgenspaziergang mal eben in eine Vampirfrau verwandelt hatte, die Lippen leckte. In meiner Verzweiflung riss ich die Arme in die Luft und fuchtelte wild damit herum.

Es gab ein merkwürdiges Klonk und die Vampirlady explodierte in eine Staubwolke.

Ein wenig entsetzt starrte ich auf das, was ich angerichtet hatte, dann schrie meine Schwester mich erneut an: "Maverick Jones, wenn du deinen Arsch nicht sofort in meine Richtung bewegst, frisst dich eine hässliche Frau mit ungepflegten Zähnen und Mundgeruch auf, nachdem sie dein stinkendes Fleisch zerrissen hat!"

Ja, meine Schwester wusste schon immer, wie man sich richtig ausdrückt.

Aber natürlich hatte sie Recht. Die andere Vampirlady hing bereits an einer Straßenlaterne auf der anderen Straßenseite.

Ich war ja dagegen gewesen, nach Indianapolis zu fahren, aber aus irgendeinem Grund hatte Jo darauf bestanden, die Straßenbahnen zu besichtigen, die anscheinend ganz toll waren.
Eigentlich war es der Vorschlag unserer Momma gewesen, mal aus Georgia rauszukommen. Ich wäre ja lieber nach New  York oder Washington gefahren, aber dafür reichte das Geld dann doch nicht. In Indianapolis wohnte zufällig Mommas Bruder und damit war die Sache dann geritzt.

Das einzige tolle an den Straßenbahnen war gewesen, dass man locker aus ihnen rausspringen konnte bei voller Fahrt, wenn eine Vampirfrau plötzlich an der Haltestange herumturnte.

Ich richtete mich wieder auf und rannte weiter. Meine Schwester wartete nicht auf mich (diese Zicke), aber das war gar nicht nötig, denn im nächsten Moment stolperte sie über eine Baumwurzel, die sich den Weg durch den sandigen Weg geschlagen hatte und schlug der Länge nach hin. Ein hässliches Kracks war zu hören und Jo heulte auf.

"Jo!" Ich ließ mich neben sie auf den Boden fallen, um sie zu untersuchen. Ihr Schienbein wurde in Sekundeschnelle blau und Blut sickerte aus einer Wunde an ihrem Knöchel. Wie sie sich bei so einem leichten Sturz hatte verletzen können, war mir schleierhaft.

"Alter, Maverick, bist du doof", stöhnte sie. Ihr Gesicht wahr aschfahl und ihr Atem ging flach.
Echt bewundernswert, wie unhöflich sie selbst dann noch sein konnte, wenn sie sich gerade verletzt hatte.
"Du kannst doch nicht einfach stehenbleiben, Bro. Du musst weg hier."

Ich starrte sie an und ganz sicher sah ich dabei aus wie der letzte Depp. "Glaubst du etwa, dass ich dich hier alleinlasse?", sagte ich. "Dann wirst du nämlich von einer hässlichen Frau mit ungepflegten Zähnen und Mundgeruch gefressen, nachdem sie dein ekliges Fleisch zerrissen hat."

"Stinkendes Fleisch", korrigierte mich Jo mich mit wegen des Schmerz zusammengebissenen Zähnen.
Alter, dieses Mädchen war fürchterlich.

Aber wenn sie glaubte, dass ich meine große Schwester hier liegen lassen würde, dann hatte sie sich gewaltig gerissen.
Ich brauchte nur einen Plan.

Jo verdrehte die Augen und ihr Kopf kippte zur Seite.

"Fuck!", fluchte ich und richtete mich auf.
Hektisch sah ich mich um. Wir befanden uns auf einem schmalen Sandweg in der Mitte der Straße, der von Bäumen gesäumt war. Weiter hinten befand sich ein Bahnhofsgebäude, von dem ich aber wusste, dass es am Sonntag geschlossen hatte. Dort würde ich keine Menschen antreffen, die mir helfen könnten.

Die Vampirlady schnupperte gerade an einer Passantin, die aufgebracht kreischte. Wahrscheinlich dachte sie, dass sie angebaggert wurde.
Shit, die Vampirin würde sicher nicht lange brauchen, von der Straßenlaterne hierher zu uns zu kommen.

Kurz gesagt, wir hatten sehr schlechte Chancen, heute Abend zu Onkel Jay zurückzukehren, um seine unglaubliche Lasagne zu essen. Echt schade drum.
Ich drehte mich wieder zu Jo, als ein Mädchen den Mittelstreifen betrat.
Es trug eine dicke Winterjacke, blaue Jeans und schwarze Boots, die - das sah ich sofort - aus Kunstleder waren. Das fand ich sofort symphatisch.
Das Mädchen schloss die Augen und atmete tief durch. Sie sah ein bisschen blass aus, doch darauf konnte ich jetzt keine Rücksicht nehmen.
Ich stieg über Jos Beine und ging zügig auf das Mädchen zu.

"Äh... Hey", sagte ich nervös.
Das Mädchen öffnete die Augen und ich bemerkte mit einem kleinen Gewissensbiss, das seine Augen einen fiebrigen Glanz hatten. "Hey", erwiderte es mit einer leichten Irritation in der Stimme. "Kann ich dir helfen?"

"Ja, also die Sache ist die... Meine Schwester und ich werden verfolgt von..." Ich stockte. Wie erklärte man bitte einem Mädchen, das mindestens zwei Jahre älter war als man selbst, dass man gerade von einer Vampirin, die Passantinnen anbaggerte, verfolgt wurde und Hilfe brauchte, weil die große Schwester sich das Schienbein gebrochen hatte und ich ein siebzig Kilo schweres Mädchen unmöglich die Straße runtertragen konnte?

Zum Glück wandte das Mädchen den Blick von mir ab und entdeckte Jo auf dem Boden und die Vampirin, die mit besorgniserregender Geschwindigkeit einen Schokoriegel aus der Handtasche der Passsntin aß und auf uns zu lief.

"Okay, das ist jetzt ein ziemlich großer Mist", sagte das Mädchen. "Hör zu: Das Bahnhofsgebäude dahinten, ja? Da gehst du hin, klopfst an die linke Nebentür und sagst 'Piper McLean hat mich geschickt'. Kapiert?"

"Und dann?", fragte ich perplex. Was sollte das denn?

"Dann geht die Tür auf, du gehst rein und rufst nach Emmie. Sie wird kommen, das kann ich garantieren", antwortete Piper McLean, als wäre es das selbstverständlichste der Welt, dass sich Türen von selbst öffneten.

"Okaaay." Ich schwöre, ich zog das Okay nicht aus Absicht so lange auseinander. Aber das war einfach zu weird. "Was passiert mit Jo?", fragte ich schnell.

"Ich versuche, sie vor der Empuse zu beschützen", sagte Piper und zog einen Dolch aus ihrer Jackentasche, vor dem ich instinktiv zurückwich.

Um ganz ehrlich zu sein, ich war mir nicht sicher, wie sie es in ihrem Zustand schaffen sollte, einer Vampirlady die ungepflegten Zähne zu polieren, aber ich musste es drauf ankommen lassen. Sonst würde ich sterben und darauf hatte ich mit vierzehn Jahren wirklich noch keine Lust.

Piper schwankte leicht und schloss kurz die Augen. "Bei Zeus", murmelte sie. Mein Magen rotierte. Bei Zeus... "Das ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, krank zu sein. Okay, hast du das verstanden?"

"Yeah."

"Gut. Dann beeil dich."

Ich nickte und rannte los. Keine Ahnung, wieso ich ihr vertraute. Vielleicht, weil sie auch Schwarz war. Ich wurde von den Weißen in unserem Viertel so oft verarscht, dass ich von ihnen nicht mal mehr einen Cookie annehmen würde.

Aber eigentlich war es das nicht. Dieses Mädchen hatte einen vertrauten Gesichtsausdruck, eine vertraute Haltung, die mich an Jo erinnerte. Und dieses 'Bei Zeus'... Irgendetwas Wichtiges steckte dahinter, etwas, das ich nicht benennen konnte. Aber es war genug, um Piper McLean zu vertrauen.

Mit einem heldenhaft pfeifenden Keuchen erreichte das Bahnhofsgebäude und hämmerte an die Tür des linken Nebeneingangs. "Piper McLean - hat mich - geschickt", brachte ich heraus. Nichts geschah.

Oh no...

Ich wagte einen Blick zurück. Piper McLean schrie irgendwas ("Dein Rock passt nicht zu deinen Zähnen!") und wirbelte ihren Dolch herum. War es möglich, dass sie mich doch verarscht hatte?

Ich klopfte noch einmal, diesmal ein bisschen weniger agressiv. "Ähm... hallo?", versuchte ich es noch einmal und kam mir dabei wie der größte Idiot vor. "Piper McLean hat mich geschickt. Könnte ich vielleicht rein?"

Die Tür schwang auf und mit zitternden Beinem betrat ich das Gebäude. 

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