Mutters Überraschung

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Am nächsten Morgen wachte ich zuerst auf und schaute rüber zu Zayn, der noch immer tief und fest schlief. Er lag auf dem Rücken, ein Arm unter dem Kopf verschrenkt, der andere lag auf dem Bett. Die Decke war zur Hälfte herruntergerutscht, sodass man seinen Bauch sehen konnte. Sein Haar hing zerzaust auf seine Stirn herunter und man sah, wie er ein- und ausatmete. Ich lächelte vor mich hin, so niedlich wie er aussah, und stand schonmal leise auf.

Ich nahm mir ein blaues Top und eine schwarze Hose und ging leise ins Badezimmer, um mich dort anzuziehen. Ebenso putzte ich die Zähne, kämmte und schminkte mich, doch als ich aus dem Bad herauskam, schlief Zayn immer noch. Ich wollte ihn noch nicht wecken, auch wenn mein Bauch schon knurrte und Frühstück verlangte. Also setze ich mich leise auf mein Bett und schaute mir im Internet Bilder von Florida und noch einmal Informationen zum Pflegezentrum an. Doch Zayn schlief und schlief und schlief... Es verging eine halbe Stunde, dann eine.

Endlich drehte er sich auf die andere Seite und atmete ein, gleich würde er aufstehen. Aber nein, der Joker hatte heute einen zu festen Schlaf. Mir reichte das Warten und ich nahm mir eines der vielen Kissen von der rechten Bettseite. Dann schmiss ich es ihm aufs Gesicht.

Er sprang sofort auf und schnappte nach Luft, er rieb sich die Augen und schaute mich verwirrt an, danach grinste er verschlafen. "Das war nicht nett", sagte er witzend. "Steh auf, Schlafmütze, lass uns endlich frühstücken, ich verhun-", doch da wurde mir das Kissen zurück geworfen und traf meine Schulter. "Hey!"

Es begann eine Kissenschlacht, indem wir die vielen Kissen der Betten der Reihe nach auf uns zu und wieder zurück warfen. "Lass das!", rief ich und befürchtete, dass uns der halbe Flur hörte. "Erst hörst du auf zu werfen!", lachte der Joker. Ich hob die Hände, dann nahm ich mir ein weißes Kissen und wedelte damit wie mit einer weißen Flagge über meinem Kopf. "Ich ergebe mich", sagte ich. Dann hob auch er seine Arme als Zeichen des Schlachtendes.

"Na gut, ich gehe mich dann mal fert-", ich warf ihm das weiße Kissen gegen den Kopf. "Der letzte Schlag ist meiner!", rief ich und lachte, weil er nun wirklich nicht mit dem fliegenden Kissen gerechnet hatte und total albern auf dem Bett in der Pose verharrte, in der ich ihn traf.

"Wie Sie wollen, Madame", grinste er und richtete einigermaßen sein dunkles Haar. Dann ließ ich ihn in Ruhe ins Bad gehen und sich fertig machen.

Nach einiger Zeit kam er heraus und wir konnten uns Gedanken darüber machen, wo wir frühstücken wollten. In Hotels war das Essen meiner Meinung nach zu einfach und nicht so lecker, wie in Cafés, also war unsere Wahl das Café an der gegenüberliegenden Straßenseite.

Bereits im Café sitzend unterhielten wir uns wieder über Florida, es war das Gesprächsthema Nummer 1. "Schaust du dir eigentlich gerne Tiersendungen an?", fragte ich Zayn und biss in mein belegtes Brötchen. "Nicht wirklich, nur sehr selten", sagte er und kassierte einen schockierten Blick. "Ohh, wenn das so ist... dann werde ich dich sehr viel belehren müssen. Ich habe echt viele Dokumentationen gesehen, viele davon werden in Florida gedreht. Es wird so toll sein, dort zu sein!", schwärmte ich mich bereits völlig in meiner Fantasie befindend. Er lächelte und nahm einen Schluck seines Cappuccinos.

Noch vormittags besuchten wir meine Mutter in der Klinik, und wie überrascht sie war, als wir ihr davon erzählten, dass Zayn mit uns mitkommt. Ihren Blick konnte man sehr vielfältig deuten. Sie war sowohl fröhlich, als auch überrascht, dass er nicht wieder zurück nach Las Vegas geflogen war. Und ihr schmunzelnder Gesichtsausdruck verriet noch weitere Gedanken.

Ich setzte mich neben sie auf das Bett und zeigte ihr Bilder des Zentrums. "Schau mal, das ist es. Hier ist die Fitnesshalle, hier die Sauna, hier die vielen Pools, hier der Garten mit heilenden Kräutern, hier die Schlafzimmer. Ziemlich viel, was es dort alles gibt, oder?", fragte ich sie lächelnd. "Du wirst schnell wieder auf die Beine kommen." Ich umarmte sie. "Erst einmal muss ich aus diesem Bett kommen", meinte sie und seufzte. "Der Arzt sagte, es sind nur noch zwei bis drei Tage, dann wirst du entlassen und wir können losfliegen. Das schaffst du", meinte ich.

Wir plauderten eine Weile, auch mit Zayn redete meine Mutter viel. Sie fragte ihn, ob er nicht zurück müsse und wie es mit dem "Geschäft" aussieht, wenn er so lange weg ist. "Mit dem Geschäft passiert schon nichts, ich habe genug Reserve." Er grinste. "Eine kleine Auszeit am Meer wird nicht schaden."

Gegen Mittag hatten sich leider Regenwolken gesammelt und es wurde immer windiger, sodass wir ins Hotelzimmer zurückkehren mussten und es uns dort gemütlich machten. Wir setzten uns auf mein Bett und ich schaltete meinen Laptop an. Wir suchten nach einem Flug nach Florida und fanden einen im passenden Zeitraum. Meine Mutter hatte ich bereits vor einigen Tagen im Pflegezentrum angemeldet, also waren die organisatorischen Sachen erledigt und wir konnten uns entspannen.

Ich griff nach der Fernbedienung und schaltete mich durch die Programme in der Hoffnung einen Film zu finden. Wir landeten bei einem Thriller über einen Vater, dessen Tochter entführt wurde. Er bekommt regelmäßig Hinweise und Anrufe, aber selbst die Polizei kann den Standort der Anrufe nicht identifizieren oder helfen. Der Fall steht still und der Vater muss sie selbst finden. Wir hatten die dunkelblauen Gardinen des Zimmers zugezogen, um den Grusel- und Spannungseffekt beizubehalten. Ich wünschte mir Karamellpopcorn hierher, doch leider gab es das nicht.

Gelegentlich wurde der Regen lauter und man hörte ihn auf Minnesota herunterprasseln. Irgendwann kamen Blitz und Donner hinzu, es war, als hätte jemand Mutter Natur böse gemacht. In der Mitte des Films wurden meine Augen schwer und ich selbst unglaublich müde. Es war zu gemütlich, um nicht einzuschlafen. Ich hielt mich noch eine Weile wach, konnte es dann aber nicht mehr bekämpfen und schlief ein.

Ich lief zu einer Klippe, hinter meinem Rücken wehte der Wind und ich schaute auf das klare blaue Wasser. Palmen hier und da, keinerlei Menschen. Nur die Natur und ich. Und noch eine Person, die neben mir auftauchte - Zayn. Er war aber kein Mensch, sondern ein Engel. Weiße, wunderschöne Flügel erstreckten sich aus seinem Rücken. Er breitete sie aus, nahm mich lächelnd auf den Arm und wir flogen los. Hoch in die Luft, dann tief, bis wir ganz nahe am blauen Wasser waren und ich es mit meinen Fingerspitzen streifen konnte. Er hielt über dem Wasser an und stieg plötzlich in die Luft empor, immer höher und höher. Über uns waren Wolken. Wir flogen durch die eine, durch die zweite, durch die dritte, bis wir durch die siebte flogen und hoch im Himmel schwebten. Er ließ mich und sich selbst fallen und wir landeten auf dem Rücken auf der weichen Wolke, die sich rosa färbte.

Da wachte ich kurz auf und merkte, dass sich die Wolke genauso anfühlte wie das Bett, auf dem ich gerade lag. Und neben mir war Zayn. Sicherlich wollte er mich nicht wecken, weshalb er liegen blieb und ebenfalls einschlief. Das Gewitter tobte noch immer und ich beschloss weiterzuschlafen. Mit Zayn an meiner Seite fühlte ich mich wohler und geborgener denn je...

Am nächsten Tag blieb das Wetter noch immer stürmisch und regnerisch, weshalb wir im Hotelzimmer bleiben mussten. Allerdings machten wir selbst aus diesem Tag einen schönen und gemütlichen, indem wir Filme und einige Dokumentationen schauten.

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