VI

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Man lebt nur einmal.

Man sollte sein Leben schätzen.

Leb so als wäre es dein letzter Tag.

Ja und was ist mit den Menschen, die zurückbleiben?

Was ist mit den Menschen, die dabei zusehen müssen, wie eine geliebte Person stirbt?

Was ist mit den Menschen, deren Welt zusammenbricht?

Was ist mit den Menschen, die sich völlig allein fühlen?

Was ist mit den Menschen, die nicht mehr weiterwissen?

Was ist mit den Menschen, die überleben?

All diese Gedanken schießen durch meinen Kopf. Ich wälze mich hin und her, ziehe mir ein Kissen über den Kopf, halte mir die Ohren zu, aber all diese Fragen sind zu laut. Zu wichtig, als dass man sie verstummen könnte. Denn ich brauche Antworten. Ich weiß nicht mehr weiter. Ich kann nicht mehr.

Dieser leere Blick von ihr als sie mich das letzte Mal ansah. Sie meinte sie sei einfach sehr müde und ich müsse mir keine Gedanken machen. Habe ich auch nicht, denn schließlich wusste ich ja, dass sie oft erschöpft und müde war.

Sie schlief also ein.

Schlief lange.

Sehr lange.

So lange, dass ich mir irgendwann Sorgen machte und nach ihr sah.

Atmete sie noch?

Ich wurde hektisch und Panik durchflutete mich.

Dann sah ich sie.

Die Packung Schlaftabletten.

Ich legte meinen Kopf auf ihre Brust.

Alles still.

Sie war fort.

Und ich blieb zurück.

Allein.

Ich spüre eine Träne von meinem Kinn hinunter tropfen und bevor ich mich davon abhalten kann, fange ich richtig an zu weinen. Ich weiß nicht wirklich wieso, schließlich hatte ich keine geliebte Person verloren. Jedoch spüre ich den Schmerz in dieser Erinnerungen. Ich spüre ihn so intensiv, dass es sich wie mein eigener Schmerz anfühlt. Unvorstellbar wie schmerzvoll es wohl für Sam gewesen sein muss. Der Drang Sam in die Arme zu schließen und ihn nie wieder loszulassen, scheint mich fast zu überwältigen.

Bevor er das also tun kann, öffne ich die nächste Erinnerung.

Mein Beitrag zum Ideenzauber 2021Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt