1

64 10 7
                                    


                                                                Ein reiches Mädchen

Vor langer langer Zeit lebte ein junges Mädchen im Alter von siebzehn Jahren in einem Schloss, das so groß war wie zwanzig aufeinander gestapelte Villas. Scarlett mochte es nicht, reich zu sein. Sie wollte viel lieber die Welt erkunden und aufregende Abenteuer erleben. Sie saß jeden Tag auf dem Rand des Brunnens in ihrem Schlossgarten und starrte Löcher in die Büsche. Tag ein, Tag aus ging das so. Überall liefen Butler herum. Es war nicht auszuhalten. Als sie klein war, fand sie es ja noch ganz lustig, den Butlern Streiche zu spielen und Witze zu machen, zum beispiel wie: ihnen ein Pupskissen auf den Stuhl zu legen. Dann schämten sie sich immer. Doch nach einiger Zeit machte es ihr auch keinen Spaß mehr. Sie war zu alt, um Streiche zu spielen und Witze zu machen. Am Tisch musste man gerade sitzen, man musste mit Besteck essen, und wenn man etwas falsch gemacht hat, meckerten alle herum. Sie fand ihr Leben einfach nur grausam. Und stellt euch vor, ihr müsstet zwingend Tagebuch schreiben! Es war der schlimmste Alptraum ihres Lebens. Wieso musste die Welt so schwierig sein? "Kind! Der Spanischunterricht beginnt!", seufzend stand Scarlett auf. Sie hatte echt keine Lust auf Unterricht. Also schlich sie leise in ihr Zimmer und saß auf ihre Bettkante. Sie wollte einfach nur weg von hier. Weit, weit weg. Und dann kam die Sehnsucht des Freiheit in ihr hoch. Aber wo sollte sie hin. Mutlos ließ sie ihre Reisetasche sinken. Sie wusste ja nicht einmal wohin! Eine kleine schneeweiße Taube saß auf ihre Fensterbank und sah sie fragend an. "Geh weg." sagte sie murrend zu ihr. Eilig flog die Taube davon. "Scarlett Stone!" polterte ihre Mutter. "Du kommst jetzt sofort zum Spanischunterricht. Das gehört sich nicht. Mister Macarons wartet schon. Los! Auf die Beine!" "Nein. Ich will kein Spanisch lernen. Und du darfst mich auch nicht zwingen. Du und deine Scheiss Villa! Lerne doch selbst Spanisch! Was starrst du mich eigentlich so an? Ich bin siebzehn, und nicht mehr fünf Jahre alt. Also geh raus!" "Du bist so eine Rotzgöre. Aber wenn du nichts lernen willst."sagte die ärgerliche Mutter. "Wieso musst du nur so geizig sein? Immer geht es um Geld. Schau nur an? Wir sind steinreich! Es gibt Familien auf dieser Welt, die keinen Cent haben! Und du bist so geizig, und behältst alles für sich. Wenn ich dich wäre würde ich das viele Geld spenden und nicht für schöne Ballkleider oder schöne und vergoldete Schränke und weiss Gott noch alles ausgeben. " Scarlett wurde jetzt erst recht wütend. "Jetzt sei nicht so frech! Das ist unverschämt was du da sagst! Es ist nicht zu glauben! Also ich geh." sagte die Scarletts Mutter. Sie war wütend auf ihre Mom, auf die verdammten Butler und auf ihren Vater, der schon lange tot war. Er war bei einem Autounfall gestorben. Scarlett wollte sich gar nicht an ihn erinnern sonst brach sie noch in Tränen aus. Und jetzt war sie schon siebzehn! Und trotzdem wurde sie wie eine Fünfjährige behandelt. Ein Butler kam herein. "Haben sie einen Wunsch? Und ich glaube sie sollten jetzt in den Spanisch Unterricht." "Gehen sie aus meinem Zimmer! Haben sie es nicht gesehen: da ist ein Schild 'Nicht betreten'!" schrie Scarlett den Butler an. Eilig lief er hinaus. "Spanischunterricht, wer brauchte das schon?" Scarlett spürte Wut in sich. Wut die raus wollte. Verzweifelt schaute sie aus dem Fenster. Sie wollte raus. In die weite weite Welt. Sie hielt es nicht mehr aus! Sie wollte weg von hier. Darauf packte sie ihre Sachen, ein wenig Geld, Trinkflasche, Kompass, und ein paar Kleider. "So, alles in einem Rucksack!" sagte sie mehr zu sich als zu der Taube die schon wieder auf dem Sims stand. Sie und stürmte aus ihrem Zimmer, hinaus an die frische Luft. Sie holte den Schlüssel für das grosse Tor hervor. (Das riesige Haus war nämlich wie ein Gefängnis) und schloss auf. Sie rannte die Gasse hinunter, bis sie einem Park kam. Dort setzte sie sich auf eine Bank und fing an zu weinen. Große dicke Tränen liefen über ihre Wangen. Lange saß sie einfach nur da und weinte in ihren Pullover. Was hatte sie nur getan? Aber jetzt war es zu spät. Sie konnte nicht mehr nach Hause. Sie würde richtig Ärger bekommen, also kommt diese Möglichkeit gar nicht in Frage. Ihre Augen waren schon rot und geschwollen. Alle Leute, die auch in dem Park waren schauten sie erstaunt an. Es war zu spät. Sie hatte ihr Leben als reiches Mädchen aufgegeben. Eine alte Dame fragte sie: "Ist alles Okay?" "Ja alles gut." antwortete Scarlett. Aber nein nichts war gut. Sie hatte sich gerade geweigert, ein Leben mit einem Dach über dem Kopf zu haben. Es war einfach alles zu viel für Scarlett. Sie stand auf und lief zum Fluss in der Nähe. Sie ließ ihre nackten Füße in das kalte Wasser gleiten. Es fühlte sich gut an. So unschuldig und befreit von all dem Lästigen der Welt. Sie packte sich ihr Brötchen aus und fing an zu essen. Langsam und genüsslich zerkaute sie es. Sie hatte schon lange nichts mehr gegessen. Die Fische sprangen sorgenlos durch die Wellen des Flusses. So gerne wäre sie gerade auch einer gewesen. Sie hatte nur noch einen Biss von ihrem Brot. Sie wusste, dass das wahrscheinlich das letzte Brot war, das sie essen wird, denn sie hatte nur eins eingepackt. Plötzlich hörte Scarlett immer näher kommende Schritte. Und dann stand ein Junge hinter ihr. Sie drehte sich um und erblickte ein gutaussehender Junge. Ihr blieb das Herz stehen. Er hatte kurze braune Haare und eine blasse Haut. Er sah wunderschön aus. Das Haar war ein wenig verstrubbelt. Doch genau das gefiel Scarlett. Dann sprach er sie an. " Hallo, von wo kommst du?" Scarlett dachte eine Weile nach. Dann antwortete sie dem gutaussehenden Jungen: "Ich bin von Zuhause abgehauen." "Ich bin auch ein Ausreisser. Du kannst zu mir unter die Brücke kommen. Dann erzählst du mir aber alles über dich." Er lächelte Scarlett an. "Ja gerne!" Nebeneinander liefen sie in die Richtung der Brücke. Scarlett fühlte sich in seiner Nähe sicher. Als ihre Hände sich berührten wurde Scarlet rot wie eine Tomate. Sie zitterte. Schnell schaute sie weg. "Wir sind da", sagte Jack mit einem zärtlichen Unterton. Und er bereute es sofort. Scarlett soll nicht merken, dass er in sie verliebt war! Sie setzten sich auf die Decke. "Also, ich fange an. Ich heiße Jack und ich bin ein Waise. Na ja, ich weiss nicht ob meine Mutter tot ist. Auf jeden fall bin ich aus dem Waisenhaus ausgebrochen. Ich hielt es dort nicht mehr aus. Seit einem halben Jahr streune ich jetzt schon durch die Stadt. Mittlerweile kenne ich mich hier gut aus. Und jetzt erzählst du mir etwas über dich. Ich bin schon ganz gespannt." Scarlett konnte es kaum fassen. Er war genau gleich, wie sie! "Ich heisse Scarlett und habe so zu sagen das gleiche Schicksal wie du. Ich lebte in einer Villa in der Nähe von hier. Es war jeden Tag das gleiche. Ich weiss du denkst jetzt, reiches kleines Mädchen, und das darfst du auch. Ich fand es total langweilig und zum kotzen. Heute Morgen hatte ich dann einen Streit mit meiner Mutter, kurz darauf floh ich. Ich hatte genug von ihr und der Villa." Scarlett schüttete Jack ihr Herz aus. "Meine Mutter gibt das Geld lieber für Ballkleider aus als es zu spenden." Lange lagen sie nebeneinander. Scarlett seufzte so laut, dass Jack fragte ob alles okay ist. Scarlett antwortete: "Ja ich denke nur gerade ob ich wirklich hätte abhauen sollen." Jack antwortete: "Ja, natürlich sonst wären wir ja gerade nicht so..." Dann hörte er auf zu sprechen. Es war ein langer peinlicher Moment. Scarlett unterbrach die Stille. "Was wolltest du sagen?" "Ach egal" antwortete Jack. "Morgen zeige ich dir die echte Welt. Versprochen!" und damit schliefen die beiden ein. Am nächsten Morgen wachte Jack auf und merkte, dass sie sich unheimlich nahe gekommen waren. Jack rutschte ein paar Zentimeter zurück. Scarlett sah unglaublich schön aus. Jack ertappte sich selbst dabei, wie er sie anstarrte. War Scarlett auch in ihn verliebt? Schnell schob er die Gedanken weg. Ein wenig später liefen sie zusammen durch die Gegend. Jack zeigte Scarlett den schönsten See, den sie je gesehen hatte. Er glitzerte im Sonnenlicht. Und auf dem Wasser spiegelten sich ihre fröhlichen Gesichter. Jack stieß Scarlett ins Wasser. Sie lachte und zog Jack hinterher. Eine Weile plantschen sie vor sich hin. Sie hatten jede Menge Spass. Am Abend fielen sie erschöpft ins Gras. Sie lachten. "Es war echt schön mit dir", gestand Scarlett und lächelte. Lange lagen sie nebeneinander im Gras und schauten in die Sterne. "Morgen werde ich weiterziehen müssen. Ich habe es dir zwar noch nicht gesagt, aber ich werde von der Polizei gesucht. Mein Vater war kriminell und die polizei hat es jetzt auf mich abgesehen. Ich hoffe das findest du nicht schlimm." Erwiderte Jack. "Ich habe mir schon so etwas gedacht. Aber ich werde mit dir flüchten. Ich bleibe immer an deiner Seite", antwortete Scarlett. "War das jetzt so eine Art Liebeserklärung?" "Wie du es nennen willst. Weisst du eigentlich, dass ich in dich verliebt bin?" "Echt du auch? Weisst du, ich fand dich schon ab dem ersten Moment toll, ehrlich."Scarlett lachte. Sie waren sich erstaunlich nahe gekommen. Aber das machte niemandem mehr etwas. Es war schön. Scarlett schloss die Augen, und genoss diesen Moment in vollen Zügen. Wenig später waren beide eingeschlafen. In einen tiefen, tiefen Schlaf. 

Sprung in die WildnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt