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Es wäre leichter gewesen, Finn zu hassen, aber das kann ich nicht. Dafür ist er zu nett, und auch einfach zu korrekt. Er redet keinen Mist wie die anderen, er lacht nicht auf den Kosten anderer Menschen, in den Pausen hört er Musik und scheint dabei in jedem Song so richtig aufzugehen. Obwohl er nicht laut und nicht aufdringlich ist, ist er beliebt – und das wichtigste: Er geht schon in die Dreizehnte.

Das, was Khat und Finn haben, ist nichts Festes, aber – so sagt sie – trotzdem etwas richtiges. „Nur weil eine Beziehung nicht fest ist, macht es sie nicht weniger richtig", erklärt sie. „Ich bin nicht in ihn verknallt oder so. Aber wir mögen uns, als Menschen."

Khat und ich schlendern durch die Schulflure auf dem Weg zu Bio, sie hält meine Hand und ich fahre abwesend mit meinem Daumen über den abgeblätterten Lack auf dem Nagel ihres Zeigefingers. Bevor wir den Klassenraum betreten, zieht sie mich in die anliegende Mädchentoilette. Sie geht sicher, dass niemand da ist, dann stellt sie sich mir gegenüber und streicht mit den Fingern sachte durch meine Haare. „Fia", sagt sie. „Ich will, dass du glücklich bist."

Ich muss lachen. „Okay?"

Es ist ihr offensichtlich wichtig und es erinnert mich an das Gespräch, das wir letztes Jahr geführt haben, bevor sie ihre erste Beziehung eingegangen ist. Sie will einfach sicher gehen, dass ich okay damit bin. „Ich habe viele Freundschaften wegen irgendwelchen Kerlen zerbrechen sehen, die es nicht wert waren. Aber das passiert nicht mit uns, weil wir ehrlich zueinander sind. Okay?"

„Okay", sage ich. Ich weiß, was sie von mir will: Radikale Ehrlichkeit. Leichter gesagt als getan, wenn man heimlich in die beste Freundin verknallt ist. Aber ich versuche ehrlich zu sein, so gut es eben geht. „Also ... Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich nie eifersüchtig bin ... Aber das ist glaub ich ganz normal bei Freundinnen."

Sie ist noch immer ein Stück größer als ich, meine Augen sind auf Höhe ihres Kinns. Ich erwidere ihren Blick. „Ich glaub auch, dass das normal ist", sagt sie. „Ich war auch eifersüchtig, als du dich in der Fünften beinahe mit dieser Melissa angefreundet hast."

Ich muss lachen. „Puh, keine Ahnung, was da mit mir los war."

Sie lächelt. „Ich will einfach, dass du, sobald du das Gefühl hast, dass irgendetwas zwischen uns nicht mehr stimmt, sofort Bescheid sagst, ja? Ganz egal wann, ganz egal wo. Ich werde mich immer für dich entscheiden, klar? Wir kriegen das hin, wir müssen nur ehrlich sein."

„Klar."

Wir grinsen uns an und verschränken unsere Finger wieder miteinander. Dann beeilen wir uns, und kommen trotzdem zu spät zu Bio, aber wenigstens teilen wir uns die Wut des Lehrers, und das macht es weniger schlimm.


Jetzt, wo Khat und Finn meinen Segen haben, treffen sie sich öfter. Und weil er auf unsere Schule geht, verbringen wir oft die Pausen zu dritt. Mein Freundeskreis strotzt nicht gerade vor Leuten, deshalb bin ich froh über die Gesellschaft. Manchmal laden wir Finn zu unseren Faulenzernachmittagen ein, zu mir nachhause, weil Khat keinen Besuch bei sich mag.

Wenn wir zu dritt sind, gibt Khat sich die größte Mühe, dass ich mich nicht wie das fünfte Rad am Wagen fühle. Sie fragt immer zuerst nach meiner Meinung und sitzt immer näher an mir als an ihm, ihr Körper scheint immer irgendwo meinen zu berühren, und wenn es nur die feinen Haare auf unseren Armen sind.

Mit der Zeit freunde auch ich mich mit Finn an. Er ist nicht so angespannt wie andere Jungs, versucht nicht die ganze Zeit, cool zu sein. Er kann über sich selbst lachen und fühlt sich nicht alle paar Minuten in seiner Männlichkeit gekränkt. Wir schauen Cartoons, während wir uns zu dritt die Nägel lackieren, wir lernen zusammen, hören Musik.

Ich versuche nicht daran zu denken, dass die zwei sich auch manchmal ohne mich treffen und dann Sex haben. Es ist schwierig, sich das vorzustellen, weil sie es sich nicht anmerken lassen. Manchmal, wenn ich kurz aufs Klo gehe und wieder komme, habe ich das Gefühl, dass ich vielleicht etwas unterbrechen könnte, ihre ungestörte Zweisamkeit.

Aber ich versuche nicht eifersüchtig zu sein. Und dass Finn so nett ist, macht es mir leichter.

„Kann ich dich was fragen?", fragt er, als wir einen Nachmittag zu dritt auf dem Teppich in meinem Zimmer liegen, mein Kopf auf Khats Schoß und Khats Kopf auf seinem Schoß. Khats Hand liegt in meiner wie aus Gewohnheit und ich presse sie an mein Schlüsselbein.

„Schieß los", sage ich.

„Hattest du schon mal einen Freund? Oder bist du in irgendjemanden verknallt?"

Ich spüre, wie mir Blut ins Gesicht schießt, wie immer, wenn so eine Frage kommt. Ich bin froh, dass wir auf dem Boden liegen und sie mein Gesicht nicht sehen.

Khat lacht. „Glaub mir, Finn. Diese Info versuche ich seit Jahren aus ihr rauszubekommen. Du hast keine Chance."

Ich verdrehe die Augen. „Es gibt nichts rauszubekommen. Ich bin in niemanden verknallt und nein, ich hatte noch nie einen Freund."

„Aber ... würdest du gern?", fragt Finn weiter.

Khats Zeigefinger drückt gegen mein Schlüsselbein, wie um mir stumm zu sagen: Du musst nicht antworten, wenn du nicht willst. „Keine Ahnung", murmele ich. Meine Standardantwort für alle Fragen, die ich nicht beantworten will. 

Khat (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt