1. Kapitel

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7 Monate zuvor

Es regnete schon seit Tagen, aber das war ihr egal. Alle jammerten, alle stöhnten und kaum jemand ging freiwillig aus dem Haus, ausgenommen natürlich sie, denn sie liebte den Regen. Sie liebte es, dass alles grau und matt aussah, denn nachher würde alles so aussehen, als wäre es okay, als wären alle Sorgen weggewaschen. Irgendwie schien es natürlich so. War es aber nicht.
Sie würden immer noch da sein.
Schließlich ist es nur Regen, und nicht der Weltuntergang. Nur ein Weiterer Sturm der enden würde und dann langsam in Vergessenheit geraten würde. Das ist das Leben. Nie würde alles weg sein. Nicht in diesem Leben, Nicht in ihrem Leben, nicht jetzt.
Sie stand ganz alleine draußen. Die kalten Tropfen prasselten auf ihr Gesicht. Sie schloss ihre Augen.
Einatmen.
Ausatmen.
Ein alter Mann lief mit seinem Regenschirm zu ihr. Er sagte, sie solle nach Hause gehen, denn es würde ein starker Sturm werden. Es solle sogar Gewittern, erklärte er erstaunt. Sie antwortete nur, dass es okay sei und er lieber gehen sollte. Er sollte sich keine Sorgen um jemanden machen, den er nicht kannte. Der Mann lächelte matt und ging.
Der Wind wurde stärker und bald waren alle Straßen leer, nur sie blieb hier, hier im Sturm. Denn dies war der Ort wo sie sich lebendig fühlte. Nur wenn sie hier war wusste sie, dass noch etwas Leben in ihr stecken musste. Im Regen war sie unendlich. Im Regen war sie glücklich. Jedenfalls war das der verkümmerte Rest ihres Glücks. All ihre Leidenschaft war weg, all ihre Liebe war weg. Sie fühlte sich immer wertlos, leblos, lieblos. Aber im Sturm, ja, Gott, im Sturm, da war sie Lebendig.
Sie öffnete ihre Augen, doch sie sah nichts. Nichts was Bedeutung für sie hatte, nichts was bleiben würde. Es machte ihr Angst.
Dann donnerte laut. Es war, als würde die ganze Welt zusammenzucken. Alle hatten Angst.
Einatmen.
Ausatmen.

Das Mädchen, das im Regen tanzteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt