Las Vegas

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In der Nacht des übernächsten Tages saß ich bereits im Flugzeug. Es würde nicht mehr lange dauern, bis wir landeten. Ich stellte mir unser Wiedersehen vor.

Ich betrat das Casino, niemand drehte sich um. Nur er allein. Er ließ die Karten liegen und stand auf, trat mir entgegen. Er lächelte, seine Grübchen und Falten kamen zum Vorschein. Der Ohrring reflektierte das Licht der einfallenden Sonnenstrahlen durch die Fenster. Er kam immer näher, die Menschen drehten sich zu uns um. Dann stand er direkt vor mir und...

Ich wurde von dem Druck in meinen Ohren aus meinen tiefen Gedanken gerissen. Das Flugzeug steuerte auf die Landebahn zu. Aus dem kleinen Fenster schauend erblickte ich mein Zuhause - Las Vegas. Als ich aus dem Flugzeug stieg und meine Füße wieder den vertrauten Boden Nevadas berührten, atmete ich die späte Morgenluft tief ein. Doch mit jedem Gedanken an den Joker und das Wiedersehen beschleunigte sich mein Herzschlag und ich wurde nervös.

Nachdem ich einen kleinen Halt in einem Café gemacht, gegessen und mich etwas zur Ruhe gebracht hatte, ließ ich mich bis zu unserem Zuhause fahren, wo ich meine Sachen abstellte. Der vertraute sandfarbene Flur, die vielen Magnete an dem Kühlschrank, mein rosa Schlafzimmer. Zuhause fühlte sich gut an. Am liebsten hätte ich meine Mutter bei mir, doch das musste warten. Ich zog mich um. Aus meinem Kleiderschrank nahm ich mein dunkelblaues Kleid heraus. Dazu die weißen Sandalen und die passenden weißen kugelförmigen Ohrringe. Ich schminkte mich, lockte mein Haar und trug Parfüm auf. Ich wollte den Gedanken an mich in einer billigen Kellner-Schürze loswerden. Draußen war es bereits am frühen Vormittag heiß und hell, typisch Las Vegas. Also griff ich nach meiner Sonnenbrille, bevor ich das Haus verließ und stieg in mein schon zu lange nicht mehr benutztes Auto, in welchem es unglaublich stickig war. Nichtsdestotrotz machte ich mich auf den Weg zum Casino.

Mit jedem Kilometer, den ich mich näherte, wurden die Gedanken in meinem Kopf immer wilder und unkontrollierter. Als ich endlich parkte und aus dem Auto stieg, konnte ich meinen Herzschlag in den Ohren hören, so als würde mein Trommelfell pulsieren. Schweiß breitete sich auf meiner Stirn aus. Ich blieb einen Moment lang stehen, holte Luft und ging dann mit sicheren Schritten zum Eingang.

Ich trat ein und hielt die Luft an. Meine Augen suchten nach dem Joker, doch überall sahen sie nur fremde Spieler, die nicht einmal ihre Blicke hoben. Ich ging weiter und hoffte, ihn am typischen Pokertisch zu finden. Doch ich lag wieder falsch. Da sah ich einen großen jungen Mann in Schürze, der gerade Gläser hinter der Theke polierte. Nick! Er konnte mir bestimmt weiterhelfen. Ich lief mit einem Lächeln hinüber zur Bar und tippte Nick an die Schulter. Überrascht drehte er sich um. "(Y/n), du bist schon wieder in Las Vegas? Wieso hast du nichts gesagt? Wie geht es deiner Mutter?", überrumpelte er mich mit Fragen. "Hey Nick, das ist eine ziemlich lange Geschichte... Meiner Mama geht es gut, die OP verlief auch gut. Sie ist aber noch in der Klinik in Minnesota", antwortete ich. "Ich habe nicht Bescheid gesagt, weil ich etwas... durcheinander und beschäftigt war." Er legte den Kopf schief. "Wieso ist sie in Minnesota und du in Las Vegas? Ich verstehe gar nichts mehr." Ich seufzte. "Ich suche den Joker." "Wieso das denn? Was hat er jetzt damit zu tun?" Ich seufzte erneut. Okay, ich würde es ihm ganz kurz erzählen. Bisher wusste er nur, dass ich gekündigt hatte und mich auf nach Minnesota für die OP gemacht hatte, weil sich von einem großzügigen Spender Geld gefunden hatte. Aber wer dieser Spender war...

"Der Spender für die OP war der Joker. Er hat uns das Geld überwiesen und wir sind sofort losgeflogen. Meine Mutter will ihn sehen und ihm danken, also muss ich ihn jetzt für sie finden, aber ich bin verzweifelt, weil er hier nicht ist. Hast du ihn gesehen, war er da?", sprudelte es aus mir heraus.

Nick stellte sein Glas ab und hob die Hände. "Wou. Warte mal, was? Der Joker? Wieso hat er das- Also hatte ich recht, da läuft was, oder?"
Ich schlug mir gegen die Stirn. "Nein, da läuft überhaupt nichts, Nick. Ich weiß auch nicht wieso er das gemacht hat, aber vielleicht wollte er einfach nett sein. Jedenfalls muss ich ihn finden. Also sag schon, war er hier?", drängte ich ihn zur Antwort.

JokerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt