Rheingold - Anthologie IV

101 3 6
                                    

I, Expertisen und Divisen und dann noch Elfermeter-Schießen:

"Ich kann nicht glauben, dass ich mich auf dieses Niveau herablasse..."

Belustigt sah sie ihn an. "Was? Du hast's doch selbst vorgeschlagen."

Er warf den Kopf in den Nacken und seufzte theatralisch. "Ja schon... wollen wir nicht lieber abschalten und ins Bett? Das zieht sich sicher noch bis elf."

"Wir schauen seit gerademal fünf Minuten."

Ein weiteres Seufzen. Dann rückte er näher und küsste sie lang auf die Wange. Grinsend verdrehte sie die Augen. "Wenn du jetzt noch mein Ohr anknabberst, dann schläfst du heut allein", warnte sie ihn. Sichtlich frustriert stöhnte er und ließ von ihr ab. "Du willst doch nur nicht Weiterschauen, weil du keinen Plan vom Fußball hast und mal nicht den Besserwisser spielen kannst."

Sie wusste, dass sie ihn durchschaut hatte, bevor er überhaupt den Mund öffnete. "Was ist?" Pikiert hatte er die Brauen hochgezogen. "Natürlich hab ich 'nen Plan vom Fußball! Hier Schweiz gegen Frankreich und das wird ein Elfmeter."

"Quatsch, das ist ein Freistoß."

Mit verdrossener Miene fischte er die Sofadecke von der Armlehne und rollte sich beinah wie eine Katze neben ihr zusammen.

"Gelangweilt?" fragte sie, während ihre Finger durch sein Haar strichen.

"Nein", brummte er, "nur nicht interessiert. Ich bitte dich, für wen soll man denn da sein? Frankreich, weil die guten Wein haben, oder Schweiz, weil die gute Banken haben?"

"Morgen-"

"Morgen schon wieder?!" Große Güte, so theatralisch konnte wirklich nur er sein.

"Morgen", fuhr sie fort, "wüssten wir doch auch nicht, für wen wir sind. Deutschland, weil's unsre Truppe ist, oder England, weil wir das Land mögen."

Er gab weitere Protestversuche auf, gab noch ein oder zwei Kommentare zum besten, war dann mit der Anordnung "Weck mich auf, wenn was passiert." eingeschlafen. Ihre leisen Torjubel bekam er natürlich nicht mit. Sie wollte ihn auch nicht wecken, weil er sich heute ohnehin ein wenig überarbeitet hatte.
Als es dann nach der halbstündigen Verlängerung des Spiels zum Elfmeter kam, rüttelte sie ihn doch an der Schulter.

"Da kommt dein Elfmeter."

"Toll", brummte er in seinen kurzen Bart hinein, setzte sich dann aber doch ein wenig auf und sah zu.

"Das hätt sogar ich besser gekonnt", meinte er abschließend, nachdem Mbappé den fünften Elfmeter versemmelt hatte. "Ich wette, sogar du hättest den reinbekommen."

"Dass du mir so viel zutraust..."

"Das und noch viel mehr", grinste er verschmitzt.

***

II, Egoist:

Ihm ging der Liedtext nicht mehr aus dem Kopf. So furchtbar er dieses deutsche Schlagerzeugs auch fand, reflektierte er sich mal selbst, dann passte Königs Egoist zu ihm wie die Faust aufs Auge.
Nachdenklich drehte er einen Kugelschreiber zwischen seinen Fingern hin und her.

Ob sie auch so dachte?

"Alberich?"

"Ja?"

Er verließ sein Büro und lehnte sich möglichst unverfänglich gegen den Türrahmen. Sie saß gerade an der Auswertung einer DNA Probe.

"Dieses Lied von diesem König..."

"Mhm."

"Bin ich wirklich so... so ein Egoist?"

RheingoldWhere stories live. Discover now