Der Las Vegas Strip

228 8 0
                                    

Die frische, aber dennoch warme Nachtluft schlug uns entgegen. Die Straßen entleerten sich langsam, die Menschen liefen in verschiedene Richtungen und wir mussten uns an ihnen vorbeiquetschen. "Wie wäre es, wenn wir erst einmal von hier weggehen? Am Ende des Strips ist es in der Regel ruhiger", rief er gegen die Menge an. Ich nickte ihm zu und ich folgte ihm aus dem Chaos hinaus.

Mit der Zeit waren viele Menschen weggefahren und die Straßen waren wieder entlastet. Natürlich blieben aber die Spieler und Touristen zurück, die Casinos und vielen, zu dieser Zeit noch offenen Geschäfte, konnten sie sich nicht entgehen lassen.

Wir gingen auf der rechten Seite der Straße entlang und steuerten auf das Ende des Strips zu. Noch immer faszinierten mich die vielen Lichter, weswegen ich gelegentlich meinen Kopf hob und mich umschaute. So viele grelle Lichter hatte ich in meinem gesamten Leben nicht gesehen.

Als es stiller wurde und ich den Blick des Jokers auf mir merkte, drehte ich mich zu ihm und schaute ihn an. Er hatte die Hände in die Taschen seiner Hose gesteckt und musterte mich. Die Spannung in der Luft stieg, doch ich zögerte, den Mund aufzumachen und endlich etwas zu sagen. Glücklicherweise unterbrach er selbst die Stille zwischen uns.

"Ich denke, jetzt ist es ruhig genug. Also dann - erzähl, wie es kommt, dass du wieder hier bist?", forderte er mich auf. Ich holte Luft und seufzte. Meine Finger begannen leicht zu zittern, also ballte ich beide Hände zusammen und versuchte, es nicht allzu auffällig zu machen.

"Also... ich muss wirklich viel sagen", begann ich und meine Stimme begann ebenfalls zu zittern. Ich schaute kurz zu ihm, unsere Blicke trafen sich und ich schaute schnell wieder vor die Füße. "Zuerst einmal - wirklich vielen vielen Dank dafür, dass du mir eine so große Geldsumme überwiesen hast. Ich dachte erst, das wäre nicht nötig und ich dachte, dass du nur versucht hast-", ich machte eine Pause und holte Luft.

"Jedenfalls - ich bin dir sehr dankbar. Danke", wiederholte ich. Er schaute zu mir, lächelte und nickte. "Das habe ich gerne gemacht.", antwortete er und seine Worte klangen in diesem Moment so rein und von Herzen, dass das meine einen Sprung machte.

"Sobald ich die Summe auf dem Konto gesehen habe, hatte ich ganz andere Gedanken und habe sofort die beste Klinik des Landes aufgesucht. Wir sind noch in derselben Woche nach Minnesota in die Mayo Clinic geflogen und ich habe im Casino gekündigt." Er nickte, nun etwas betrübt.

"Ich habe nur an meine Mutter gedacht und habe alles hier stehen und liegen lassen", rechtfertigte ich mein Verschwinden. "Das ist völlig in Ordnung, es ist verständlich, dass du an sie gedacht hast", sprach der Joker.

"Sie wurde operiert und es ist alles gut gelaufen, die Krankheit ist weg und sie wird nach einiger Zeit Rehabilitation wieder zu sich kommen und ein normales Leben führen können", fuhr ich fort. "Das ist allein dein Verdienst. Ich weiß nicht, wie ich dir genug danken kann...", gab ich zu und schaute zu ihm hoch.

Instinktiv blieben wir stehen und schauten uns an. Bei dem Anblick des vor mir stehenden Jokers im roten Anzug und mit einem leichten Lächeln, musste ich das tun, was ich tat. Im nächsten Schritt stellte ich mich auf die Zehenspitzen und umarmte ihn, wobei ich meine Arme um seinen Hals schlang.

In diesem Augenblick blitzten unzählige Emotionen in mir auf, meine Wahrnehmung und meine Gefühle waren einem einzigen Chaos ausgeliefert. Ich roch sein leichtes, süß riechendes Parfüm mit einer Note von Holz und fühlte die Wärme.

Er legte instinktiv die Arme um mich und wir blieben für einen ganz kurzen Moment so stehen, doch dieser reichte aus, um meine Vernunft aus dem Konzept zu bringen. Es fühlte sich an, als wären wir zwei Magneten, als würde ich von ihm angezogen werden. Ein Funke entsprang zwischen uns, wie wenn man zwei Steine aneinander schlägt.

JokerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt