Teil 5

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Dort rufe ich den Notruf an, und die freundliche Frau sagt, als ich ihr die Situation geschildert habe, sie würde sofort einen Krankenwagen vorbeischicken. Als sie da sind, bekomme ich von den Sanitätern ein Kühlpad und einen Verband. Ich sehe, wie sie Eleonora auf einer Trage in den Wagen schieben. Das alles läuft viel unspektakulärer ab, als ich es vermutet hätte oder als es immer dargestellt wird. Und ganz schnell ist es wieder vorbei, und ich bin alleine zu Hause.

Als ich am nächsten Tag aufwache kann ich nicht aufhören über das geschehene Nachzudenken. Gestern hatte einer der Sanitäter erwähnt, in welches Krankenhaus sie Eleonora bringen würden. Ich beschließe, nach dem Frühstück mit dem Bus dorthin zu fahren. Im Krankenhaus angekommen, frage ich mich durch, und als ich erzähle, wer ich bin und woher ich Eleonora kenne, lässt man mich auch zu ihr. Sie liegt in einem Krankenbett, das mit der typischen Krankenhaus-Bettwäsche bezogen ist. Als ich eintrete, fängt sie an, sich überschwänglich bei mir zu bedanken. Mir fällt auf, dass der Stapel Briefe, der auch schon auf dem Dachboden war, neben ihr liegt. Sie sieht meine fragenden Blicke und fängt an zu erzählen: „Mein Mann ist im Krieg gestorben. Vor ein paar Wochen habe ich erfahren, dass er mir Briefe geschrieben hat. Nur wurden all diese Briefe an die Adresse des Hauses geliefert, indem du mich gefunden hast. Ich habe nachgeforscht und festgestellt, dass das Haus leer steht. Es gehört einer Familie, die kein Geld mehr für die Reparaturen hat und die das Haus deswegen einfach verfallen lässt. Sie konnten mir aber keine Auskunft über die Briefe geben. Und irgendwie bin ich dann in einen Wahn verfallen. Ich habe Herbert nämlich wirklich sehr geliebt, musst du wissen, also dachte ich, ich sehe mich einmal alleine um. Dabei habe ich die Briefe entdeckt und mir die Hüfte gebrochen. Es war nämlich so, dass ich erst eine Nacht in dem Haus kampiert habe, bis ich den Dachboden entdeckte. Das war gestern Morgen. Und dann passierte das mit der Hüfte, vielleicht hast du es nicht bemerkt, aber auf dem Boden war eine kleine Pfütze, die das Holz schon ganz aufgeweicht hatte. Das Wasser kam von einem Loch im Dach, durch das immer wieder ein Tropfen durchkam. Die Pfütze hat das Holz aufgeweicht, und darauf bin ich dann halt ausgerutscht. Ich habe die Briefe aber trotzdem gefunden, und das ist die Hauptsache! Ich bin dir so dankbar, dass du mich gerettet hast!"

Beeindruckt von der Geschichte verabschiede ich mich von Eleonora und beschließe, zu Fuß nach Hause zu laufen und das alles noch einmal zu durchdenken. Nun weiß ich, was das alte Haus mit Eleonora und ihrer Geschichte verbindet. Wenn ich Mama, Papa und die Jungs wiedersehe, habe ich bestimmt etwas Spannenderes zu erzählen als sie. Nur ob sie mir meine Geschichte auch wirklich glauben?

Das alte, verlassene Haus  - KurzgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt