Elegant und mit einem strahlenden Lächeln, dass zu diesem Anlass ausnahmsweise einmal nicht aufgesetzt war, stieg Melusine aus der Kutsche. Vor ihr erhob sich ein gigantischer Palast, der unzählige kleine Fenster, Erker und Türme besaß, deren silberne Spitzen die warme Nachmittagssonne funkeln ließ. Staunend betrachtete Melusine das edle Gebäude und konnte nicht glauben, dass sie tatsächlich hier zur Schule gehen sollte. Sie hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen, obwohl sie als Tochter des Markgrafen du Saturne bereits eine Menge vornehmer Adelshäuser zu Gesicht bekommen hatte.Das Anwesen ihrer Familie hatte etwas Düsteres und Bedrohliches an sich, das auf die Besucher wie seine Bewohner respekteinflößend wirkte. Man konnte gar nicht anders, als ehrfürchtig durch das gewaltige Eingangstor zu treten.
Dieser Palast jedoch war anders. Besonders. Es war so blau wie der Himmel selbst und strahlte Eleganz, Reinheit und Perfektion aus. Den Palast umgaben hellgrüne Wiesen, auf denen geflügelte Pferde grasten, deren leises Wiehern zu Melusine herüber schallte. Am Horizont konnte man die Umrisse einer riesigen Bergkette erkennen.
„Mademoiselle du Saturne?“, riss die Stimme ihres Chauffeurs sie aus ihrer stummen Bewunderung.
„Ja, natürlich, chrm“, räusperte sie sich. „Nehmen Sie das Gepäck!“ Melusine setzte einen hochmütigen Blick auf, wie immer, wenn sie in der Öffentlichkeit mit ihren Bediensteten sprach. Er nickte und eilte mit ihren Koffern und Taschen beladen auf den Boteneingang des Schlosses zu.
Zielstrebig und mit hocherhobenem Kopf betrat Melusine den weißen Kiesweg und schritt durch den sorgsam gepflegten Palastgarten. Als sie ein Gruppe Erstklässler, die wie sie selbst noch keine Schuluniform trugen, vor sich erblickte, beschleunigte sie ihre Schritte etwas und reihte sich schließlich neben einem freundlich dreinblickenden Jungen mit blonden Locken ein.
„Guten Tag“, grüßte sie höflich.
„Salut!“, antwortet dieser fröhlich und plapperte gleich weiter. „Je suis Louis et toi?“
„Je m’appelle Melusine. Melusine du Saturne.“
„Est-ce que ton père est le Marquis du Saturne?“, fragte er mit großen Augen.
„C’est vrai.“ Melusine nickte zustimmend.
„Das ist so cool! Manchmal wäre ich auch gerne reich… Ich wohne mit meinen Eltern und meiner kleinen Schwester Lilou am Meer. Unser Dorf ist ziemlich klein, aber wunderschön. Vielleicht willst du ja mal vorbeikommen? Es heißt Le Rozel und -“
Louis wurde in seinem Redeschwall unterbrochen, als ein großer, stämmiger Junge ihn heftig anrempelte, sodass er stürzte.
„Aïe, mon pied!“, schrie Louis schmerzerfüllt auf und hielt sich seinen Knöchel.
„Was bist du denn für ein Weichei, Morel? Stell dich nicht so an, du Schwuchtel!“
Louis begann leise zu weinen und versuchte vergeblich, aufzustehen. Allerdings knickte er immer wieder ein. Er saß da wie ein Häufchen Elend. Melusine wurde es schwer ums Herz, doch sie hielt sich zurück. »Stell dich nicht vor diejenigen, die du nicht kennst. Meistens sind die deine Mühe nicht wert.« Die Worte ihres Vaters hallten durch ihren Kopf und so blieb sie stumm stehen.
„Seht ihn euch an, diese jämmerliche Schwuchtel!“, lachte der Große fies. „Na Morel, sollen wir deine Mami rufen? Oder sollen wir lieber Lucy zu dir sagen?“, mischte sich ein anderer Junge mit schwarzem Haar ein. Einige der umstehenden Kinder lachten oder verspotteten den kleinen Blonden, während die meisten scheinbar oder tatsächlich unbeteiligt weiter gingen und durch einen von Schlingpflanzen umrankten Torbogen den Garten verließen.
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Medusa | Fred Weasley
FanfictionWie ein Löwe eine Schlange beschwört und wie eine Schlange zur Löwin wird. ©Alle bekannten Figuren und Orte aus der Harry Potter Saga gehören selbstverständlich J.K. Rowling. Die verwendeten Bilder gehören ebenfalls nicht mir. Ansonsten liegen alle...