Teil 1

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In meinem Dorf, da gibt es ein altes Haus, in dem niemand mehr wohnt. Es steht schon seit Jahren leer, sagen zumindest meine Eltern. Ich habe Angst vor ihm. Es steht da direkt gegenüber von unserem. Unseres ist gelb angestrichen und hat rote Ziegel. Das von gegenüber ist das komplette Gegenteil. Es ist dunkel, das Holz ist morsch und die alten Holzbretter, sind locker und ächzen oft im Wind.

Aus meinem Zimmer kann ich durch mein großes Fenster direkt in das Grundstück von gegenüber sehen. Ich betrachte die dunkle, im Schatten liegende Seite des Gebäudes, die mit Efeu bewachsen ist. Den verwilderten Garten, der wenn die Sonne scheint, schön und verwunschen aussieht. Ich sehe durch die abgebrochenen Bretter in der Wand des anderen Hauses die Umrisse der alten, verstaubten Möbel, die bestimmt bald auseinanderfallen werden.

Gerade sitze ich auf einem Polster direkt vor meinem Fenster. Eigentlich sollte ich für die Klassenarbeit morgen lernen. Meine Notizen liegen neben mir und scheinen mich vorwurfsvoll anzusehen. Da Winter ist, bin ich weniger motiviert, als in den ersten Wochen des Schuljahres. Außerdem wird es eh' schon dunkel. In diese Gedanken versunken, bemerke ich das komische Knarzen und das laute Poltern, dass ich gedämpft aus dem Nachbarhaus wahrnehmen kann, erst, nachdem es wieder leiser geworden ist und fast aufgehört hat. Ich sehe hinüber zu dem alten Haus. Mir läuft eine Gänsehaut über den Rücken, doch ich denke, dass es gar nicht so laut war und ich es mir nur eingebildet habe. Wenn ich alleine zu Hause bin, kommen mir alle Geräusche immer lauter vor. Meine Brüder finden das Haus sehr interessant, und sie würden am liebsten rüber gehen und alles erforschen, doch unsere Eltern haben es uns verboten. Da sie es für zu gefährlich halten, und außerdem das Haus noch Privatgrundstück ist. Durch das Loch in der Wand kann ich ein helles Flimmern ausmachen. Ich merke, wie mir eine Gänsehaut über den Rücken läuft. Im Dorf wird herumerzählt, es würde im Haus spuken, und obwohl es auch mir nicht sehr geheuer ist, habe ich noch nie an diese Gruselgeschichte geglaubt. Doch jetzt schleichen sich all diese Geschichten in mein Hirn, und ich fange an, nachzudenken, ob denn wirklich etwas an ihnen dran sein könnte. Ich finde keine Anhaltspunkte, aber trotzdem verschwindet das Gefühl nicht. „Aber selbst wenn etwas dran ist, es wäre so oder so besser, jetzt zu lernen.", sage ich mir.

Ich richte mich auf, schnappe mir meinen Ordner mit den Notizen und ziehe energisch den Vorhang zu. Ich setzte mich an den Schreibtisch und versuche, mir irgendwie alle wichtigen Informationen in meinen Schädel zu stopfen. Doch so richtig konzentrieren kann ich mich nicht. Es fühlt sich komisch an zu wissen, dass dort drüben im Haus irgendetwas ist, dass da nicht sein sollte. „Oder bilde ich mir das alles etwa nur ein?". Nachdem sich meine Konzentration weiterhin nicht verbessert, gebe ich es auf und beschließe gleich ins Bett zu gehen. 

Das alte, verlassene Haus  - KurzgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt