Gott oder Göttin

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Ihre Augen blieben auf ihn, den Galgen, gerichtet, doch blieben die Menschen um sie herum stehen. Ob man sie kannte, wurde sich gefragt, jedoch brachte niemand eine Antwort heraus. Ein Wesen, welches beinahe aus Licht bestand und dennoch in der Dunkelheit gefangen blieb. Jemanden wie ihr, wollte man aus dem Weg gehen und doch zog sie die Massen an, haderte dabei selbst mit ihrem Äußeren. Weder Mann noch Frau schien sie in den einen Moment, wohingegen der andere sie eindeutig verfestigt hielt. Wie das Licht höchstpersönlich strahlte sie, woraufhin nur noch ihre eigentliche Hülle blieb, die sie zu einer Spanierin machte. Aufgeregtes Geschnatter ergriff die Menge und Luzifer allein wagte es, sich ihnen entgegen zu stellen, falls man das Wesen packen wollte.

Rayen machte es keine Angst, dennoch blieb sie wie erstarrt, nachdem dunkle Wolken ihren Verstand übernommen hatten. Massen an Informationen überströmten sie, während sie selbst in einen gefährlichen Dämmerzustand abrutschte; nichts drang mehr bewusst oder unbewusst zu ihr durch.

»Luzea ist zurückgekehrt!«, schrie einer aus der Menge, jedoch war sie wieder in dem Nichts, wo nur noch ihr Herzschlag alles definierte. Keinen Auftrag mehr, keine Wut, keine Angst und keine Pflichten. Selbst die nervige Hoffnung störte dort nicht mehr, wenn sie auch nur einen sehr kleinen Teil von ihr ausmachte.

Das Nächste, was sie mitbekam, war wie eine Frau auf jemanden in ihrer Nähe einredete. In einer Sprache, die sie zudem noch kaum verstand. Rymes hatte es manchmal gesprochen, ihr auch beigebracht, aber den wirklichen Sinn der Sätze änderten sich immer wieder und doch gleich in ihrem Sinn, weshalb es noch weniger Sinn machte in ihren Kopf, in dem sich so schon alles drehte. Ans Stehen dachte sie in dem Moment nicht und trotzdem wollte sie dies am meisten, weil somit ihre Schutzlosigkeit kleiner wäre.

»Gnade!«, winselte sie, weil es ihrer Meinung das Richtige war in diesem Moment.

Ein Niemand, ein Nichts war sie und doch blickte die Königin der Unterwelt direkt in ihre Augen, als Rayen es vollbrachte sich in dem Bett aufzurichten. In ihren Augen spiegelte sich Angst wieder, doch wirkte sie mehr als entschlossen, während sie den verschwundenen Gast einmal mehr begrüßte. Keineswegs verspürte sie den Respekt, die Furcht oder den Anstand es ihr gleich zu tun, weshalb sie nur murmelte: »Ach, du...«

Mehr brachte die Schwarzhaarige nicht heraus, dennoch erschrak sie mehr vor ihrer Hand als vor ihrer Gesellschaft, denn diese war weißer als eine Wand und schimmerte. Kleine Schuppen ließen diesen Fetzen wie von einen anderen Wesen wirken, doch war es deutlich, dass diese Hand ihr gehörte. Fassen konnte sie sich nicht so richtig, denn die Kälte war nur noch gewachsen und die Anstrengung kehrte immer weiter an ihre Seite.

»Eure Helligkeit, stimmt etwas nicht?«, wurde sie von Lilith persönlich gefragt, woraufhin sie ihren Kopf schüttelte.

»Bringt... mih... mir... Ry... mes.«

Sie wartete, jedoch nickte die Königin nur und ging, ansonsten passierte rein gar nichts, was sie als normal bezeichnen konnte, außer ihr Wanken zur Seite.

Wovor hatte sie also Angst gehabt? Es war nicht einmal ihr richtiger Name, wobei sich in ihren Kopf ein seltsames Chaos aus ihren Namen abzeichnete, Sprachen folgten und gingen auch wieder unter.

»Starte nun keinen weiteren Krieg.«

Starr blickte sie zu ihm und verneinte es nur knapp. Ihre Sinne fühlten sich wie betäubt an und einen Krieg konnte sie vom Bett aus nicht führen, wenn es beinahe unmöglich war jemanden zu befehligen.

»Weshalb wurde ich gehängt?«, fragte sie, um endlich eine richtige Linie zu bekommen, dennoch wusste sie nicht einmal mehr, wer er richtig war.

Joaquin, Angel oder doch Luzifer? Alles war möglich, doch war sie nicht sicher, ob ihr Körper es weiter so bestritt wie schon einmal, wovon sie immer noch nicht viel mehr wusste als zuvor.

»Verleugnung.«

Er grinste, worüber sie ihren Kopf schüttelte. Das war es nicht, doch ahnte sie es bereits, wenn man Angst vor ihr zeigte, die nicht einmal gerecht war.

»Das ist kein Witz, ich hätte drauf-«

»Du hattest bereits dein eigenes Fangnetz erschaffen, als es passiert ist und diesen Idioten als Erschaffer genommen, der nicht einmal seine Sense freiwillig ablegen kann.«

Um sich größer zu machen, spannte sie ihre Flügel, doch wurde er von ihnen geblendet sobald sie gespannt waren. Wie ihre Haut waren sie fleckig und schienen noch größer als die alten Schwarzen, die nicht einmal sie getragen haben, wenn sie es brauchte. Seufzend lockerte sie sie, indem sie ihre Schultern kurz kreisen ließ.

»Ich weiß es nicht mehr«, flüsterte sie atemlos, denn das war ein anderer Mensch, den sie verkörperte.

Er nickte und doch war da nichts, was er nicht hätte wissen müssen. Und trotzdem stand die rachsüchstigste Person vor im, die er jemals gesehen hat, war aber gleichzeitig nur wie ein unwissendes Kind, das in die falsche Welt hineingeraten ist wie ihre Hülle. Nichts und niemand konnte sie bisher aufhalten und jetzt war sie wieder da, eine Woche vor der Herausforderung. Immer noch wartete er, wohingegen sie nur ihre Augen senkte und die Decken richtete. Die Kriegerin war in einer kleinen Kämpferin gefangen.

»Außerdem wird mir ständig schwarz vor Augen, wenn ich mich zu sehr anstrenge. Wie sollte ich denn die Komplexität eines Krieges erfüllen überhaupt? Niemand kann eine kranke Feldherrin gebrauchen.«

Allein und ohne ihn, dachte Rayen, weil es sich nicht richtig anfühlte, ohne Rymes zu sein. Versuchsweise suchte wohl die Königin nach ihm, dennoch würde er sich wohl von allein zeigen, wenn er es wollte, wann er sich bereit fühlte.

»Ich kenn nicht einmal die Grundgesetze der Ebenen richtig«, gestand sie ihm und sich selbst, weshalb sie wohl immer wieder auffallen würde, wenn nicht durch ihr Äußeres. Luzifer seufzte und nickte.

»Gut, das wirst du schon hinbekommen, aber lass dir ruhig Zeit.«

Ebenfalls stimmte sie zu, denn sie war nicht bereit, sich der Realität zu stellen oder auch nur einer weiteren Person, der sie eine Erklärung schuldete.

Wie das alles passiert war, fragte sie sich schon lange, doch hielt sie es so noch sehr gut aus; allein im Bett und versuchte erstmals Ruhe zu bekommen, welche sie gut gebrauchen konnte.

Rayen - Von Nacht zu NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt