Ich komme gerade nachhause und höre Gebrüll. Mein Vater. Wer auch sonst? Hektisch laufe ich ins Schlafzimmer wo meine Mutter klein gekauert auf dem Bett sitzt. Sie ist ein kleines Häufchen Elend und sieht so winzig klein und erschöpft aus. Ich bin richtig geschockt. Ich habe sie länger nicht gesehen, weil sie eigentlich die ganze Zeit nur im Bett lag. Außerdem hatte ich öfter bei Timon übernachtet, sodass ich weg von zuhause bleiben konnte.
Zuhause. War das überhaupt mein Zuhause? Es fühlte sich fremd und beängstigend an. Nicht liebevoll und sicher.
„Du liegst nur im Bett rum und bist am Flennen! Reiß dich doch mal zusammen und streng dich an! Ich habe besseres zutun als mein ganzes Geld für dich und Sam auszugeben. Ihr seid beide einfach nur eine Enttäuschung und für nichts zu gebrauchen!", schreit mein Vater wutentbrannt und bei diesen ekelhaften Worten entflammt auch in mir die Wut.
Ich trete ins Schlafzimmer ein und mein Vater bemerkt jetzt erst das ich da bin, meine Mutter hat ihren Kopf noch immer in den Armen versteckt und schaut auch nicht auf, als ich beginne zu reden.
„Du hast kein Recht so mit Mama zu reden und mit mir auch nicht! Du bist doch nie da und hast keine Ahnung. Alles dreht sich bei dir nur um deine Arbeit und um dich selbst. Du bist echt so ein Arschloch, dass du jetzt Mama so anschreist. Ich meine du siehst doch wohl, dass es ihr nicht gut geht."
Ich versuche so viel Hass wie möglich in meiner Stimme mitklingen zu lassen, doch noch bevor ich zu ende reden kann spüre ich die flache Hand meines Vaters an meiner Wange. Heißer Schmerz breitet sich in meinem Gesicht aus und ich beiße die Zähne zusammen, um nicht aufzuschreien. Dafür höre ich meine Mutter schmerzvoll und verzweifelt aufschreien.
„Rede nicht so mit mir. Du bist einfach nur ein schwaches und nutzloses Kind. Aber nicht meines. Mein Sohn hätte mich stolz gemacht."
Seine Worte stechen in mich hinein wie ein Messer und ich zucke zusammen, bei dem unglaublichen Hass, der in seiner Stimme mitschwingt und den ich so sehr versucht habe in meiner Stimme erklingen zu lassen.
Ich will gerade meinen Mund aufmachen, um noch etwas zu erwidern, da spüre ich erneut einen Schlag. Diesmal noch viel fester und ich beiße vor Schreck auf meine Lippe, so doll, dass ich Blut schmecke.
„Sei still und jetzt verschwinde!"
Ich wünschte ich wäre nicht so feige gewesen und wäre dortgeblieben, um meine Mutter zu verteidigen und mich gegen meinen Vater zu stellen. Doch ich ging, so wie er es mir gesagt hatte und ich schämte mich schrecklich dafür.
Ich bin erstarrt, so geschockt bin ich von dem was ich gerade gesehen habe. Ich habe keine Ahnung was ich denken soll. In meinem Kopf schwirren hunderte Gedanken, Fragen und wütende Schreie. Wie kann ein Mensch nur so unglaublich hasserfüllt und verbittert sein? Mir ist heiß, heiß vor Wut und ich boxe in mein Kissen, weil ich diese Wut unbedingt rauslassen muss.
Nach einer Weile kommt ein etwas anderer Gedanke in meinen Kopf. Etwas, dass ich aufgrund der unfassbaren Wut völlig verdrängt habe. Ich weiß wie die Person heißt, der dieser Stick gehört. Sam. So hatte ihn sein Vater genannt. Sein grauenhafter Vater.
Sam.
Immer wieder spreche ich den Namen in meinen Gedanken aus und dann auch laut.
„Sam"
Ich mag den Namen. Ich mag ihn sehr. Wenn ich ihn ausspreche, kribbelt meine Zunge und er klingt wie mein Lieblingssong in meinen Ohren. So wunderschön und besonders. Dabei ist der Name ja gar nicht besonders, aber trotzdem er bewegt etwas in mir.
Dann wird mir aber klar, dass es sehr wahrscheinlich nicht der Name an sich ist, der etwas in mir bewegt, sondern die Person, zu der dieser Name gehört.
Etwas nervös klicke ich auf die nächste Datei.
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Mein Beitrag zum Ideenzauber 2021
Historia CortaDies ist mein Beitrag zum Ideenzauber 2021