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~ 1948 ~

Ich arbeitete gerade im Garten und versuchte das letzte bisschen zu retten, was noch überlebt hatte.
Das war der erste Tag seit vielen, an dem ich mich zu etwas Arbeit aufraffen konnte.

Seit Steves Tod hatte ich nur noch vor mich hin vegetiert. Ich hatte meinen Job bei der Armee gekündigt, hatte kaum noch das Haus verlassen und der einzige Grund, warum ich nicht schon längst aufgegeben hatte, war Peggy. Sie war die einzige, die mich besuchte, um nach mir zu sehen.

Zuerst war sie nur eine Bekannte von der Arbeit gewesen. Wir hatten uns gut verstanden, da wir eine der wenigen Frauen in der Armee waren.
Durch Steve lernten wir uns aber erst richtig kennen und Steves Tod hatte uns mehr zusammen gebracht. Allerdings vermutete ich auch, dass Peggy so viel Zeit mit mir verbrachte, weil ich sie an Steve erinnerte. Er fehlte ihr unglaublich, das konnte ich jeden Tag in ihren Augen sehen.
Trotzdem besaß sie die Kraft, weiter zu machen. Die Kraft, die ich nicht hatte, und dafür bewunderte ich sie.

Ich hatte einfach niemanden mehr. Mein Dad war bei einem Senfgasangriff 1918 gestorben, meine Mum hatte 1924 ihre Tuberkulose nicht überlebt und 1945 verließ mich auch mein Bruder.
Das war mittlerweile 3 Jahre her.

Und jetzt stand ich hier und machte mir vor, endlich einmal produktiv zu sein.
Ich legte die Schere bei Seite und zog die Handschuhe aus. Es brachte sowieso nichts.

Mir lief eine Träne die Wange herunter.
Ich hatte mir fest vorgenommen, nicht mehr an meine Familie zu denken, in der Hoffnung, dass der Schmerz somit schneller vergeht. Aber ich schaffte es einfach nicht.
Ich konnte die Tränen nun nicht mehr aufhalten und fing, wie so oft, einfach an zu weinen.

Plötzlich spürte ich, wie jemand von hinten seine Hand auf meine Schulter legte. Erschrocken fuhr ich herum und riss sofort meine Augen auf.

Scheiße!

Soweit war es also schon gekommen. Ich wurde verrückt. Ich dachte, ich hätte meinen Zustand noch halbwegs im Griff, aber wenn jetzt auch noch Halluzinationen dazukamen, dann musste es für mich wohl schon zu spät sein.

"Hey.", sagte Steve vorsichtig und setzte ein besorgtes Lächeln auf.
"Nein! Nein, nein, nein!", sagte ich laut und begann sofort in Richtung Haus zu laufen.
"Sophia, warte!", hörte ich ihn hinter mir rufen, doch ich steuerte immer weiter auf die Eingangstür zu, damit die Halluzination wieder verschwand.

"Soph!", sagte er wieder und versperrte mir nun den Weg, indem er sich vor mich stellte.
Ich hörte auf, wegzurennen und blickte ihn an. Wenn ich mich auf eine Konversation einließ, hörten meine Wahnvorstellungen möglicherweise auf.

"Ich weiß, es sieht verwirrend aus, aber hör mir zu.", begann er.
"Ja, es ist in der Tat sehr verwirrend und auch verrückt, wenn man mal in Betracht zieht, dass ich jetzt auch noch halluziniere.", beklagte ich mich. Steve blickte mich verdutzt an.
"Du halluzinierst nicht.", erklärte er, weshalb ich meine Augenbrauen zusammenzog. Das könnte jede Wahnvorstellung sagen.

"Wie wäre es, wenn wir uns reinsetzen. Es ist nämlich eine lange Geschichte.", schlug er vor.

~

Ich rieb mir die Schläfen. Das war eindeutig viel zum Verarbeiten.
Also nur noch einmal zum Verständnis:

Mein verstorben geglaubter Bruder und sein bester Freund waren also doch nicht tot, sondern hatten sich 70 Jahre in der Zukunft befunden.
Dort hatte Steve andere Helden getroffen, die sich ‚Avengers' nannten.
Dann kam, neben vielen anderen, irgendsoein Bösewicht namens Thanos, welcher mit einem Handschuh und sechs Steinen die halbe Menschheit ausgelöscht hatte. Diese Menschen wurden allerdings 5 Jahre später wieder zurückgeholt, indem die Avengers durch Zeitreisen an die Infinity Steine gelangt waren. Um aber keine Probleme zu verursachen, hatte Steve die Steine wieder in ihre ursprüngliche Zeit zurückgebracht und war durch eine weitere Zeitreise nun hierher gekommen.

"Ich bin aber nicht nur hierher gereist, um dich zu sehen.", teilte er mir in einem Ton mit, der nichts Gutes zu bedeuten hatte.
"Dadurch, dass ich in der Zukunft war, konnte ich in einem Museum über dich lesen. Und... Ähm...", er brach ab.

"Was stand dort über mich?", fragte ich also.
"Du, du steckst dich mit Tuberkulose an, genau wie Mum.", antwortete er.
Meine Augen weiteten sich.
"Und ich sterbe daran, nehme ich mal an.", schlussfolgerte ich.
Steve nickte nur und sah mich traurig an.
"Wann?", wollte ich wissen.
"Nächstes Jahr."

Ich hielt mit die Hand vor den Mund. In einem Jahr. Das würde bedeuten, dass ich mit 28 Jahren sterben würde.

Jetzt war Steve derjenige, dem eine Träne hinunter lief. Jetzt erst sah ich ihn zum ersten Mal richtig an. Er sah älter aus, als ich ihn in Erinnerung hatte, was laut seiner Geschichte allerdings Sinn ergab.

Ich nahm seine Hand und lächelte halbwegs.
"Ist schon okay.", sagte ich.
"Nein, ist es nicht. Nicht, wenn ich es verhindern kann.", sagte er.
Ich sah in nur fragend an.
"Du kannst am Ende immer noch nein sagen, aber ich habe mir etwas überlegt, sobald ich alle Steine zurückgebracht hatte.", fing er an. „Ich bin der Meinung, dass ich genug in der Zukunft gelebt habe. Es wird Zeit für mich, zurückzukehren, hier zu bleiben. Allerdings könnte ich es nicht ertragen, in dem Wissen zu leben, dass ich dich in einem Jahr wieder verlieren würde oder dass ich Bucky alleine zurückgelassen habe. Wenn ihr aber euch beide hättet und du auf ihn Acht geben könntest, dann, naja..."

Mir ging ein Licht auf.
"Du möchtest, dass ich anstelle von dir in die Zukunft reise?", fragte ich und meine Theorie bestätigte sich.
"Ich habe noch Nanopartikel für genau einen Zeitsprung übrig und ich möchte, dass du sie nimmst. Du hast dein ganzes Leben noch vor dir und noch hast du dich nicht mit Tuberkulose angesteckt. Du könntest in der Zukunft der Krankheit entgehen und-"
Ich unterbrach ihn: „Ich mache es."
Ihm schien ein Stein vom Herzen gefallen zu sein.
"Aber nur, wenn du mir versprichst, sofort zu Peggy zu gehen, wenn ich weg bin. Sie vermisst dich sehr. Ihr beide habt es verdient, zusammen zu sein.", stellte ich meine Bedingung.
"Das werde ich.", sagte er und lächelte.
Er zog mich in eine feste Umarmung, die ich mehr als alles andere gebraucht hatte. Er hatte mir noch mehr gefehlt als ich gedacht hatte. Doch jetzt, wenn ich wusste, dass er glücklich werden würde, konnte ich auch meinen Frieden finden.

🖤

Jetzt wisst ihr, wie es zu ihren Zeitsprung gekommen ist.

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till the end of the line ~ Bucky BarnesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt