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Nach etwa eineinhalb Stunden parkte Luca den Wagen und Louis schreckte hoch. Verwirrt sah er sich um und fuhr sich durch die Haare. „Na, Schlafmütze, ausgeschlafen?" fragte sie sanft. Er nickte noch etwas mitgenommen, lächelte aber ebenfalls. „Dann kann es ja losgehen," rief sie fröhlich und schwang die Autotür auf. Sie öffnete die Kofferraumklappe und schulterte beide Taschen. „Was machst du denn da," fragte er entsetzt, „gib das her." Er nahm ihr die Sachen ab. „Aber...," „Kein Aber, du kannst das doch nicht alles schleppen." „Sonst mache ich das auch alleine," sagte Luca. Es klang fast wie eine Entschuldigung. „Du bist jetzt aber nicht alleine, also kann ich das tragen, Punkt," meinte er bestimmend. „Okay." Sie hob abwehrend die Hände und schloss den Kofferraum, dann deutete sie Richtung Dünen. „Da drüben ist es sehr schön, da sollten wir anfangen." Louis nickte und setzte sich in Bewegung. Er sah sich um und meinte: „Wirklich schön hier." „Ja, vor allem, weil man hier wirklich meistens allein ist," Luca atmete einmal tief ein und aus, „und die Luft ist einfach herrlich." Vom Meer kam eine leichte Brise und die Sonne glitzerte auf dem Wasser, das Seegras wiegte sich sanft im Wind. Sie liebte diesen Ort. Hier hatte sie schon viel Zeit alleine verbracht. Tatsächlich hatte sie hierhin noch nie jemand mitgenommen, fiel ihr ein, noch nicht einmal Chloe war mit ihr hier gewesen. Sonderbar, dass sie ausgerechnet heute diese Idee gehabt hatte. Es hätte gefühlt hundert andere Stellen gegeben wo sie ihn hätte mitnehmen können. Fast unmerklich schüttelte sie den Kopf. „Wie weit noch," riss Louis sie aus ihren Gedanken. „Da vorne zwischen den Dünen ist es gut, da können wir die Sachen abstellen." Er nickte wieder. An der Stelle angekommen breitete Luca die Decke aus, schlüpfte aus den Schuhen und fing an ihre Kameras, Objektive und weiteres Zubehör auf der Decke auszubreiten. Louis setzte sich ebenfalls auf die Decke und sah ihr interessiert zu. Er deutete auf die Teile. „Das sind Objektive, oder?" Luca nickte. „Genau, das hier ist zum Beispiel ein Makroobjektiv, damit fotografiert man aus nächster Nähe, das werden wir heute kaum brauchen, außer du möchtest einen Käfer auf dem Seegras fotografieren," sie lachte, „Das hier ist ein Weitwinkelobjektiv mit kleiner Brennweite. Der Blickwinkel wird so größer, wenn du dann allerdings Menschen mit auf dem Bild hast, werden die dann entsprechend kleiner. Und das hier ist ein Teleobjektiv, damit holst du alles näher heran. Die Spezialobjektive brauchen wir heute vermutlich nicht, das hier zum Beispiel ist bei Architekturfotografie sehr nützlich. Dann habe ich hier noch ein paar Filter dabei," sie hob einen an, „das ist ein Neutraldichtefilter oder auch Graufilter, damit wird dein Foto quasi etwas abgedunkelt, bei Wasseraufnahmen kann das sehr schön sein, dann wirkt es etwas weicher. Und das hier ist ein Polarisationsfilter, damit werden Farben intensiver zum Beispiel." „Wow, ich bin beeindruckt," staunte er und sah fasziniert, wie ihre Augen bei dem Thema leuchteten, „und wofür ist die zweite Kamera?" „Das ist eine analoge," sagte sie und strahlte, „ich habe zu Hause eine kleine Dunkelkammer, da entwickle ich dann meine Fotos selbst." „Cool, darf ich da mit dabei sein? Das habe ich live noch nie gesehen," platzte es begeistert aus ihm heraus. Spontan nickte Luca: „Klar, warum nicht, wenn du magst." Hatte sie ihn gerade zu sich eingeladen? Doch sie hatte nicht viel Zeit darüber nachzudenken. „Wow, cool," Louis war echt begeistert, einerseits da er wieder Zeit mit ihr verbringen konnte und andererseits interessierte es ihn tatsächlich. „Womit wollen wir anfangen?" fragte er unternehmungslustig. „Ähm, naja, ich würde erst mal gerne sehen, wie du so von dir aus fotografierst, dann gucken wir uns deine Bilder an um zu sehen, was du vielleicht verbessern kannst. Zuerst fotografierst du mit der digitalen Spiegelreflex und ich mache dir ein Weitwinkelobjektiv drauf." „Einverstanden," strahlte er. Ihre Begeisterung war einfach ansteckend. Sie drückte ihm die Kamera in die Hand und zeigte ihm wo der Auslöser sich befindet. „Jetzt einfach fotografieren?" „Genau, einfach mal drauf los," lachte sie. Er sah sich kurz um und fing dann an zu fotografieren. Es war irgendwie seltsam, da sie ihm auf Schritt und Tritt folgte und ihm über die Schulter sah während er sich am Strand entlang bewegte. Nach ein paar Minuten meinte sie dann, dass es erst mal reichen würde. „Wir setzen uns am besten, dann können wir in Ruhe nachschauen, was du so geschossen hast." Gemeinsam gingen sie zurück und setzten sich auf die ausgebreitete Decke. Luca nahm ihm die Kamera ab und navigierte in den Speicher. Louis setzte sich nah neben sie, um besser sehen zu können. Sie klickte einmal schnell durch alle Fotos und nickte. „Ja, das habe ich mir schon gedacht," nuschelte sie leise. „Was? So schlimm?" Luca sah ihn lachend an. „Nein, du hast grundsätzlich Talent, aber du kannst noch einiges verbessern." „Echt? Ich habe Talent dafür?" fragte er mit großen Augen. „Ja, du hast grundsätzlich ein gutes Auge fürs Motiv, aber die Feinheiten lässt du dabei etwas außer Acht," sie zeigte auf eines der Fotos, „schau mal hier. Der Moment als die Welle heranrollt ist super, wenn du jetzt noch besser mit oder gegen das Licht fotografiert hättest, dann hätte es eine ganz andere Stimmung, verstehst du, was ich meine?" Er nickte. „Oder hier," nun zeigte sie ihm ein weiteres Foto, „wenn du hier deinen Blickwinkel verändert hättest, wäre es um ein Vielfaches besser geworden, du hättest dich zum Beispiel hinknien können oder so." Er nickte wieder. „Okay, darf ich es gleich nochmal versuchen?" Lächelnd drückte sie ihm die Kamera wieder in die Hand. Nun hatte er irgendwie Blut geleckt, irgendwie wollte er, dass sie stolz auf ihn sein würde, wenn er es jetzt besser machen würde. Bevor er nun also Bilder machte, sah er nach dem Sonnenstand, kniete sich hin und legte sich einmal sogar in den Sand. „Okay, okay, das reicht erst mal," rief Luca lachend, „nicht, dass du dich noch in den Sand eingräbst, „lass uns mal sehen, wie die Bilder geworden sind." Wieder gingen sie zurück an ihren Platz. Louis war gespannt, was sie nun über seine Fotos sagen würde, seine Wangen waren vor Aufregung leicht gerötet. Luca sah ihn an: „In der Tasche da hinten ist Sonnencreme, du solltest dein Gesicht eincremen, wenn du heute Abend nicht wie ein Krebs aussehen willst," wies sie ihn an, „du bist schon ein wenig rot." „Ja, gleich, ich will erst mal die Bilder sehen und wissen, was du dazu sagst," er rieb sich nervös die Hände. „Wie du willst, aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt," neckte sie ihn und öffnete dann den Inhalt der Speicherkarte. Sie betrachtete das erste Bild lange und sagte nichts. Aufgeregt blickte er zwischen ihrem Gesicht und dem Foto hin und her. „Und," fragte er, weil er es nicht mehr abwarten konnte. Langsam begann Luca zu nicken und betrachtete nun auch die anderen Fotos. „Ich bin beeindruckt," sagte sie leise, „du lernst echt schnell. Die Bilder sind klasse geworden." „Wirklich," rief er aus, „sie gefallen dir?" „Ja, sie sind technisch schon echt gut. Ich sagte ja, du hast Talent, du brauchst nur die richtigen Tipps und das richtige Equipment." Sie sah ihn an und er strahlte über das ganze Gesicht. „Und jetzt?" fragte er aufgekratzt, „Soll ich jetzt mit einem anderen Objektiv fotografieren? Mit dem hier zum Beispiel," er musste kurz nachdenken, „das war das Teleobjektiv, oder?" Luca nickte. „Genau, aber wenn du Landschaftsaufnahmen machst, ist das nicht so geeignet...," „Ich dachte du könntest mir jetzt vielleicht erklären, wie man am besten Menschen fotografiert," unterbrach er sie. „Hier ist doch aber niemand." „Doch, du," sagte er schnell. „Oh," Lucas Augen wurden groß, „ich bin nicht so der Fan davon, fotografiert zu werden, um ehrlich zu sein." „Sonst ist ja aber niemand da," wandte er ein und versuchte so unschuldig, wie möglich auszusehen. „Na schön, geht ja wohl nicht anders," murrte sie kleinlaut. Er konnte ein Grinsen kaum zurückhalten als er aufstand. Luca wechselte noch das Objektiv und steckte noch zwei der Filter in ihre Hosentasche. „Was soll ich machen?" fragte sie ihn. „Wie meinst du das?" fragte er überrascht. Sie lachte: „Na, du musst mir sagen, wo ich hinsoll, was ich machen soll. Du gibst mir die Anweisungen und ich versuche das umzusetzen, damit dein Motiv so aussieht, wie du es dir vorstellst." „Ach so, ja, dann," er sah sich um, „setz dich doch einfach mal in die Dünen da, zieh die Beine an und schling die Arme drum." Luca tat, was er sagte. „Und jetzt guck einfach mal in Richtung Meer mit ganz entspanntem Gesichtsausdruck." Luca hielt ihr Gesicht in den Wind, ihr Haar flatterte im Wind und sie versuchte, sich zu entspannen. Er fand es toll, ihr Gesicht im Sucher beobachten zu können. Aber er musste sich aufs Fotografieren konzentrieren, ermahnte er sich. Damit sie gar nicht auf die Idee kommen konnte, das ganze abzubrechen, scheuchte er sie von einer Stelle zur anderen, mittlerweile machte es ihr sogar ein wenig Spaß. Zum Schluss bat er sie im Wasser zu laufen und dann wollte er noch, dass sie etwas weiter reinging und mit ihren Händen das Wasser in seine Richtung spritzen sollte. Er versicherte sich, dass das Licht so war, wie er es wollte und fing an die Bilder zu knipsen. Das würde sein Lieblingsmotiv werden, dachte er als er durch den Sucher sah. Die Wassertröpfchen glitzerten in der Sonne, Luca lachte und sie sah zum Anbeißen aus. „Reicht es denn noch nicht," rief sie. „Noch zwei oder so, ich will es nochmal von hier drüben probieren," rief er zurück und veränderte seine Position. Um ehrlich zu sein, wollte er sie nur hinhalten. Luca quengelte noch ein wenig und nach kurzen hatte er ein Einsehen. Sie setzten sich zurück auf die Decke und sie packte die Sandwiches aus. „Bedien dich, wenn du magst," forderte sie ihn auf und er griff gerne zu. Eine Weile saßen sie einfach nur da und sahen kauend aufs Meer. „Wie geht so ein Tag bei dir dann noch weiter," fragte er plötzlich in die Stille. „Also normalerweise nehme ich mir auf dem Heimweg noch immer etwas beim Asia-Imbiss mit, lade zu Hause die Bilder auf mein Laptop, während ich die Bilder durchsehe, trinke ich ein Glas Wein und die Bilder der analogen Kamera entwickle ich meist erst einen Tag danach, da es immer zu spät ist," sie lachte. „Klingt fantastisch, so machen wir es nachher," grinste er zufrieden, verschränkte die Hände hinter dem Kopf, schloss die Augen und legte sich auf den Rücken. Luca sah ihn mit offenem Mund an. Er verstand offensichtlich immer alles als eine Einladung, einfach unglaublich. Lächelnd schüttelte sie den Kopf. Er war wirklich unglaublich. Wenn sie ihn so ansah, dann war er auch einfach nur unglaublich süß. ‚Mensch Luca, reiß dich mal ein bisschen zusammen,' schimpfte sie mit sich selbst. Das hier ist rein platonisch, nichts weiter. Sie wollte nichts von ihm und er sicherlich auch nicht von ihr. Schließlich konnte er allein wegen seines Namens und seines Bankkontos jede haben, warum sollte er also etwas von ihr wollen? Sie schüttelte wieder den Kopf, das Lächeln war allerdings erloschen. „Wenn du noch analog fotografieren willst, sollten wir langsam anfangen," sagte sie dann. Er legte eine Hand über die Augen bevor er sie öffnete und sie ansah. „Nur noch ganz kurz, es ist gerade so schön." Sie musste schmunzeln. „Na schön, noch 5 Minuten." Er grinste sie an und schloss wieder die Augen. Er freute sich, dass er heute Abend mit zu ihr gehen würde, mit ihr zusammen essen und ein Glas Wein trinken würde, so könnten sie sich endlich mal ein wenig unterhalten und vielleicht würde sie in ihren eigenen vier Wänden mal ein wenig auftauen. Sie war echt eine harte Nuss. Zwischendurch gab es Momente, da war sie vollkommen locker, da hatte er dann das Gefühl, dass sie ihn echt mochte und er vielleicht eine Chance bei ihr hatte. Doch dann fiel oft ein Schatten über ihr Gesicht und sie wurde abweisend und kühl, als ob sie sich nicht im Geringsten für ihn interessieren würde. Er wollte gerne herausfinden, was dahintersteckte. „So," Luca riss ihn aus seinen Gedanken, „die fünf Minuten sind um, das Licht ist gerade super." Er seufzte als er sich aufrichtete, salutierte und sagte: „Yes, ma'am!" Sie musste lachen. „Den Film habe ich schon eingelegt. Bei der analogen Fotografie musst du dir nur bewusst sein, dass du keinen zweiten Versuch hast, genau genommen. Du kannst dir das Bild eben nicht nochmal ansehen. Bevor du abdrückst, solltest du dir also sicher sein, okay," wies sie ihn an und er nickte. Sie drückte ihm die Kamera in die Hand. „Wie viele Bilder sind da jetzt drauf?" „Es ist ein 20er-Film." „Okay, dann mache ich erst Landschaftsaufnahmen und dann wieder welche von dir und dann umgekehrt," sagte er. „Was, wieso...?" „Ich möchte hinterher die Unterschiede sehen," meinte er schulterzuckend. „Na schön, du kennst dich vor der Kamera ja aus, ich will dann aber keine 'Rote-Teppich-Posen' von dir sehen, keine Bodyguard-Pose, keinen edgy-Gesichtsausdruck, keinen Schlafzimmerblick und keine Peace-Zeichen. Sei dann einfach ganz natürlich, okay?" Er lachte nickend und sie legten los.

Picture you  《Louis FF》 abgeschlossen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt